Interview: „Psychotherapeut – Warum die Definition falsch ist“

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München – Dr. med. Hildgund Berneburg, Vorsitzende der Vereinigung psychotherapeutisch tätiger Kassenärzte e. V. über den Kampf um Honorare, Quoten und Bedarfsplanung.

Welche Ziele verfolgt die Vereinigung psychotherapeutisch tätiger Kassenärzte (VPK) im Gegensatz zu anderen Verbänden?

Seit 1992 tritt die Vereinigung psychotherapeutisch tätiger Kassenärzte für die Psychotherapie in allen Facharztgebieten mit direktem Patientenkontakt ein, um neben der Psychotherapie auch die ärztliche Kompetenz zu gewährleisten und eine leistungsgerechte Vergütung zu erhalten. Zum Zeitpunkt der Gründung der Vereinigung sank die Vergütung der psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzte, die Patienten zudem ja auch medizinisch versorgen, drastisch ab. Die Diskussion um die Aufnahme der psychotherapeutisch tätigen Psychologen und Pädagogen, die mit Patienten „nur“ im Gespräch stehen, in das System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und deren damit verbundenen ordentlichen Mitgliedschaft in den Kassenärztlichen Vereinigungen war in vollem Gang.

1996 wurde durch den Gründer des Verbands, Dr. med. Jörg Schmutterer, in Bayern zum ersten Mal für die antrags- und genehmigungspflichtige Psychotherapie ein Punktwert von 10 Pfennig erreicht. Dieser Punktwert wurde 1998 vom Bundessozialgericht (BSG) im Rahmen seiner Rechtsprechung und bis heute berufspolitisch übernommen.

Als es 2009 wiederum zu einer sehr schwierigen Vergütungssituation kam, konnte die VPK zusammen mit anderen Verbänden durch intensive Arbeit und hartnäckige Verhandlungen die gleiche Honorierung (für psychotherapeutisch tätige Ärztinnen und Ärzte) für die antragspflichtige, genehmigungspflichtige Psychotherapie erreichen.

Ab März 2010 ging die antragspflichtige, genehmigungspflichtige Psychotherapie im Regelleistungsvolumen (RLV) bzw. im qualitätsbezogenen Zusatzvolumen (QZV) bei allen psychotherapeutisch tätigen Fachärztinnen, Fachärzten, Hausärztinnen und Hausärzten, die weniger als 90 Prozent Psychotherapieleistungen erbrachten, auf. Ein schwerer Schlag für die ärztliche Psychotherapie, dem sich die VPK erfolgreich entgegenstemmt. So konnten wir erreichen, dass die antragspflichtige, genehmigungspflichtige Psychotherapie seit 2013 bundesweit extrabudgetär honoriert wird.

Was können die Ärzte von der VPK erwarten?

Bei den Vorverhandlungen zum Gesetz der Berufe der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten konnten wir eine sogenannte Quotenregelung für die ärztlichen Psychotherapeuten von 40 Prozent erreichen. Durch weitere Stellungnahmen zu dieser Regelung kann und konnte die ärztliche Quote von 25 Prozent bisher erhalten werden. Für die Fortführung dieser Quote über den 31. Dezember 2014 kämpfen wir gerade. Diese Aktivitäten zeigen die berufspolitische Ausrichtung der VPK für alle Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich.

Psychologische Psychotherapeuten, Ärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie: Für Betroffene ist das ein Irrgarten. Gibt es Bestrebungen, sowohl die Ausbildung als auch das gesamte Berufsbild zu vereinheitlichen?

Ursache aller Irrtümer und der Verwirrung ist die Definition „Psychotherapeut“, die in Paragraf 28 Abs. 3 Nr. 1 SGB V festgehalten ist, besonders für die Leute, die von der Sache sprechen wollen, ohne die Materie zu beherrschen, wie Politiker oder Journalisten.

Eine Korrektur dieser Definition wurde schon oft angeregt, leider bisher nicht umgesetzt. Der genannte Gesetzestext regelt nämlich, dass „Psychotherapeut“ ein Psychologischer Psychotherapeut bzw. ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ist. Die psychotherapeutisch tätigen Ärzte seien als Vertragsärzte zu führen. Somit sind in den Satzungen aller KVen die „Psychotherapeuten“ (laut Gesetz jedoch nur der Psychologische Psychotherapeut bzw. ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut) stets keine Vertragsärzte, besetzen aber einen Vertragsarztsitz.

