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Änderungen im Kaufrecht 2022 (Teil 1)

Die Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie, welche die vormalige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ablöst, bringt ab 2022 insbesondere Änderungen für den Kauf und Verkauf digitaler Waren mit sich. Im Folgenden zeigen wir Ihnen die Änderungen im Einzelnen auf:

Neuer Sachmangelbegriff im Kaufrecht

Die zentrale Norm (§ 434 BGB) bestimmt, dass eine Sache frei von Sachmängel ist, „wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“.

Dabei ergeben sich bezüglich des subjektiven Fehlerbegriffs kaum Änderungen zum bisherigen Rechtszustand. Nach § 434 Abs. 2 BGB entspricht die Sache den subjektiven Anforderungen, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat, das heißt einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien entspricht. Dazu gehören insbesondere Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige von den Parteien vereinbarte Merkmale.

Im Übrigen muss sich die Sache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen.

Kompatibilität im Sinne der Norm bezieht sich dabei auf „die Fähigkeit von Waren, mit der Hardware und Software zu funktionieren, mit der Waren derselben Art in aller Regel benutzt werden, ohne dass die Waren die Hard- oder Software verändert werden müssen“.

Interoperabilität beschreibt den Zustand einer Sache, mit einer anderen Hardware oder Software zu funktionieren als derjenigen, mit der Sachen derselben Art benutzt werden.

Beide Begriffe spielen dabei insbesondere auf Produkte des „Internet of Things“ ab. Im Hinblick auf die Vielzahl der Produkte, die entweder nur mit Apple Homekit oder etwa Google Home benutzt werden können, erscheint die Interoperabilität bislang eher fragwürdig. Auch deshalb dürfte den Anbietern daran gelegen sein, das Projekt Matter voranzutreiben.

Zudem wurde ein expliziter Verweis auf die Übergabe mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen in das Gesetz aufgenommen. An der Rechtslage ändert dies jedoch nichts.

In objektiver Hinsicht muss die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen derselben Art üblich und die der Käufer erwarten kann. Diese Kauferwartung bestimmt sich dabei nach der Art der Sache und den insbesondere der Werbung oder auf dem Etikett vom Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag abgegebenen öffentlichen Äußerungen. Zudem muss die Sache der Beschaffenheit einer vom Verkäufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Probe oder eines entsprechenden Musters entsprechen sowie dem Zubehör einschließlich Verpackung, Montage- und Installationsanleitungen sowie anderen Anleitungen übergeben werden, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.

Zu der üblichen Beschaffenheit gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale einschließlich von Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit. Ausdrücklich erwähnt wird auch die legitime Erwartung des Käufers an der Haltbarkeit der Sache. Bei der dafür vorzunehmenden Gesamtbeurteilung spielen auch der Preis der Sache und die übliche Häufigkeit und Intensität ihrer Nutzung eine Rolle. Unter den Begriff Haltbarkeit fallen auch die Möglichkeit der Wartung und Reparatur der Sache. Da bereits zuvor die Haltbarkeit ein Kriterium des objektiven Fehlerbegriffs war, ergeben sich auch insoweit keine wesentlichen Änderungen zur vorherigen Rechtslage.

Gleiches gilt für die Aliud-Lieferung und die Montageanforderungen.

Modifizierungen bei der Nacherfüllung im Kaufrecht 2022

Der in § 439 BGB geregelte Nacherfüllungsanspruch wurde dahingehend geändert, dass er nunmehr ausdrücklich die Pflicht zum Ersatz von Aus- und Wiedereinbaukosten regelt. Dabei handelt es sich jedoch – nach wie vor – um eine Erstattungspflicht, nicht hingegen um eine Primärpflicht. Neu ist jedoch der Ausschluss dieser Pflicht, wenn der Mangel bereits vor dem Einbau offenbar wurde. Zuvor ergab sich ein Ausschluss nur bei positiver Kenntnis des Käufers iSd. § 442 BGB. Der Begriff „offenbar“ dürfte insoweit weiter zu verstehen sein, sodass – in Anlehnung an § 377 HGB – auf Erkenntnismöglichkeit eines Durchschnittskäufers abzustellen ist.

Dass der Käufer dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung die Möglichkeit der Untersuchung der Sache eröffnen muss, entspricht ebenfalls keiner neuen Rechtslage, ist nunmehr aber ausdrücklich in § 439 Abs. 5 BGB geregelt. Beim Fehlen dieser Käuferobliegenheit liegt regelmäßig kein Nacherfüllungsverlangen vor. Ebenfalls ist die Rücknahmepflicht der mangelhaften Sache ausdrücklich in § 439 Abs. 6 BGB manifestiert.

