Qualitätsmanagement: Pflichtenheft für Vertragsärzte erweitert

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München – Drei Phasen und fünf Jahre: Die Erweiterungen und Änderungen beim Aufbau eines Qualitätsmanagement-Systems kosten Zeit, bringen aber auch viele Vorteile für Praxen.

Qualitätsmanagement (QM) ist für vertragsärztliche Praxen, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren Pflicht. Im April 2014 ist eine nicht unerhebliche Erweiterung der QM-Richtlinie für die vertragsärztliche Versorgung in Kraft getreten. Diese verlangt den Praxen neben der allgemeinen Pflicht, ein QMSystem (QMS) einzuführen und weiterzuentwickeln, nun auch die Implementierung eines Risiko- und Fehlermanagements ab.

Im Mittelpunkt der Erweiterung steht die Orientierung am Patienten. Gleichzeitig soll die Arbeitszufriedenheit aller Praxismitarbeiter gefördert werden. Für Vertragsärzte ist es wichtig, das Risiko- und Fehlermanagement als eigenständiges Instrument eines einrichtungsinternen QM aufzulisten.

Die Richtlinie fordert von den Praxen nun ganz klar, dass sie Risiken benennen, bewerten, sich Maßnahmen überlegen, wie sich Risiken vermeiden und – falls dies nicht mehr möglich ist – etwaige Folgen bewältigen lassen. Außerdem müssen die Praxen für sich Mechanismen und Abläufe entwickeln, mit denen sie die erkannten Risiken überwachen können. Dabei können die Praxen Erkenntnisse aus Patientenbefragungen, Teambesprechungen, Beschwerden, sicherheitsrelevanten Ereignissen wie Beinahe-Fehlern und der Teilnahme an einem Fehlermeldesystem nutzen.

Klar geregelt sind auch die Dokumentationspflichten: Künftig müssen die Qualitätsziele, ergriffene Umsetzungsmaßnahmen, die systematische Überprüfung der Zielerreichung und eine erforderliche Anpassung von Maßnahmen exakt nachvollziehbar sein. Um die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zum Infektionsschutz zu fördern, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) auch das Hygienemanagement zu einem eigenen Grundelement des praxisinternen QM gemacht. Um einen Hygiene- und Hautschutzplan kommen Praxen also künftig nicht mehr herum. Welches QMSystem sie wählen (QEP, ISO oder EPA), steht allen Ärzten grundsätzlich frei. Die QM-Richtlinie gibt jedoch inhaltliche Grundelemente und Instrumente vor:

Grundelement Patientenversorgung

  • Ausrichtung der Versorgung an fachlichen Standards und Leitlinien entsprechend dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
  • Patientenorientierung, -sicherheit, -mitwirkung, -information und –beratung
  • Strukturierung von Behandlungsabläufen

Grundelement Praxisführung, Mitarbeiter, Organisation

  • Regelung von Verantwortlichkeiten
  • Mitarbeiterorientierung (Arbeitsschutz, Fortbildung)
  • Praxismanagement (Terminplanung, Datenschutz, Hygiene, Fluchtplan)
  • Gestaltung von Kommunikationsprozessen und Informationsmanagement
  • Kooperation und Management der Nahtstellen der Versorgung
  • Integration bestehender Qualitätssicherungsmaßnahmen in das interne Qualitätsmanagement

Die Grundelemente geben einen Überblick darüber, worauf bei der Einführung eines QMS zu achten ist. Außerdem benennt die QM-Richtlinie Hilfsmittel (Instrumente), die in einer Praxis etabliert und genutzt werden sollen. Besonders zu nutzen sind dabei:

  • Festlegung von konkreten Qualitätszielen für die eigene Praxis, Ergreifen von Umsetzungsmaßnahmen, systematische Überprüfung der Zielerreichung und erforderlichenfalls die Anpassung der Maßnahmen
  • Regelmäßige strukturierte Teambesprechungen
  • Prozess- und Ablaufbeschreibungen, Durchführungsanleitungen
  • Patientenbefragungen und ein Beschwerdemanagement
  • Organigramm und Checkliste
  • Erkennen und Nutzen von Fehlern und Beinahe Fehlern zur Einleitung von Verbesserungsprozessen
  • Notfallmanagement
  • Dokumentation der Behandlungsabläufe und Beratung
  • Qualitätsbezogene Dokumentation, insbesondere

o   der Qualitätsziele und der ergriffenen Umsetzungsmaßnahmen sowie

o   der systematischen Überprüfung der Zielerreichung und der erforderlichen Anpassung der Maßnahmen

Zu beachten ist, dass die Einführung und Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements stufenweise in drei Phasen erfolgt. Hierfür gibt die Richtlinie einen bindenden Zeitraum von insgesamt fünf Jahren vor; anschließend soll das System kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Phase 1 – Orientierung, bis spätestens zwei Jahre nach In-Kraft-Treten der Richtlinie bzw. nach Niederlassung: erste schriftliche Selbstbewertung (Ist-Analyse) in der Praxis unter Berücksichtigung der Grundelemente eines praxisinternen QM

  • Festlegung konkreter Ziele (Wo will die Praxis hin?)
  • Benennung eines für das QM zuständigen Vertragsarztes oder -psychotherapeuten
  • Benennung eines für das QM zuständigen Mitarbeiters bei mehr als drei vollzeitbeschäftigten nicht-ärztlichen Mitarbeitern

Phase 2 – Umsetzung, bis spätestens vier Jahre nach In-Kraft- Treten der Richtlinie bzw. nach Niederlassung: Umsetzung auf Grundlage der Planung und Analyse sowie unter Anwendung der Grundelemente und Instrumente

Phase 3 – Überprüfung, spätestens im fünften Jahr nach In- Kraft-Treten der Richtlinie bzw. nach Niederlassung: Überprüfung der bisherigen Umsetzung/Selbstbewertung sowie der jeweiligen Zielerreichung

  • kontinuierliche Weiterentwicklung des QM-Systems auf Basis einer jährlichen Selbstbewertung

Die Einführung und Umsetzung eines QMS kann im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens bestätigt werden. Die Fremdbewertung und das Feedback durch neutrale Stellen bestätigen den Praxen ihre Qualität und machen sie für Dritte transparent. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zertifizierung der Praxis gibt es bislang noch nicht. Zu beachten ist jedoch, dass die Einführung eines praxisinternen QMS und vor allem auch die Zertifizierung zunehmend als gesonderte Anforderung in Selektivverträgen oder Verträgen nach §§ 140a ff. SGB V mit den Krankenkassen sowie für die Gründung von Praxisnetzen, anderen Kooperationsformen oder für den Verkauf von Praxen im Raum steht.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die Aufgabe, neben der Erhebung des aktuellen Stands der Einführung des praxisinternen QM umfassende Beratung anzubieten. Zu diesem Zweck ist eine jährliche Stichprobe von 2,5 Prozent zufällig ausgesuchter Vertragsärzte und -psychotherapeuten zu einer schriftlichen Darlegung des bisher erreichten Einführungs- und Entwicklungsstands aufzufordern.

Fazit:

Ein umfassendes strukturiertes QM trägt dazu bei, die Qualität medizinischer und psychotherapeutischer Leistungen zu erhöhen, Praxisabläufe effizienter zu gestalten und den Praxiswert nachhaltig zu sichern. Dabei steht insbesondere der Patient im

Mittelpunkt, aber auch die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter und der Praxisleitung kann erhöht werden.

Doreen Wiesner-Damaschke, Rechtsanwältin bei Ecovis

doreen.wiesner-damaschke@ecovis.com

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