In den Landesärztekammern bzw. in der Bundesärztekammer sind psychotherapeutisch tätige Ärzte und Ärztinnen Pflichtmitglieder, ihre Weiterbildung absolvieren sie nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammern. Die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind Pflichtmitglieder der Landeskammern der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bzw. in der Bundespsychotherapeutenkammer. Alle Berufe haben zusätzlich ihre eigene Berufsordnung und damit ihre eigenen Pflichten.

Eine Vereinheitlichung wird den Patienten nicht gerecht. Ein Medizinstudium, eine somatische, klinische und ambulante Facharztweiterbildung mit inkludierten psychosomatischen Kenntnissen stellen ein ganzheitliches Behandlungsfundament dar, das die Psychotherapeuten, die Psychologie oder Pädagogik studiert haben, so nicht bieten können. Ein Psychiater ist in der Regel nur somatisch tätig. Zum Wohl der Patienten ist eine strikte Trennung zwischen der psychischen und somatischen Behandlung aber falsch. Beides sollte durch eine medizinische Hand erfolgen.

Die psychotherapeutische Versorgung ist aufgrund steigender Fallzahlen nicht ausreichend bzw. regional sehr unterschiedlich. Wie nutzen Sie die Stimme des Verbands, um hier Besserung zu erlangen? Mit welchen Stellen sprechen Sie?

Unserer Auffassung nach sind der Koalitionsvertrag und die Beschlüsse des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss zur Bedarfsplanung sehr kritisch. Es werden die Psychiatrischen Institutsambulanzen und die Psychosomatischen Institutsambulanzen mit 0,5 Stellen im Vertragsarztsystem auf die Bedarfsplanung der Psychotherapeuten angerechnet, die Sozialpädiatrischen Zentren mit 0,5 auf die Kinder- und Jugendmediziner. Das bedeutet beispielsweise für die Psychotherapeuten in Bayern eine Reduzierung um 43 Vertragsarztsitze.

Mit der Forderung im Koalitionsvertrag auf Reduktion der Überversorgung auf zum Beispiel 110 Prozent würden zusammen bayernweit 1.200 Sitze wegfallen. Dies ist eine sicher nicht tragbare negative Veränderung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung.

Deshalb setzen wir uns in den entsprechenden Gremien wie den Fachausschüssen für Psychotherapie der KVen, in den Landesärztekammern, in der Ständigen Konferenz der Psychotherapeutischen ärztlichen Verbände und in persönlichen Gesprächen mit Politikern wie Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Gesundheit, mit dem KBV-Vorstand oder mit Politikern vor Ort und Krankenkassenfunktionären ein.

Wirtschaftlichkeitsprüfung und drohender Regress, überbordende Bürokratie, 60-Stunden-Woche, Nachfolgeprobleme – Ärzte müssen an vielen Fronten kämpfen, die mit der Arbeit mit Patienten nichts zu tun haben. An welchen Punkten und wie unterstützen Sie die Verbandsmitglieder?

Neben der politischen Arbeit in Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärztekammern und bei den einschlägigen Ministerien versenden wir Newsletter. Über diesen Weg informieren wir unsere Mitglieder über neue Vorgehensweisen der KVen und gesetzliche Neuerungen, die den Arbeitsalltag erleichtern. Zudem hält die VPK Seminare für ihre Mitglieder ab. Dabei geht es zum Beispiel um die Berichte an den Gutachter, die korrekte Abrechnung erbrachter Leistungen oder um juristische Fragen wie Praxisgründung oder -übernahme, Arbeitsrecht und Praxisnachfolge.

Für wissenschaftliche Informationen und regelmäßige berufspolitische Mitteilungen erhalten unsere Mitglieder viermal im Jahr die Zeitschrift „Ärztliche Psychotherapie und psychosomatische Medizin“.

Weitere aktuelle Informationen sind stets auch auf unserer Homepage www.vpk.info.

Isabel Wildfeuer, Rechtsanwältin bei Ecovis in München

isabel.wildfeuer@ecovis.com

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