Ebenfalls Neuerungen im Lieferantenregress

Zunächst hat der Gesetzgeber die Anforderungen des Lieferantenregresses (§ 445a Abs. 1 BGB) an die Änderungen des Nacherfüllungsanspruchs angepasst. Ergänzt werden die Voraussetzungen dadurch, dass der Verkäufer vom Lieferanten auch für Aufwendungen gegenüber seinem Käufer Ersatz verlangen darf, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel auf einer Verletzung einer objektiven Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB beruht. Das gilt jedoch nicht für solche Vereinbarung über die Aktualisierungspflicht, die ausschließlich zwischen Verkäufer und Käufer getroffen wurden.

Die in § 445 b Abs. 2 BGB geregelte Höchstgrenze der Ablaufhemmung von fünf Jahren nach Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer wurde gestrichen.

Kaufrecht 2022: Anwendungsbereich im Verbrauchsgüterkaufs

Der Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs in § 474 Abs. 1 BGB erfuhr eine dahingehende Änderung, dass der Begriff „bewegliche Waren“ nunmehr von dem Begriff „Ware“ ersetzt wurde. Daraus erfolgt, dass Sachen, welche durch Zwangsversteigerungen oder andere gerichtliche Maßnahmen verkauft werden, nicht in den Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs fallen (§ 806 ZPO bzw. § 283 AO). Einer Änderung unterlag auch der Ausschlusstatbestand aus § 474 Abs. 2 S. 2 BGB. Für gebrauchte Waren, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, greift der Ausschluss nur für den Fall, dass dem Verbraucher klare und umfassende Informationen über den Ausschluss leicht verfügbar gemacht wurden.

Im Verbrauchsgüterkauf schadet die Kenntnis des Verbrauchers (§ 442 BGB) nicht länger (gem. § 475 Abs. 3 S. 2 BGB ).

 

Dieser Beitrag wird fortgesetzt.

Maßstäbe für Überschuldung eines Startups

Die vom BGH aufgestellten Grundsätze für eine positive Fortbestehensprognose im Rahmen der Prüfung einer Überschuldung gelten nur eingeschränkt für Startups. Denn erforderlich ist insofern, dass das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, seine im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen zu decken, wobei die dafür erforderlichen Mittel auch von Dritten zur Verfügung gestellt werden können.

Sachverhalt

Am OLG Düsseldorf stand die Frage zur Entscheidung, inwieweit der Geschäftsführer eines Startups in der Gründungsphase von einer positiven Fortführungsprognose des Unternehmens ausgehen kann und darf.

Konkret ging es dabei um ein Startup, welches sich bereits 2015 in einem Zustand befand, der eine Überschuldung nahelegte. Insoweit existierten weder stille Reserven noch andere tatsächlichen Finanzmittel. Allerdings gab es einen Investor, der bereit war, solange ein realistischer Businessplan bestehe, dem Startup Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Diese ist zum streitgegenständlich Zeitpunkt aber nicht eigetreten. Es bestand mithin lediglich eine „realistische“ Aussicht auf die Finanzierung.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Diese Aussicht erachtete das Gericht für ausreichend für die Annahme einer positiven Fortbestehensprognose. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass ein Anspruch gegen das Startup aus § 64 GmbhG a.F. nicht bestanden habe. Es sei zwar im streitbefangenen Zeitraum überschuldet gewesen, jedoch habe eine positive Fortbestehensprognose zumindest deshalb bestanden, weil der Investor zugesagt habe, auf Anforderung des Unternehmens benötigtes Kapital für die Erfüllung eingegangener Verbindlichkeiten bereitzustellen und diese Darlehensgewährung fortzusetzen, solange das Unternehmenskonzept überzeuge. Dieser Zusage kam der Investor auch nach. Deshalb sei die Zusage des Investors mit dem Überziehungskredit einer Bank vergleichbar.

Auswirkungen für die Praxis

Sofern überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Liquidität in Form einer Zusage eines Drittkapitalgebers ausreichend gesichert ist, darf der Geschäftsführer eines Startups von einer positiven Fortbestehensprognose ausgehen. Ein rechtlich gesicherter Anspruch auf die Finanzierungsmittel ist nach der Entscheidung keine Voraussetzung. Maßgeblich bleibt aber das Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen. Letztere sind stets von einer Prüfung im Einzelfall abhängig.

Die Holding GmbH

Startups und andere Unternehmer starten ihre Tätigkeit oft in der klassischen Weise, also als Einheitsunternehmen. Das ist zunächst auch gut so. Denn anfangs bleibt nur wenig Zeit sich mit den Alternativen auseinanderzusetzen. Zudem sollte die Gesellschaftsstruktur dynamisch an die tatsächliche Geschäftsstruktur angepasst werden. Insofern kann sich auch eine Holding anbieten. Was eine Holding ist und welche Vor- und Nachteile im Gegensatz zu einem Einzelunternehmen bestehen, möchten wir im Folgenden besprechen.

