Schutzschirmverfahren: Auf die Bescheinigung kommt es an

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Wenn Unternehmen in Krisensituationen unter den neuen Schutzschirm schlüpfen wollen, muss ihr Eröffnungsantrag auch eine gesonderte qualifizierte Bescheinigung enthalten. Ohne sie geht nichts.
Seit März gilt das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Es sorgt im Insolvenzfall für verbesserte Gestaltungsmöglichkeiten. In dem neuen Schutzschirmverfahren bestimmt das Insolvenzgericht nach § 270b Insolvenzordnung (InsO) eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans, wenn der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt hat. Damit betroffene Unternehmen das mit dem ESUG eingeführte Schutzschirmverfahren nutzen können, muss dem Eröffnungsantrag eine qualifizierte Bescheinigung beigefügt werden.
Für diese Bescheinigung hat der „Fachausschuss Sanierung und Insolvenz“ des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) am 1. März zeitgleich mit dem Inkrafttreten wesentlicher Teile des ESUG einen Entwurf des sogenannten IDW Standards ES 9 „Bescheinigung nach § 270b InsO“ vorgelegt. Mit diesem Entwurf stellt der IDW das berufsständische Verständnis dar, welche Voraussetzung eine solche Bescheinigung in Form und Inhalt zu erfüllen hat.
Die Bescheinigung ist der Form halber von einem in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt anzufertigen. Aus ihr muss sich inhaltlich ergeben, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung drohen, aber noch nicht eingetreten sind. Überdies darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sein.
Ein Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist damit das auf den Mangel an Zahlungsmitteln beruhende Unvermögen des Schuldners, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu begleichen. Sie droht, wenn nach der Finanzplanung absehbar ist, dass die Zahlungsmittel zur Erfüllung der fällig werden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr ausreichen und dies durch finanzpolitische Disposition und Kapitalbeschaffungsmaßnahmen auch nicht mehr ausgeglichen werden kann. Dem Schuldner ist es dann möglich, frühzeitig Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens einzuleiten und insbesondere die drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit erfolgt in Übereinstimmung mit § 18 InsO auf Grundlage der vorgelegten Finanzplanung über die künftige Liquiditätsentwicklung. Die endgültige Beurteilung, ob eine Zahlungsunfähigkeit auch wirklich eingetreten ist, lässt sich in Übereinstimmung mit § 17 InsO auf Grundlage des vorgelegten Finanzstatus und des darauf aufbauenden Finanzplans beurteilen.
Überschuldung liegt nach § 19 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Eine Ausnahme wird nur dann gemacht, wenn die Fortführung des Unternehmens nach Abwägung aller Umstände überwiegend wahrscheinlich ist. Daher ist die Aufstellung eines Überschuldungsstatus nach der aktuellen Rechtslage nur bei einer negativen Fortbestehensprognose erforderlich. Die Beurteilung der Überschuldung erfolgt in Übereinstimmung mit § 19 InsO auf Grundlage der Fortbestehensprognose und – falls gegeben – des Überschuldungsstatus.
Sofern die Erfolgsaussichten der Sanierung bewertet werden, handelt es sich explizit nicht um die Beurteilung eines Sanierungskonzepts im Sinne des IDW ES6 neuer Fassung.
Wer die Bescheinigung erstellt, hat neben der drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung auch zu beurteilen, ob die Sanierung offensichtlich aussichtslos ist. Durch den Begriff „aussichtslos“ wird deutlich, dass ein Schutzschirmverfahren nur dann unmöglich ist, wenn die Sanierungsbemühungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg bleiben. Diese Erkenntnis muss lediglich offensichtlich sein; der Ersteller braucht also für diese Einschätzung keine umfassende Beurteilung vorzunehmen. Eine Sanierung ist dann aussichtslos, wenn die gesetzlichen Vertreter in einem von ihnen vorgelegten Grobkonzept nicht wenigstens grundsätzliche Vorstellungen darlegen, wie die angestrebte Sanierung konzeptionell und finanziell erreicht werden kann.
Der Ersteller dokumentiert seine Beurteilung in einer Bescheinigung, die fünf Kernbestandteile enthalten muss (siehe Kasten).
Welchen Stellenwert das Schutzschirmverfahren in der Praxis entwickeln und welchen Umfang in Zukunft das Insolvenzplanverfahren im Rahmen der Eigenverwaltung haben wird, das wird die Praxis zeigen. Doch eines steht heute schon fest: Die vom Gesetzgeber aufgezeigten Möglichkeiten dürften die Anreize für Unternehmen in Krisensituationen erhöhen, frühzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Damit würden gleichzeitig die Chancen einer erfolgreichen Sanierung noch ganz erheblich steigen.
Das steht in der Bescheinigung

  • Auftraggeber und Auftragsgegenstand
  • Aussage über drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung und eine offensichtlich nicht aussichtslose Sanierung
  • Genutzte Informationsquellen und die wesentlichen durchgeführten Tätigkeiten
  • Hinweis auf die ordnungsgemäße Ausstellung des Finanzstatus, des Finanzplans, des Überschuldungsstatus und Einschätzung, ob eine mögliche Sanierung in der Verantwortung der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft liegt
  • Hinweis, dass die Beurteilung weder eine Abschlussprüfung noch eine prüferische Durchsicht darstellt und ausschließlich zur Vorlage beim Insolvenzgericht im Zusammenhang mit dem Antrag auf Eigenverwaltung nach § 270b InsO bestimmt ist

 
Fazit
„Jeder Antrag auf Schutzschirmverfahren muss eine qualifizierte Bescheinigung nach § 270b InsO durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt enthalten. Sie dokumentiert, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung noch nicht eingetreten sind und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.