Digitaler Euro – Ein Zwischenstand

4 min.

Die Blockchain ist zumindest seit Bekanntwerden des Bitcoins in aller Munde. In letzter Zeit wird die Idee immer häufiger von offiziellen Stellen aufgegriffen, um eine Einführung von digitalen Zentralbankwährungen (engl. Central Bank Digital Currencies [CBDCs]) voranzutreiben. Insbesondere im europäischen Raum mangelt es derzeitig allerdings an einem gemeinsamen finanzwirtschaftlichen, regulatorischen sowie technologischen Grundverständnis.

Welche Motive stecken hinter der Einführung eines digitalen Euros?

Die Motive zur Einführung einer digitalen Zentralbankwährung sind vielschichtig und insbesondere von politischen Faktoren beeinflusst. In Industrieländern spielen Erwägungen zur Sicherheit und Effizienz des Zahlungsverkehrs sowie eine erhöhte Finanzstabilität eine zentrale Rolle.

In Entwicklungsländern hingegen erhofft man sich von einer Einführung vor allem die finanzielle Inklusion der eigenen Bürger. Schließlich sind nach wie vor etwa 1,7 Milliarden Menschen vom digitalen Zahlungssystem ausgeschlossen. Zudem sollen die eigenen Wirtschaftssysteme, die zurzeit zum größten Teil unter dem Einfluss fremder Währungen stehen, wieder in den Einflussbereich der eigenen Geldpolitik eingebunden werden.

Erste Prototypen der EZB zu einer eigenen CBDC auf blockchainähnlichen Technologien haben noch weitergehende Vorteile zutage gefördert:

Verbesserter Zahlungsverkehr

Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über CBDCs hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der traditionellen Abwicklung, da einer starken Abhängigkeit einzelner Unternehmen und Banken von großen Zahlungsdienstleistern bzw. anderen Banken entgegengewirkt wird. Auf diese Weise stellt sich diese Form der Abwicklung als sichere Alternative dar. Schließlich würde ein Ausfall privater Zahlungsinstitute nicht mehr notwendigerweise einen Schneeballeffekt zur Folge haben.

Aber auch der internationale Zahlungsverkehr könnte profitieren. Während heutzutage grenzüberschreitende Transaktionen bis zu zehn Tage in Anspruch nehmen können und dabei im Durchschnitt 7 % des Transaktionsvolumens als Gebühr anfallen, könnten CBDCs zu einem Bruchteil und ebenfalls schneller transferiert werden.

Programmierbares Geld

Ein digitaler Euro wäre zugleich ein programmierbarer Euro. Insoweit wäre er ein wichtiger Baustein des Internet of Things im Rahmen von Machine-to-Machine-Zahlungen. Dadurch wäre ein Gerät in der Lage, Zahlungen zu empfangen, Geld zu überweisen und sogar Enterprise-Ressource-Planning-Buchungen und Rechnungen zu initiieren.

Wettbewerbsfähigkeit

China hat bereits am 16. April 2020 den Einsatz von digitalem Zentralbankgeld gestartet. Das Pilotprojekt erfolgte zunächst zwar (nur) in einem limitierten Rahmen zur Bezahlung von Regierungsbeamten. Ab Mai 2020 soll das Projekt jedoch ausgeweitet werden. Und auch private Unternehmungen wie etwa das Libra-Projekt schreiten weiter voran. Es ist insofern zu erwarten, dass derartig ressourcen- und reichweitenstarke „First Mover“ schnell eine Vormachtstellung erreichen könnten, welche sich nur schwer anfechten ließe.

Vor dem Hintergrund dieser Begebenheiten und der in Europa allgemein beklagten Abhängigkeit von außereuropäischen IT-Konzernen ist die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft wohl ein nicht zu vernachlässigendes Motiv.

Weitere Motive

Als weitere Motive gelten

  • die Sicherheit und Manipulationsresistenz durch die Vermeidung von Single-Points-of-Failure,
  • die Bekämpfung von Straftaten wie etwa Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Terrorismusfinanzierung
  • sowie allgemein hygienische Erwägungen durch den Verzicht auf Banknoten und Münzen.

Kritik

Ein digitaler Euro wirft trotz offenkundiger Vorteile viele Fragen auf. Kritiker befürchten, dass die Einführung einer CBDC zu finanzieller Instabilität, insbesondere durch sog. „Bank Runs“ der Bürger, führen könnte. Auf diese Kritik reagierte die EZB mit einem speziellen Zinssteuerungsplan, der den digitalen Euro zwar als Zahlungsmittel attraktiv, als Wertaufbewahrungsmittel aber eher unattraktiv gestalten soll.

Weitere Bedenken werden hinsichtlich des Datenschutzes geäußert, da Zentralbanken nach einer Einführung jede Transaktion nachvollziehen und verfolgen könnten. Somit werde der Bürger völlig „gläsern“. Es gebe keine Möglichkeiten mehr, gänzlich anonyme Transaktionen zu tätigen. Auch hierauf wurde bereits mit konkreten Vorschlägen reagiert. So will die EZB der Kritik mit sog. „Anonymity Vouchers“ entgegentreten. Diese Vouchers sollen anonyme Geldtransfers über einen begrenzten Betrag und innerhalb eines bestimmten Zeitraums ermöglichen.

Wann und ob ein digitaler Euro eingeführt wird, ist weiterhin völlig offen. In Anbetracht der stetig wachsenden Konkurrenzlage sollte den bisherigen Anstrengungen allerdings (noch wesentlich) mehr Nachdruck verliehen werden.