Unterschiede zwischen Holding und Einheitsunternehmen

Unter einem Einheitsunternehmen wird grundsätzlich ein Unternehmen verstanden, indem nur ein Rechtsträger (also eine GmbH, eine UG oder eine GmbH & Co. KG) existiert. Dieser Rechtsträger kann – je nach Größe – auch selbstständige Unternehmensteile führen. Nur, weil ein Unternehmen mehrere eigenständige Betriebsstätten oder Teilbetriebe hat, handelt es sich also noch nicht um eine Holdingstruktur.

Im Rahmen einer Holding sind vielmehr rechtlich selbständige Rechtsträger in einem Unternehmen zusammengefasst.

Bsp.: Herr Müller ist Alleingesellschafter der Müller GmbH. Die Müller GmbH ist rechtlich an mehreren GmbHs, UGs und AGs beteiligt. Bei der Müller GmbH handelt es sich mithin um eine Holdinggesellschaft.

Innerhalb der Holdingsstrukturen unterscheidet man dabei zwischen sogenannten verwaltenden und geschäftsleitenden Holdings. Erstere liegt grundsätzlich vor, wenn sich ihre Tätigkeit auf das Halten der Beteiligungen an anderen Gesellschaften beschränkt. Die letztgenannte Ausprägung ist hingegen anzunehmen, wenn die abhängigen Unternehmen durch die Holding geleitet werden.

Vor- und Nachteile von Einheitsunternehmen gegenüber Holding

Auf tatsächlicher Ebene hat das Einheitsunternehmen den Vorteil, dass dessen Unternehmensführung wesentlich leichter ist. So ist etwa nur ein Jahresabschluss notwendig, da es schließlich nur ein Unternehmen gibt. Konzernabschlüsse sind hingegen nicht notwendig. Sofern das Einheitsunternehmen jedoch an Größe gewinnt und rein tatsächlich in verschiedene Unternehmensteile gespalten wird, entfällt aber zumindest der Vorteil der einfacheren Führung. Denn dann dürfte eine jeweils eigenständige Managementstruktur pro Unternehmensteil notwendig werden, die sich praktisch nur unwesentlich von der Geschäftsführung eines rechtlich eigenständigen Unternehmens unterscheiden wird. Steuerrechtlich hat das Einheitsunternehmen den Vorteil, dass Gewinne und Verluste der unterschiedlichen Unternehmensteile grundsätzlich miteinander saldiert werden können. Hinzukommend können Hebesatzvorteile bei der Gewerbesteuer wegen der Zerlegung bestehen.

Eine Holdingsstruktur hat auf zivilrechtlicher Ebene den Vorteil, dass durch die rechtliche Selbstständigkeit der Unternehmen sich für diese auch jeweils Haftungsbegrenzungen ergeben. Ebenfalls unterliegen die einzelnen Unternehmen einer höheren Verkehrsfähigkeit. Denn oftmals ist es einfacher Gesellschaftsanteile zu veräußern (share deal) als die einzelnen wirtschaftlichen Güter zu übertragen (asset deal). Auf Grund dieser Erleichterung fällt es zudem wesentlich leichter, Arbeitnehmerbeteiligungen durch eine Holding zu realisieren. Das kann sich insbesondere bei Familienunternehmen, deren Nachfolgerschaft ungeklärt ist, anbieten, da die Nachkommen über die Holdingstruktur weiterhin maßgeblich beteiligt werden können. Allerdings müssen einzelfallbezogen einige Dinge – vor allem im Steuerrecht – beachtet werden, damit der volle Nutzen erzielt werden kann. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber immer weiter daran arbeitet, Holdingstrukturen steuerlich unattraktiv zu machen.

Die richtige Rechtsform für die Holdingstruktur

In den meisten Fällen bietet sich vor allem die Gründung (oder Übernahme) einer GmbH (sowie UG), einer AG oder einer GmbH & Co. KG an. Alle haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile, die sich anhand des tatsächlichen Unternehmens bemessen. Insoweit ist eine Beratung unerlässlich.

Selbstverständlich beraten wir Sie auch diesbezüglich gerne!

Das Gründungstool ist auch für die Gründung einer Holding GmbH (oder UG) geeignet. Spezielle Anliegen können Sie entweder im letzten Schritt des Gründungstools eintragen oder persönlich während der anwaltlichen Beratung äußern.

Kein Recht auf Homeoffice?

Dürfen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer anweisen, aus dem Homeoffice zurückzukehren und wieder in „Präsenz“ zu arbeiten? Mit dieser Frage beschäftigte sich kürzlich das LAG München.

