Schutzschirmverfahren: Das Insolvenz-Unternehmen erhalten

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Wenn Gläubiger und Insolvenzverwalter einverstanden sind, können in Finanznot geratene Unternehmen noch einen Sanierungsspielraum nutzen und aktiv ihren Fortbestand sichern.
Der Gesetzgeber hat den Beteiligten eines Insolvenzverfahrens mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) seit März 2012 neue Regeln an die Hand gegeben. Er orientiert sich stärker am Gläubigerschutzverfahren des US-amerikanischen Insolvenzrechts und an den damit verbundenen Chancen. Danach kann der Insolvenzschuldner, durch die Bestimmungen des Chapter 11 vor dem Zugriff seiner Gläubiger geschützt, weiter agieren, um sein Unternehmen langfristig zu erhalten.
Das ESUG stärkt auch die Eigenverwaltung durch den Unternehmer. Denn das Schutzschirmverfahren gemäß § 270b Insolvenzordnung (InsO) eröffnet neue Möglichkeiten der Unternehmenssanierung quasi aus der Insolvenz heraus und beschränkt den vorläufigen Insolvenzverwalter auf die Rolle eines Sachverwalters.
Doch der Eintritt in das Schutzschirmverfahren ist erst möglich, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. So darf das in wirtschaftliche Not geratene Unternehmen neben einem Sanierungsplan, der den Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) zu entsprechen hat, noch nicht zahlungsunfähig sein. Für Klarheit sorgt hier ein Finanzplan für das laufende und das darauffolgende Geschäftsjahr.
Damit wird es für die Unternehmen eminent wichtig, frühzeitig zu handeln, um noch unter den Schutzschirm schlüpfen zu können. Unternehmen, über die eine Zahlungsunfähigkeit buchstäblich „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“, etwa in Form eines plötzlichen Forderungsausfalls, hereinbricht, kommen leider nicht in den Genuss des Schutzschirmverfahrens.
Besonders deutlich wird dies an dem nachfolgenden Beispiel einer Sanierung, die Ecovis vor wenigen Wochen erfolgreich abschließen konnte.
Dabei ging es um ein Unternehmen, das mit der Rechtsform einer GmbH im privaten Wohnungsbau und als Bauträger tätig war. Bei einem Großprojekt kam es zu Unstimmigkeiten mit dem Auftraggeber im Zusammenhang mit Nachträgen, Regiearbeiten und einer unklaren Ausschreibung. Der Auftraggeber verweigerte die Bezahlung der gestellten Rechnungen und beschritt den Rechtsweg mit Einschaltung eines Gutachters. Die Baufirma konnte daher ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen. Nachdem nicht mit allen Gläubigern Stundungsvereinbarungen geschlossen werden konnten, war innerhalb der Drei-Wochen-Frist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden.
Hier hat Ecovis dem Mandanten nach Prüfung der Sach- und Rechtslage geraten, den Insolvenzantrag zu stellen. Ziel war, Haftungs- und Strafrechtsrisiken vom Unternehmer fernzuhalten und gleichzeitig aus der Insolvenz heraus eine Auffanggesellschaft zu gründen. Dies tat die Ehefrau des Unternehmers und eröffnete zeitgleich mit dem Insolvenzantrag eine Gesellschaft, an die neue Aufträge erteilt wurden. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens hatte die Auffanggesellschaft das Anlagevermögen entgeltlich vom Insolvenzverwalter erworben und im Wesentlichen das Personal übernommen. Damit war die Grundlage für die künftige Geschäftstätigkeit geschaffen.
Mit dem Insolvenzverwalter wurde vereinbart, dass der Unternehmer im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten einen monatlichen Betrag über einen Zeitraum von sechs Jahren an die Insolvenzmasse abführt. Im Gegenzug waren die Ansprüche der Insolvenzmasse auf Ersatz gegen den Unternehmer vollständig abgegolten. Die Geldmittel hieraus ließen sich letztlich aus der Auffanggesellschaft erwirtschaften.
Der tätigen Unternehmerfamilie blieben dann am Ende trotz des Insolvenzverfahrens in Form der Auffanggesellschaft eine Geschäftsgrundlage und die Einkunftsquelle erhalten. Weil auch die Arbeitsverhältnisse weiter Bestand hatten, musste hierfür auch kein Insolvenzausfallgeld bezahlt werden.
Somit waren alle Beteiligten die Gewinner dieser Lösung: Der Insolvenzverwalter konnte das Verfahren zeitnah abschließen und eine Quote an die Insolvenzgläubiger ausbezahlen. Und für die Unternehmerfamilie und die Mitarbeiter wurde eine tragfähige Zukunftsperspektive geschaffen.
Und noch ein besonderer Aspekt spielte bei der Unterstützung durch Ecovis eine wichtige Rolle. Alle strafrechtlich relevanten Themen wie beispielsweise Insolvenzverschleppung wurden von vornherein vermieden – für den wirtschaftlichen Neustart der Unternehmerfamilie elementar.
Bei Fällen, in denen die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten und deshalb kein Schutzschirmverfahren mehr möglich sein sollte, zeigt das vorstehende Beispiel sehr deutlich: So frühzeitig zu handeln wie nur möglich ist oberstes Gebot. Nur wenn es genügend Handlungsspielraum gibt, lässt sich das gesamte Arsenal der Interventionsmöglichkeiten ausschöpfen.
Aus unserer langjährigen Beratungserfahrung, auch in sehr schwierigen Fällen, wissen wir, was man in Krisenzeiten besser im Vorfeld, wenn sich bereits Krisen ankündigen, auf jeden Fall beachten muss: Unabdingbar sind eine qualifizierte Beratung und ein von Anfang an offener und vertrauensvoller Dialog mit Gläubigern und Insolvenzverwalter.
Fazit
„Mit dem Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO und der interessanten Eigenverwaltung wird es für Unternehmen attraktiver, frühzeitig in ein Insolvenzverfahren einzutreten und gleichzeitig die Unternehmenssteuerung im Kern zu behalten.”