Digital Pricing: Was ist zu beachten?

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Das Digital Pricing erfreut sich insbesondere im elektronischen Handel erheblicher Verbreitung. Dabei ist das Konzept auf internationaler, europäischer und auch deutscher Ebene im Fokus kartellrechtlicher Untersuchungen.

Was ist Digital Pricing?

Digital Pricing bezeichnet eine Softwarelösung, mittels derer Unternehmen ihre Preise im Online-Handel bestimmen. Dafür werden die Preise der anderen Wettbewerber erfasst und auf dieser Grundlage das eigene Angebot angepasst. Daneben werden häufig auch das Verhalten von Nachfragern und Zulieferern in verschiedenen Richtungen der Wertschöpfungskette beobachtet.

Besonders beliebt sind solche Lösungen bei der Vermittlung von Flügen und Reisen, Hotelzimmern, Transportdienstleistungen, Elektrizität und im Einzelhandel. Auch wenn der stationäre Handel bisher eher zurückhaltend hinsichtlich dieser technischen Möglichkeit reagierte, ist es wohl eher eine Frage der Zeit bis die Technik durch den Einsatz von digitalen Preisschildern realisiert wird.

Wettbewerbsrechtliche Konsequenzen

Der Einsatz von Preissetzungsalgorithmen ist nicht unumstritten. Insbesondere hinsichtlich Absprachen und abgestimmten Verhaltensweisen könnten sie die Anwendungsbereiche des Art. 101 AEUV oder des § 1 GWB tangieren.

Digitale Kartellabsprachen?

Treffen an geheimen Orten abzuhalten, um eine einheitliche Preisgestaltung zu bestimmen, erscheint nicht mehr zeitgemäß. Dafür bietet die digitale Welt zu komfortable Lösungen. Deutlich wird dies im Zusammenhang mit dem Beispiel des „Poster-Kartells“ in den USA. In diesem Rahmen hatten sich mehrere Händler von Postern über die Höhe der Preise, zu denen sie ihre Waren im Amazon Marketplace anbieten würde, abgestimmt.

Dazu wurde eine eigens entwickelte Preisanpassungssoftware bei den Kartellbeteiligten implementiert.

Dabei kommt es rechtlich gesehen nicht darauf an, welcher Mittel sich die kartellbeteiligten Unternehmen bedienen, um relevante Vereinbarungen zu treffen. Die gemeinsame Nutzung einer Preisanpassungssoftware kann mithin ohne Weiteres den Tatbestand des § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV erfüllen und dürfte im Bereich eines Hardcore-Verstoßes liegen.

Trotzdem liegen die Vorteile des Einsatzes einer Software auf der Hand. Die automatisierten Programme treffen und halten die Absprachen nicht nur zuverlässiger ein, sondern erschweren gleichzeitig eine Aufdeckung durch die Kartellbehörden. So können scheinbar „unkoordinierte Preisbewegungen“ als Teil eines Gesamtsystems letztlich zu einem einheitlich koordinierten wirtschaftlichen Ergebnis führen.

Weitere Beispiele

  • Der Fall Eturas

Hierbei handelt es sich um das Verhalten einer Reihe von Reisebüros, die alle das Buchungssystem des gleichen Administrators benutzten. Nachdem der Geschäftsführer des Administrators von seinen Nutzern deren Absichten betreffend eine mögliche Begrenzung von Rabattsätzen im Online-Geschäft erfragt hatte, teilte er den Reisebüros mit, dass deren Rabattsätze bei Buchungen über das System nunmehr automatisch um höchstens 3% reduziert würden. Als anschließend der litauische Wettbewerbsrat Bußgelder verhängte, behaupteten einige Reisebüros, die Mitteilung des Administrators nicht wahrgenommen zu haben. Insofern stellte sich die Frage, welche Anforderungen an eine Tatbeteiligung zu stellen sind.

Der EuGH entschied, dass bereits eine mittelbare Fühlungnahme zwischen den Wettbewerben ausreiche, da im vorliegenden Fall auch die Möglichkeit der Distanzierung von dem System bestand.

  • Der Fall Uber

Bereits im Jahr 2016 hatte Uber den Fahrern in den USA den Einsatz ihrer App ermöglicht, welche Fahrpreisvorschläge berechnete und – etwa zu Stoßzeiten – Preiserhöhungen für sämtliche Fahrer vorschlug (sog. „surge pricing“). Dabei sei, so Uber, eine Abweichung von den Tarifen theoretisch möglich. Der zuständige District Court of New York stellte jedoch fest, dass die App keine entsprechende Möglichkeit vorsehe und nahm deshalb im Ergebnis einen kartellrechtlichen Verstoß an.

Zulässiges Verhalten

Im Gegensatz zu den obigen Beispielen gibt es Verhaltensweisen – wie etwa im Bereich der Tankstellen – die keine kartellrechtliche Relevanz besitzen, sondern als zulässiges Parallelverhalten gelten. Letzteres liegt regelmäßig dann vor, wenn es eben nicht zu einer verbotenen bewussten „Fühlungnahme“ kommt. Insoweit stellen sich verständlicherweise Probleme zur Beweisbarkeit.

Der Europäische Gerichtshof entschied im Hinblick auf diese Problematik, dass ein Parallelverhalten „nur dann als Beweis für eine Abstimmung angesehen werden kann, wenn es sich nur durch die Abstimmung einleuchtend erklären lässt.„.

Es sind also Beispiele denkbar, in denen algorithmisches Verhalten vollständig berechenbar auf Veränderungen von Herstellungskosten oder Nachfrageverhalten eingehen. Sofern preisrelevante Faktoren mehrere Anbieter in gleicher Weise treffen, liegen simultane Preisentwicklungen zwar nahe. Allerdings besteht die parallele Gestaltung unabhängig von einer Fühlungnahme, sodass kein kartellrechtlicher Verstoß anzuführen ist.

Fazit

Die Einsatzgebiete von Pricing Tools sind endlos. Die Zukunft, wenn nicht bereits die Gegenwart, wird die stetige Implementierung der entsprechenden Software in beinahe alle Marktsegmente mit sich bringen. Daran dürfte auch die Blockchain-Technologie einen großen Anteil haben.

Insofern muss ein verantwortungsvoller Umgang mit den Pricing Tools erfolgen. Auch, wenn in diesem Beitrag eher die Schattenseiten beschrieben werden, dürfte der Markt auf Dauer von den Tools profitieren, da sie – abgesehen von den beschriebenen Szenarien – auch ein hohes Potential bieten, den Wettbewerb unter den Marktbeteiligten zu fördern.

Quelle
Yilnen: Digital Pricing und Kartellrecht (NZKart 2018, 19)