Der Sachverhalt

Bei dem Arbeitnehmer handelte es sich um einen in Vollzeit beschäftigten Grafiker, der sich seit Dezember 2020 auf Grund einer entsprechenden Erlaubnis im Homeoffice befand. Das galt für grundsätzlich alle Mitarbeiter in dem betroffenen Unternehmen, mit Ausnahme des Sekretariats. Am 24.02.2021 wies der Arbeitgeber seine Mitarbeiter an, ihr Tätigkeiten wieder in persönlicher Präsenz zu verrichten. Sodann klagte der Grafiker auf Beibehaltung des Homeoffice-Arbeitsplatzes mit der Maßgabe, dass er nur in Ausnahmefällen vor Ort zu erscheinen habe. Der Arbeitgeber vertrat insoweit die Auffassung, dass sich ein Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus § 2 Abs. 4 SARS-CoV-ArbSchV ergebe. Aus § 106 S. 1 GewO lasse sich ebenfalls keine Pflicht des Arbeitgebers herleiten, das Direktionsrecht im Rahmen billigen Ermessens in der gewünschten Weise auszuüben. Zudem sei weder die notwendige technische Ausstattung im häuslichen Arbeitsplatz vorhanden noch sei ein hinreichender Schutz von Daten gegen den Zugriff Dritter gewährleistet.

Das LAG München zum Homeoffice des Grafikers

Der Gericht stützte dieses Auffassung. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht sei Sache des Arbeitgebers. Die allgemeine Gefahr, sich auf dem Weg zur Arbeit mit Corona anzustecken und das allgemeine Infektionsrisiko am Arbeitsort und in der Mittagspause würden einer Verpflichtung zum Erscheinen im Büro nicht entgegenstehen. Der Arbeitgeber könne daher unter Wahrung billigen Ermessens den Arbeitsort durch Weisung neu bestimmen. Das gelte insbesondere, da der Arbeitsort weder im Arbeitsvertrag noch kraft späterer ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung der Parteien auf die Wohnung des Arbeitnehmers festgelegt worden sei. Die Weisung habe billiges Ermessen gewahrt, da die vom Arbeitgeber angeführten betrieblichen Gründe der Ausübung der Tätigkeit in der Wohnung entgegengestanden hätten.

Die Limited nach dem Brexit

Der Brexit erzeugte insbesondere im Handelsverkehr zwischen Großbritannien und der Europäischen Union weitreichende Konsequenzen. Diese sollten durch den Abschluss des Handels- und Kooperationsabkommen zwar abgemildert werden. Allerdings ließ das Abkommen viele Fragen unbeantwortet. Das gilt auch für die Beurteilung der britischen Limited (Ltd.) mit tatsächlichen Verwaltungssitz in einem Mitgliedstaat der EU.

Die bisherige Rolle der Limited

Vor dem Brexit erfreute sich die Limited auch außerhalb des Vereinigten Königreichs einer enormen Beliebtheit. Zwar wurde bis zum Anfang der 2000er Jahre die englische Limited nicht als eine Kapitalgesellschaft anerkannt mit der Folge, dass auch die Haftungsbeschränkung nicht griff. Denn Deutschland weigerte sich über die Wahl ihres Gesellschaftsstatutes hinaus zu sehen. Das lag und liegt an der insoweit vertretenen Sitztheorie. Deutschland modifizierte diese Theorie, indem es einen Wegzug aus dem Land rechtlich umstandslos gestattet, den Zuzug jedoch unter strenger rechtlicher Einbehaltung begutachtet. Der BGH bestätigte dieses Vorgehen mit den Urteilen „Jersey“ und „Trabrennbahn“. Für die zugezogenen Limiteds in Deutschland hatte das zur Folge, dass sie ihre Rechtsform als Kapitalgesellschaft verloren und sie fortan als Personengesellschaft (ohne Haftungsbeschränkung) beurteilt wurden. Auch steuerrechtlich ergaben sich dadurch weitreichende Folgen. Erst durch die Urteile des EuGH „Centros“, „Überseering“ und „Inspire-Art“ ergaben sich für die Limiteds auf Grundlage der europäischen Niederlassungsfreiheit nach Art. 54 AEUV neue Dimensionen für die Rechtsformwahl und für die Wahl des Ortes des effektiven Verwaltungssitzes einer Gesellschaft. Die Anerkennung der zugezogenen Gesellschaften unter Beibehaltung der Haftungsbeschränkung – wie wir sie bis vor dem Brexit kannten – war damit erschaffen.

Nach dem Brexit: Zurück zu den Anfängen?

Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich das Urteil vom OLG München (29 U 2411/21 v. 05.08.2021). Hinsichtlich der Fragestellung, welches Recht auf die in dem Rechtsstreit involvierte Limited anzuwenden ist, ergibt sich – nach Auffassung des Gerichts – mangels Existenz von Kollisionsregelungen aus dem sekundären Unionsrecht sowie dem deutschen Recht, die in Bezug auf Gesellschaften gelten, erneut die Anwendbarkeit der Sitztheorie. Nach dieser ist auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, auf dessen Gebiet sich der Sitz der Hauptverwaltung der betreffenden Gesellschaft (also der Verwaltungssitz) befindet. Der Sitz der Hauptverwaltung ist nach der Sandrock’schen Formel regelmäßig dort zu verorten, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Dieser befindet sich im Falle der Limited vor dem OLG München mangels hinreichender anderweitiger Glaubhaftmachung in Deutschland. Das hat zur Konsequenz, dass auf die britische Limited, das deutsche Gesellschaftsrecht anzuwenden ist. Da dieses jedoch die Gesellschaftsform der Limited nicht kennt, kann diese Gesellschaftsform nicht mehr als rechtsfähig anerkannt werden. Entsprechend ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sei – so das Gericht – die Limited deshalb entsprechend als GbR, OHG oder einzelkaufmännisches Unternehmen zu bezeichnen, sodass die persönliche Haftung der Gesellschafter greift.

Die Versicherung des Geschäftsführers

§ 8 Abs. 3 GmbHG und § 6 GmbHG bestimmen die Anforderungen eines jeweiligen Geschäftsführers an die Versicherung über dessen Zuverlässigkeit. Häufig ergeben sich bei der Erklärung der Versicherung Probleme, da sie oftmals nicht den Vorstellungen des Registergerichts entsprechen.

Die Problematik der Versicherung des Geschäftsführers

Der Gesetzgeber stellt in den eingangs genannten Gesetzen einen gewissen Mindeststandards an die Person eines GmbH- oder auch UG-Geschäftsführers. Danach kann nur eine natürliche Person, die unbeschränkt geschäftsfähig ist, grundsätzlich Geschäftsführer werden. Weitere Ausschlussgründe enthalten die Absätze 2 und 3 des § 6 GmbHG. In das Blickfeld sollten dabei insbesondere die sog. „Katalogstraftaten“ des § 6 GmbHG rücken. Bei der Anmeldung zur Eintragung einer GmbH (oder UG) in das Handelsregister müssen die Geschäftsführer versichern (§ 8 Abs. 3 GmbHG), dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht belehrt worden sind. Die Abnahme wird regelmäßig von einem Notar übernommen (§ 53 Abs. 2 BZRG). Dabei stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Konkretheit dieser Versicherung zu stellen sind.

„Nach Belehrung über die Strafbarkeit falscher Angaben versichert der unterzeichnende Geschäftsführer, dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung als Geschäftsführer nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG entgegenstehen, insbesondere dass ihm zur Zeit weder durch gerichtliches Urteil noch eine vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung des Berufs, Berufszweigs, Gewerbes oder Gewerbezweigs untersagt ist.“

So formulierte ein Geschäftsführer kürzlich seine Versicherung (bzw. der Notar) gegenüber dem AG Arnsbach. Dieses teilte daraufhin mit, dass der Anmeldung noch nicht entsprochen werden könne, da die notwendige Versicherung des Geschäftsführers hinsichtlich der Straftaten fehle. In der Versicherung selbst seien die Straftaten nämlich nicht erwähnt worden. Auf die Beschwerde des Geschäftsführers hin folgte das OLG Hamm der Sichtweise des AG nicht. Die abgegebene Erklärung genüge den gesetzlichen Anforderungen, weshalb die Eintragung der GmbH nicht hätte abgelehnt werden dürfen. Der Schutzzweck des Versicherungserfordernisses gebiete es nicht, dass sämtliche Straftatbestände, die ein Bestellungshindernis bilden können, im Einzelnen aufgeführt werden müssen. Dabei ließ das OLG Hamm jedoch offen, ob daraus gleichzeitig folge, dass die Versicherung nach § 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG sich auf die Widergabe des Gesetzestextes bzw. die Bezugnahme auf die Vorschriften der § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 und S. 3 GmbHG beschränken darf.

Empfehlung für die Praxis

Obgleich man mit abstrakten Formulierung die gesetzlichen Anforderungen an die Versicherung erfüllen dürfte, empfiehlt sich indes eine konkrete Formulierung. Insbesondere dann, wenn Sie einen zügigen Gründungsprozess anstreben. Registergerichte mögen zwar teilweise überzogene Anforderungen an die Versicherung stellen, allerdings vergehen bis zu einer Entscheidung des jeweiligen Beschwerdegerichts im Durchschnitt mehr als drei Monate.

Befreiung von § 181 BGB bei Musterprotokollgründung

Die Befreiung des Geschäftsführers einer durch Musterprotokoll gegründeten UG (haftungsbeschränkt) von den Beschränkungen des § 181 BGB kann nicht im Handelsregister eingetragen werden, wenn der als Anlage zur Anmeldung vorgelegte neu gefasste Gesellschaftsvertrag ersichtlich eine dahingehende Regelung nicht enthält.

