Die Auswirkungen des neuen § 128 SGB V auf die Zusammenarbeit Arzt / Sanitätshaus

5 min.

In der Gesetzeshistorie hat der § 128 SGB V in der Fassung des GKV-OrgWG mit Wirkung zum 01.04.2009 die größten und einschränkendsten Änderungen erfahren, die aktuell mit den Änderungen, die zum 05.08.2009 im Rahmen der AMG-Novelle in Kraft getreten sind, ergänzt wurden.
Die Abgabe von Hilfsmitteln aus Depots bei Vertragsärzten und die Kooperationen zwischen Produktherstellern, Vertriebsunternehmen, Vertragsärzten und Leistungserbringern im Bereich der ärztlichen Hilfsmittelversorgung wurden erheblich beschränkt.
Grundsätzlich ist nach der Vorschrift des § 128 SGB V die Abgabe von Hilfsmitteln über Depots bei Vertragsärzten, Krankenhäusern und Kliniken untersagt.

Es bleibt insoweit darauf hinzuweisen, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob der Vertragsarzt von dem Anbieter der Hilfsmittel ein Entgelt erhält oder nicht. Deshalb ist auch ohne finanzielle Zuwendung eine Depothaltung unzulässig.

Zu besseren Verständnis des Willens des Gesetzgebers dürfen wir nachfolgend verkürzt die Gesetzesbegründung wiedergeben:
„Die Abgabe von Hilfsmitteln über Depots bei Vertragsärzten wird grundsätzlich untersagt, da solche Depots Leistungserbringern in besonderem Maße einen Anreiz bieten, sich gegen unzulässige Zuwendungen für die Einrichtung eines Depots ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Das Wahlrecht der Versicherten unter den versorgungsberechtigten Leistungserbringern wird durch Hilfsmitteldepots bei Vertragsärzten faktisch eingeschränkt. Von diesem Verbot ausgenommen werden muss die Versorgung mit Hilfsmitteln, die von Versicherten in Notfällen sofort benötigt werden, wie beispielsweise Gehstützen und bestimmte Bandagen. Für Hilfsmittel in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen müssen die gleichen Grundsätze gelten.“

Ausnahmen zu dem in § 128 SGB V normierten Verbot werden insbesondere im Bereich des Notfallbedarfs zugeordnet. Die Grundlagen für die Ausnahmen zum § 128 SGB V sind nicht gesetzlich normiert. Vielmehr finden diese sich in den „Hinweisen des GKV-Spitzenverbandes der Krankenkassen zur Umsetzung des § 128 Absatz 1 SGB V“ vom 31.03.2009.
Ausnahmen von dem Depotverbot bestehen bei der fehlenden Hilfsmitteleigenschaft, bei Produkten und Mustern bei Schulungen und Einweisungen sowie bei Notfallversorgungen.
Instrumente, Gegenstände und Materialien, die der ärztlichen oder stationären Behandlung unmittelbar zuzuordnen sind, bleiben von dem Depotverbot unberührt, da sich die Vorschrift des § 128 SGB V nur auf Hilfsmittel beschränkt. Solche Leistungen sind dann im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung mit den EBM-Gebühren abgegolten oder können vom Arzt gesondert in Rechnung gestellt werden bzw. sind Bestandteil der Vereinbarungen zum Sprechstundenbedarf.

Auch Hilfsmittel, die bei Einweisungen und Schulungen direkt in der Arztpraxis oder einer anderen medizinischen Einrichtung allein zu diesen Zwecken oder zur Diagnose eingesetzt werden oder dort verbleiben, d.h. die der Versicherte nicht mehr in seinem häuslichen Umfeld weiter einsetzt, fallen nicht unter das Depotverbot. Kennzeichnend ist für diesen Bereich insbesondere, dass die Gegenstände lediglich in einem sehr geringen Bestand in Praxen vorgehalten werden (müssen).
Produkte, die zur Versorgung von Patienten im Notfall eingesetzt werden müssen, sind ferner von dem Depothaltungsverbot ausgenommen. Nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes, an der man sich in eigener Einschätzung orientieren sollte, liegt eine Notfallversorgung mit Hilfsmitteln grundsätzlich dann vor, wenn

  • aus medizinischen Gründen i.S.d. § 33 SGB V eine umgehende Versorgung mit einem Hilfsmittel im Zusammenhang mit einer ärztlichen Tätigkeit in Anbetracht eines akuten Ereignisses in einer Arztpraxis oder einer medizinischen Einrichtung notwendig ist und
  • die konkret benötigte Versorgung nicht im Vorfeld planbar ist und
  • der Versicherte das Hilfsmittel nicht bei einem Leistungserbringer in der gebotenen Eile selbst besorgen kann oder die Beschaffung durch in unzumutbar wäre und
  • der Versicherte nach der Versorgung wieder nach Hause geht, also die Versorgung nicht im Rahmen eines stationären Aufenthaltes erfolgt.

Als Kriterien für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Depotlagers spielt mit Sicherheit die Größe einer vertragsärztlichen Praxis und der Fachbereich (Orthopädie; Chirurgie ” hausärztliche Praxis) eine Rolle.

Bei einem Verstoß gegen die Vorschrift des § 128 SGB V ergeben sich die Sanktionen unmittelbar aus § 128 Absatz 3 SGB V. Vertragsärzte und Leistungserbringer, die gegen § 128 SGB V verstoßen, werden mit „geeigneten Maßnahmen“ belegt. Diese können sich in Form von Verwarnungen, Verweisen und Geldbußen widerspiegeln. Zudem können bei schwerwiegenden und wiederholten Verstößen die Ärzte / Leistungserbringer von der Versorgung der Versicherten bis zu zwei Jahre ausgeschlossen werden, was sicherlich in der Gewichtung einem Berufsverbot gleichkommt.

Darüber hinaus wird diskutiert, ob die Vorschrift des § 128 SGB V eine Verbotsnorm im Sinne des §§ 3, 8 UWG darstellt. Nach unserer Auffassung ist dieses der Fall mit der Folge, dass bei einem Verstoß gegen § 128 SGB V automatisch auch ein Wettbewerbsverstoß ausgelöst wird, der einen Unterlassungsanspruch nach Maßgabe des UWG auslöst.
Ohnedies bleibt der Hinweis, dass die Verbotsnorm des § 128 SGB V die bestehenden Regelungen aus dem Strafrecht (bspw. Bestechung, Bestechlichkeit und Vorteilsnahme), dem Wettbewerbsrecht und dem Berufsrecht (§§ 31, 34 MBO bzw. der einzelnen Berufsordnungen der Ärztekammern) ergänzt.

Abschließend soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass wohl alle bisher praxisüblichen Abrufarbeitsverträge, Nutzungs- und Mietverträge, sowie auch die Materialüberlassungsverträge bereits eindeutig nach dem neuen Wortlaut des § 128 SGB V unzulässig sind. Es kann nicht empfohlen werden diese bisher gängigePraxis weiterzuführen.

Sandra Ide, Dr. Katja Held
Rechtsanwältinnen und Fachanwältinnen für Medizinrecht
Kontaktinformationen

Das Wichtigste für Heilberufler aus Steuern und Recht - jetzt anmelden!