Strafrecht: Ärzte unter Korruptionsverdacht?
München – Geschenke, Incentives und Co: Im Gesundheitswesen wird es künftig häufiger zu Korruptionsverdacht kommen – die neuen Straftatbestände schaffen Unsicherheit und rechtliche Risiken.
Von Kugelschreiber-Präsenten des Pharmareferenten über bezahlte Anwendungsbeobachtungen bis hin zu mondänen Tagungsreisen auf fremde Kosten – was geht, was geht nicht (mehr)? Mit dem anstehenden „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ mitsamt der neuen Straftatbestände Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (Paragraph 299a StGB) will der Gesetzgeber bislang bestehende Gesetzeslücken bei unlauterer Einflussnahme im Gesundheitswesen durch unzulässige Zuwendungen schließen.
Mit seiner wohl lang erwarteten Entscheidung aus dem Frühjahr 2012 zum Medizinstrafrecht hat der Bundesgerichtshof (BGH) einerseits zwar festgehalten, dass mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mitteln des Strafrechts einer unlauteren Beeinflussung von medizintherapeutischen Entscheidungen durch Vorteilsgewährung und -annahme nicht in ausreichendem Maße beizukommen ist. Namentlich sind freiberufliche Heilberufsangehörige eben und gerade aufgrund ihrer Freiberuflichkeit regelmäßig vom infrage kommenden Täterkreis der „regulären“ Bestechlichkeit/Bestechung ausgenommen, und das korrupt anmutende Verhalten solcher Personen lässt sich zumeist auch keiner Betrugs- oder Untreuestrafbarkeit zuordnen.
Mit derselben Entscheidung hat der Bundesgerichtshof aber zugleich einen vergleichsweise deutlichen Appell an den Gesetzgeber gerichtet, diesen Mangel durch Schaffung entsprechender Vorschriften abzustellen. Dies auch, weil bereits existierende, allerdings nur berufsrechtlich wirkende Sanktionsmittel zur Korruptionsächtung und Verhaltenssteuerung nicht probat seien. Vielmehr soll eine echte Kriminalisierung solcher Vorgänge erfolgen und die Spezialtatbestände Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen als Resultat in das Strafgesetzbuch eingefügt werden.
„Die neue Strafvorschrift ist bei alledem bewusst nicht nur auf Ärzte und Apotheker beschränkt. Auch für Angehörige nichtakademischer Heilberufe und Heilmittelerbringer wie Ergo- und Physiotherapeuten oder Logopäden ist Vorsicht angezeigt, wenn auch beschränkt auf eher wettbewerbsschädigende Aspekte der Korruption“, sagt Sebastian Knarse, Rechtsanwalt.
Bedeutung der neuen Regelungen für die tägliche Praxis
Eines vorweg: Eine klar definierte Bagatell-Wertgrenze für Zuwendungen als Vorteile gleich welcher Art wird es nicht geben. Maßgeblich soll vielmehr sein, ob die betreffende Zuwendung sozialadäquat ist. „Das heißt, dass nur dann nicht von einem unzulässigen Eingriff in die heilberufliche Unabhängigkeit ausgegangen wird, wenn der zugewendete Vorteil bereits objektiv ungeeignet ist, eine Therapieentscheidung zu beeinflussen“, erklärt Knarse.
Ergo: Es kommt darauf an. Ein selbst gebackener Motivationskuchen des Patienten oder sein Dankesblumenstrauß wird sicher sozialadäquat in diesem Sinne sein; wohl ebenfalls Kunststoffschreibstifte als Pharma-Werbegeschenk – ein teurer Premium- Füllfederhalter wird dieses Kriterium freilich nicht mehr erfüllen. Hier liegen die Unterschiede einigermaßen klar auf der Hand.
Wie aber verhält es sich beispielsweise bei Kongresseinladungen, der Übernahme von Fortbildungskosten oder bei der Verschaffung von (zusätzlichen) Verdienstmöglichkeiten? Hierzu gilt, dass zu den korruptionsstrafrechtlich missbilligten Zuwendungen ohne Weiteres auch die unentgeltliche Gewährung geldwerter Vorteile zählt. Namentlich bedeutet „Vorteil“ im Sinne des zukünftigen Paragraphen 299a StGB jede Zuwendung, auf die der Empfänger keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. „Gratistagungen und Kostenübernahmen dürften also regelmäßig hierunter fallen, zumal sich eine hinreichende Sozialadäquanz in diesem Zusammenhang nur schwerlich denken lässt. Gleiches gilt übrigens auch, soweit Dritten der jeweilige Vorteil gewährt wird. Beispielhaft seien Zuwendungen etwa an Familienmitglieder des Heilberufsangehörigen genannt“, kommentiert Rechtsanwalt Benjamin Ruhlmann. Auch die Verschaffung von „Extra-Verdienstmöglichkeiten“ wie vergütete Anwendungsbeobachtungen fällt grundsätzlich unter verbotene Vorteilsgewährung. Darauf, dass dem Honorar dabei eine tatsächlich erbrachte Leistung des Arztes gegenübersteht, kommt es nicht an.
Bei alledem ist zwingende Voraussetzung für eine Korruptionsstrafbarkeit aber der kausale Zusammenhang zwischen Vorteil und dem korrespondierenden heilberuflichen Verhalten. Ein solcher Zusammenhang wird dann angenommen, wenn sich der Vorteil als Gegenleistung für den konkreten Verstoß gegen die heilberufliche Unabhängigkeit darstellt, die Vorteilsgewährung also Mittel der Einflussnahme ist. Besteht zwischen Zuwendendem und Heilberufler Einvernehmen über diese Wechselseitigkeit von Vorteilsgewährung und -annahme, spricht man von einer Unrechtsvereinbarung als weiterer Strafbarkeitsvoraussetzung. Fehlt es an diesem konkreten Zusammenhang, kann bereits von vornherein keine Korruptionsstrafbarkeit gegeben sein. Komplizierter stellt sich die Beurteilung der Beteiligung von Ärzten an im Gesundheitswesen tätigen Unternehmen, beispielsweise Sanitätshaus- oder Physiotherapie- Gesellschaften, dar. War in diesem Zusammenhang bislang von allein berufsrechtlich unzulässiger Zuweisung gegen Entgelt die Rede, besteht die Möglichkeit, dass in Zukunft auch eine wesentlich schwerer wiegende Korruptionsstrafbarkeit zu thematisieren sein wird.