Doch warum?

Die Änderungen der Satzung einer gemäß dem gesetzlichen Musterprotokoll gegründeten und eingetragenen Gesellschaft unterfallen den allgemeinen Regelungen der §§ 53 ff GmbHG. Zwar ist es zur wirksamen Änderung eines gemäß dem Musterprotokoll gefassten Gesellschaftsvertrages nicht erforderlich, dass der Gesellschaftsvertrag insgesamt neu gefasst wird. Indes müssen die geänderten Bestimmungen zwingend vom Wortlaut des Musterprotokolls abweichen, wenn sonst inhaltlich Falsches geregelt würde. Die sonstigen, durch die Satzungsänderung nicht berührten Regelungen sind dagegen unverändert zu übernehmen. Das gilt auch für die im Gesellschaftsvertrag geregelte Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft als materieller Satzungsbestandteil und eine generell geltende Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB bedarf zu ihrer Wirksamkeit einer satzungsmäßigen Grundlage.

 

Quelle: https://www.juris.de/perma?d=jzs-GMBHR-2021-17-0921-01-L-005

 

Die due diligence-Prüfung

Wenn Sie den Kauf eines Unternehmens vorbereiten, dann sollte die Durchführung einer due diligence-Prüfung einen Verhaltensstandard darstellen. Wir erklären Ihnen, was Gegenstand der due diligence-Prüfung ist und wo die Probleme liegen.

Der Begriff

Der Begriff entstammt dem U.S.-amerikanischen Recht. Ursprünglich verstand man darunter lediglich einen haftungsrechtlichen Standard, der ungefähr dem Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB entspricht. Nunmehr wird mit dem Begriff aber vor allem die gründliche Prüfung des Unternehmens oder der am Kauf beteiligten Unternehmen gemeint, also die Zielgesellschaft.

Gegenstand und Funktion der due diligence

Im Mittelpunkt steht – wie bereits oben angedeutet – die Prüfung des Zielunternehmens in wirtschaftlicher, finanzieller, rechtlicher und steuerlicher Hinsicht. Weitere Aspekte, wie beispielsweise die Prüfung von Umweltrisiken oder der vorhandenen Personalstruktur, können je nach Unternehmen hinzutreten. Einen weiteren Eindruck soll dabei die folgende – nur beispielhafte – Checkliste einer Prüfung vermitteln:

I. Vorbereitung

1. Herausarbeiten der Kernfaktoren, die die Chancen bzw. Risikopotentiale des Unternehmens bestimmen

2. Zusammenstellen von Basisunterlagen über:

  • allgemeine rechtliche und wirtschaftliche Grundlagen,
  • die Planungsrechnung,
  • den Markt und Wettbewerb und
  • Wirtschaftsprüfung sowie Steuern.

3. Benennung eines Hauptansprechpartners (aus der Geschäftsführung) durch das Unternehmen

II. Durchführung

1. Zusammenstellung der Unterlagen

2. Prüfung vor Ort:

  • Betriebsbegehung,
  • Unterlagen in Data Room,
  • Gespräche mit ausgewählten Gesprächspartnern und
  • Schlussbesprechung mit Unternehmen.

3. Präsentation der Ergebnisse

4. Berichtsentwurf/Memorandum

5. Diskussion des Gutachtens

6. Testierter Bericht

Informationsprobleme bei der due diligence

Der Informationsfluss zwischen Erwerber, Veräußerer und Zielunternehmen kann sich problematisch gestalten. Hier stellt sich die Frage, ob bzw. welchen Einfluss die Durchführung oder Unterlassung der Prüfung auf mögliche Gewährleistungsansprüche oder Schadenersatzansprüche des Erwerbers aus den §§ 437 ff. BGB bzw. c.i.c. hat. Dies wiederum hat maßgeblichen Einfluss auf die Pflichten der Geschäftsleitungsmitglieder von Veräußerer, Erwerber und Zielgesellschaft. Der Veräußerer kann bei Verletzung einer Aufklärungspflicht einer Haftung ausgesetzt sein. Zudem dürfte er ein Interesse an einer ausgiebigen Prüfung haben, um die nachträgliche Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen zu vermeiden. Unterlässt die Geschäftsleitung des Erwerbers pflichtwidrig die Prüfung, macht sie sich möglicherweise gegenüber der eigenen Gesellschaft schadenersatzpflichtig. Auch die Geschäftsleitung der Zielgesellschaft ist betroffen: Sie verfügt zwar über ausreichend Informationen. Allerdings kann sie bei der Weitergabe gesellschafts-. kapitalmarkt- und datenschutzrechtlichen Grenzen unterliegen.

