Obacht bei ärztlicher Privatliquidation: Strafbarkeitsrisiken auch bei Abrechnung gegenüber Privatpatienten

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Auch aus rechtlicher Sicht ist die Abrechnung ihrer Leistungen für Ärzte ein wohl leidiges und zunehmend heikles Thema. Dies gilt nicht nur für die vertragsärztliche Versorgung, sondern spielt bei der häufig als insoweit vergleichsweise unproblematisch angesehenen Abrechnung gegenüber Privatpatienten ebenfalls eine Rolle.
Die latente Gefahr, sich auch als privatliquidierender Mediziner im Dickicht der Abrechnungsregeln nicht ohne Weiteres zurecht zu finden und sich bereits bei kleinen Fehlern plötzlich und unerwartet dem Verdacht des Abrechnungsbetruges bis hin zur Einleitung eines Strafverfahrens gegenüber zu sehen, scheint zuzunehmen.
So äußerte sich der Bundesgerichtshof zur Frage der Strafbarkeit eines privatliquidierenden Arztes wegen Abrechnungsbetruges Anfang 2012 in grundlegender Weise (BGH, Beschluss vom 25.01.2012 – 1 StR 45/11). Im Wesentlichen gelangt der BGH dabei zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen die aus dem Vertragsarztrecht bekannten Abrechnungsanforderungen auch bei der Privatliquidation zum Vorwurf des Abrechnungsbetruges führen kann. Die Grundsätze der persönlichen Leistungserbringungspflicht, der Delegationsfähigkeit von medizinischen Leistungen und des im Vertragsarztrecht bereits seit längerem geltenden „streng formalen“ bzw. „normativen“ Schadensbegriffes beim Tatbestand des Abrechnungsbetruges gelten demnach auch bei der Privatliquidation.
Daneben gilt nach dieser Entscheidung des 1. Strafsenats des BHG, dass – wie bei der vertragsärztlichen Versorgung – auch bei Privatpatienten die entsprechenden Leistungen jedenfalls abrechnungsfähig sein müssen, wenn bei der Privatliquidation auf die GOÄ Bezug genommen wird.
Im Ergebnis wird der Arzt also auch hier Anlass haben, seine eigene Abrechnungspraxis ebenso laufend kritisch zu hinterfragen wie bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen, will er jeglichem Verdacht eines vorsätzlichen unrechtmäßigen Verhaltens vorbeugen.
Wie bei Betrugsdelikten im Allgemeinen, sind auch beim Spezialfall des ärztlichen Abrechnungsbetruges objektive Voraussetzungen zur Annahme der Strafbarkeit u.a. ein Täuschungsverhalten des vermeintlichen Täters, ein hieraus resultierender Irrtum beim Getäuschten und ein ursächlicher Schaden, der diesem im weiteren Verlauf entstanden ist. Hieran orientiert sich auch der BGH in seiner Entscheidung:
Übersendet der Arzt auch dem Privatpatienten eine nach GOÄ spezifizierte Leistungsabrechnung, täuscht er ihn grundsätzlich dann, wenn der Mediziner die jeweiligen Leistungen tatsächlich (a) überhaupt nicht, (b) nicht so wie in der Abrechnung angegeben oder (c) nicht selbst erbracht hat, denn – so das Gericht – „…Wer eine Leistung einfordert, bringt damit zugleich das Bestehen des zugrunde liegenden Anspruchs […], hier also der Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen zum Ausdruck […]“ .
Dabei beinhalte der „[…] wertende Rückgriff auf die in der Abrechnung Bezug genommene GOÄ […]“ des liquidierenden Arztes gegenüber dem Privatpatienten, dass diese Leistungen nach GOÄ abrechnungsfähig wären und tatsächlich auch als solchermaßen abrechnungsfähige Positionen erbracht worden sind.
Die versehentliche Liquidation überhaupt nicht erbrachter Leistungen dürfte in der Abrechnungspraxis vergleichsweise einfach zu vermeiden sein. Anders jedoch verhält es sich häufig bspw. beim richtigen Ansatz von Steigerungsfaktoren der GOÄ (Stichwort: „nicht so“ erbrachte Leistungen), wenn diese auch bei der Privatliquidation zu Grunde gelegt werden.
Ebenso gilt bei erfolgter GOÄ-Bezugnahme auch im Rahmen der Privatliquidation die grundsätzliche Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung (Stichwort: „nicht selbst“ erbrachte Leistungen). Eingekaufte Speziallaborleistungen Dritter oder Therapieleistungen, die nicht unter Aufsicht und nach fachlicher Weisung des Arztes erbracht wurden, dürfen von diesem dann auch nicht privat abgerechnet werden.
Bei alledem habe in dem entschiedenen Fall der Irrtum des insoweit getäuschten Patienten – wie wohl stets – darin bestanden, dass er auf die Richtigkeit und Ordnungsgemäßheit der an ihn adressierten Abrechnungen vertraute.
Nach dem Judikat des BGH habe der Privatpatient ebenso wie der gesetzlich Krankenversicherte dabei bereits dadurch einen Schaden erlitten, dass die erbrachte Leistung mangels Abrechenbarkeit nach GOÄ nicht zum Entstehen eines Zahlungsanspruches des Arztes diesem gegenüber führt, denn „Für privatärztliche Leistungen, für die es weder einen Verkehrswert noch einen (objektiven) Markt oder einen von den Vertragsparteien frei zu vereinbarenden Preis gibt, bestimmen die materiellrechtlichen Normen zur Abrechenbarkeit der Leistungen, namentlich der GOÄ, zugleich deren wirtschaftlichen Wert.
Im nicht-juristischen Klartext bedeutet dies: Wäre also die in Rechnung gestellte ärztliche Leistung gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung wegen fehlender Erfüllung der Abrechnungstatbestände der GOÄ nicht abrechenbar, hat sie auch für den Privatpatienten keinen wirtschaftlichen Wert.
Darauf, dass er diese Leistungen gleichwohl in Anspruch genommen hat, solle es nach dem BGH dabei auch für den Privatpatienten nicht ankommen, denn er habe damit etwas „wertloses“ erlangt, das er gleichwohl bezahlen soll. Insoweit gilt das bereits aus dem Vertragsarztrecht bekannte Kompensationsverbot auch dann, wenn die privatliquidierten Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst bzw. in fehlerfreier Weise dem Privatpatienten zugekommen sind.
Fazit:
Freilich bedarf es zur Annahme der Betrugsstrafbarkeit bei nicht einwandfreien ärztlichen Liquidationen eines vorsätzlichen Verhaltens. Oftmals wird die Frage nach dem Unterschied zwischen Versehen und Vorsatz allerdings erst im Rahmen eines bereits eröffneten Ermittlungsverfahrens oder gar einer öffentlichen Hauptverhandlung vor Gericht behandelt. Will man eine solche – zweifelsohne belastende und selbst bei positivem Ausgang häufig reputationsschädigende – Situation von vorneherein vermeiden, tut der umsichtige Mediziner zumeist gut daran, in Abrechnungsbelangen vorsorglich versierte Beratung in Anspruch zu nehmen und die Behörden in Zweifelsfällen auf den Rat der von ihm konsultierten medizinrechtlich ausgerichteten Juristen zu verweisen.