 

Wir beraten Sie gerne!

Mängel beim Unternehmenskauf

Der Kauf eines bestehenden Unternehmens kann neben der Gründung ebenfalls ein probates Mittel darstellen, in die Selbstständigkeit einzutreten. Problematisch wird der Unternehmenskauf jedoch immer (er bleibt eben doch nur ein „Kauf“), wenn das erworbene Unternehmen nicht den Vorstellungen des Käufers entspricht. In dieser Hinsicht stellt sich die Frage, welche Informationen der Käufer im Zuge der Vertragsverhandlungen erhalten muss und welche der Verkäufer für sich behalten darf.

Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf?

Soweit ein Unternehmenskauf („asset deal“) vorliegt und das Unternehmen eben nicht lediglich über die Anteile (sog. „share deal“) gekauft wurde, steht der Anwendung der „normalen“ Kaufgewährleistung grundsätzlich nichts im Wege. Ein Mangel liegt stets dann vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Letztere ergibt sich insbesondere aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Dabei können auch Eigenschaften wie der Ertrag oder Umsatz eines Unternehmens zugesichert werden.

Die Sachmängelhaftung kann bei einem Unternehmenskauf aber nur dann zur Anwendung kommen, wenn zumindest irgendein Anknüpfungspunkt zur stofflichen Beschaffenheit besteht. Ist das nicht der Fall, so bleiben dem Käufer die Ansprüche aus dem allgemeinen Schuldrecht, insbesondere die Anfechtung nach § 119 BGB.

Anfechtung bei Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft

Sofern es um den Erfolg der Anfechtung geht, ist zunächst zu klären, wann überhaupt angefochten werden kann. Nach § 119 II BGB muss dafür ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft in der Person des Käufers vorliegen. Als Eigenschaft versteht man traditionell das, was regelmäßig auch Teil der Beschaffenheit iSv. § 434 I BGB sein kann. Danach können Eigenschaften Merkmale der natürlichen Beschaffenheit aufweisen und tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zur Umwelt darstellen. Ein Irrtum – etwa über die Insolvenzreife eines Unternehmens – würde die Anforderungen strenggenommen nicht erfüllen. Zwar führen einige Stimmen insoweit an, dass der BGH im Hinblick auf die Überschuldung eines Nachlasses anders entschieden habe. Allerdings kann man diese Entscheidung nicht übertragen. Denn letztlich hätte das Zulassen einer Anfechtung lediglich eine Korrektur der im Vertrag festgelegten Risikoverteilung zur Folge.

Verschulden bei Vertragsverhandlungen

Einigkeit besteht darüber, dass alle Aussagen des Verkäufers – ob vom Käufer verlangt oder nicht – korrekt sein müssen. Für prognostizierende Aussagen des Verkäufers ist ein Rückgriff auf die Prospekthaftung angezeigt. Wenn also der Verkäufer in den Vertragsverhandlungen sagt, dass das Unternehmen „wieder ins Plus gehe“, so muss diese Prognose durch Tatsachen gestützt und vertretbar sein. Ansonsten macht sich der Verkäufer haftbar.

Sofern der Verkäufer gar von einer Insolvenzreife (§§ 17, 19 InsO) ausgeht, muss er den Käufer darüber – ungefragt – aufklären.

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB bleibt stets möglich. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Verkäufer arglistig gehandelt hat. Das ist der Fall, wenn er die Unrichtigkeit seiner Aussage kannte oder zumindest für möglich hielt und wusste oder es für möglich hielt, dass der Käufer daraufhin den Vertrag mit diesem Inhalt schließen würde.

Anforderungen an den Entlastungsbeschluss bei der GmbH

Der Entlastungsbeschluss der Geschäftsführung einer GmbH sollte regelmäßig einer der wesentlichen Punkte der jährlichen Gesellschafterversammlung sein. Der Beschluss – sofern keine Verweigerung vorliegt – führt zur Präklusion. Das bedeutet, dass grundsätzlich keine Schadenersatzansprüche mehr gegen den Geschäftsführer geltend gemacht werden können.

Grundlagen zum Entlastungsbeschluss

Mit dem Entlastungsbeschluss billigen die Gesellschafter die Amtsführung der Geschäftsführung für die vergangene Entlastungsperiode. Sie sprechen der Geschäftsführung  zudem ihr Vertrauen für die kommende Geschäftsführungsperiode aus. Letzteres gilt selbstverständlich nicht, wenn der Entlastungsbeschluss mit gleichzeitiger Abberufung der Geschäftsführung ergeht.

Bevor der Entlastungsbeschluss gefasst wurde, haben die Gesellschafter grundsätzlich keine Möglichkeit, die bestehende Geschäftsführung umfassend zu prüfen. Die Prüfung beschränkt sich insoweit auf die bestimmten Vorlagen und Berichte. Dementsprechend gilt die Präklusionswirkung nur bezüglich solcher Ersatzansprüche und Kündigungsgründe, die auf Tatsachen beruhen, welche im Rahmen der Prüfung erkennbar waren. Diese Tatsachen ergeben sich in der Regel aus der Rechenschaftslegung der Geschäftsführung samt aller vorgelegter Unterlagen oder möglicherweise auf privatem Wege. Dabei spielt die Quelle der Informationen keine Rolle. Entscheidend ist hingegen, dass alle Gesellschafter positive Kenntnis von den Tatsachen haben.

Wann sind Tatsachen erkennbar?

Als erkennbar gelten Tatsachen dann, wenn sich für die Gesellschafter aus den gelieferten Informationen konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben haben, weitere oberflächliche Nachforschungen anzustellen oder ihr Informationsrecht nach § 51a GmbHG auszuüben und sie hierdurch zur Tatsachenkenntnis hätten kommen können.

Nicht erkennbar sind Tatsachen dann, wenn sich aus den Vorlagen der Geschäftsführung keine oder nur unvollständige Anhaltspunkte ergeben, sodass die Gesellschafter die Tragweite ihrer Entscheidung nicht überblicken können. Gleiches gilt für gezielt verheimlichte Tatsachen.

Wer muss die Erkennbarkeit im Falle eines Prozesses beweisen?

Die Präklusionswirkung begünstigt die Geschäftsführung in einem Haftungsfall. Deshalb obliegt es ihr, den Beweis zu führen, dass alle Gesellschafter Kenntnis von den Tatsachen hatten oder die Umstände für die Erkennbarkeit vorlagen. Dieser Grundsatz gilt aber nur eingeschränkt, da die volle Darlegungslast der Geschäftsführung oft nicht zuzumuten ist. Vielmehr wird insofern (nur) verlangt, dass die Geschäftsführung diejenigen äußeren Umstände vorträgt, aus denen Rückschlüsse auf den zu beweisenden inneren Vorgang, also die Tatsachenkenntnis der Gesellschafter, gezogen werden können. Kommt die Geschäftsführung dem nach, so trifft die Gesellschafter die sekundäre Darlegungslast. Sofern dieser wiederum ausreichend nachgekommen wird, wandert der Spielball (in diesem Fall dann die konkrete Beweislast) wieder zur Geschäftsführung.

Die Erkennbarkeit an sich ist hingegen eigentlich keine Tatsache (und deshalb nicht dem Beweis zugänglich, sondern nur die Umstände die Rückschlüsse auf die Erkennbarkeit zulassen), sondern eine rechtliche Wertung. Wann die Erkennbarkeit vorliegt, ist stets vom Einzelfall abhängig. Folgend aufgelistet sind Beispiele, in denen die Rechtsprechung eine Erkennbarkeit angenommen hat.

– Bei Jahresabschlüssen:

  • offen ausgewiesenes überhöhtes Gehalt des Geschäftsführers,
  • nach Reisekosten, Geschenken und Bewirtungskosten aufgeschlüsselte unzulässige Spesenabrechnungen,
  • unterlassene Mieterhöhung.

– Bei Gehaltsabrechnungen:

  • unzulässige Provisionen und Boni

Bei den nun folgenden Fällen hat die Rechtsprechung eine Erkennbarkeit bei Nachforschung auf Anlass angenommen.

– Bei Jahresabschlüssen:

  • zu leistende Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen für einen angestellten Hausmeister, dessen monatliche Vergütung mit der von ihm zu zahlenden Miete verrechnet wurde

– Sonstige Dokumente:

  • unter Verstoß gegen eine Geschäftsführungsrichtlinie abgegebene Garantieerklärung, die aus einem Schreiben der Gläubiger hervorging, das auf der Gesellschafterversammlung referiert und erörtert wurde und dem Protokoll beilag

– Vorherige anderweitige Tätigkeit für die Gesellschaft:

  • Kosten der Neuerstellung fehlerhafter Bilanzen

Keine Erkennbarkeit hat die Rechtsprechung in diesen Fällen angenommen:

– Bei Buchhaltungsvorgängen, die nicht in der Buchhaltung dokumentiert sind:

  • Ausbuchung einer Forderung der Gesellschaft auf Rückzahlung einer Mietkaution ohne Verbuchung des Zahlungseingangs
  • Gutschrift eines Beitrags in den Gesellschaftsbüchern gegen Abtretung von Konkursforderungen gegenüber der Gesellschaft wegen Aufwendungen für einen Firmenwagen
  • Übertragung von Leasingverträgen für Fahrzeuge ohne zumindest anteilige Berücksichtigung der bereits geleisteten Mietsonderzahlungen