Änderungen im Kaufrecht 2022 (Teil 1)

Änderungen im Kaufrecht 2022 (Teil 1)

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Die Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie, welche die vormalige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ablöst, bringt ab 2022 insbesondere Änderungen für den Kauf und Verkauf digitaler Waren mit sich. Im Folgenden zeigen wir Ihnen die Änderungen im Einzelnen auf:

Neuer Sachmangelbegriff im Kaufrecht

Die zentrale Norm (§ 434 BGB) bestimmt, dass eine Sache frei von Sachmängel ist, „wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“.

Dabei ergeben sich bezüglich des subjektiven Fehlerbegriffs kaum Änderungen zum bisherigen Rechtszustand. Nach § 434 Abs. 2 BGB entspricht die Sache den subjektiven Anforderungen, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat, das heißt einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien entspricht. Dazu gehören insbesondere Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige von den Parteien vereinbarte Merkmale.

Im Übrigen muss sich die Sache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen.

Kompatibilität im Sinne der Norm bezieht sich dabei auf „die Fähigkeit von Waren, mit der Hardware und Software zu funktionieren, mit der Waren derselben Art in aller Regel benutzt werden, ohne dass die Waren die Hard- oder Software verändert werden müssen“.

Interoperabilität beschreibt den Zustand einer Sache, mit einer anderen Hardware oder Software zu funktionieren als derjenigen, mit der Sachen derselben Art benutzt werden.

Beide Begriffe spielen dabei insbesondere auf Produkte des „Internet of Things“ ab. Im Hinblick auf die Vielzahl der Produkte, die entweder nur mit Apple Homekit oder etwa Google Home benutzt werden können, erscheint die Interoperabilität bislang eher fragwürdig. Auch deshalb dürfte den Anbietern daran gelegen sein, das Projekt Matter voranzutreiben.

Zudem wurde ein expliziter Verweis auf die Übergabe mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen in das Gesetz aufgenommen. An der Rechtslage ändert dies jedoch nichts.

In objektiver Hinsicht muss die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen derselben Art üblich und die der Käufer erwarten kann. Diese Kauferwartung bestimmt sich dabei nach der Art der Sache und den insbesondere der Werbung oder auf dem Etikett vom Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag abgegebenen öffentlichen Äußerungen. Zudem muss die Sache der Beschaffenheit einer vom Verkäufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Probe oder eines entsprechenden Musters entsprechen sowie dem Zubehör einschließlich Verpackung, Montage- und Installationsanleitungen sowie anderen Anleitungen übergeben werden, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.

Zu der üblichen Beschaffenheit gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale einschließlich von Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit. Ausdrücklich erwähnt wird auch die legitime Erwartung des Käufers an der Haltbarkeit der Sache. Bei der dafür vorzunehmenden Gesamtbeurteilung spielen auch der Preis der Sache und die übliche Häufigkeit und Intensität ihrer Nutzung eine Rolle. Unter den Begriff Haltbarkeit fallen auch die Möglichkeit der Wartung und Reparatur der Sache. Da bereits zuvor die Haltbarkeit ein Kriterium des objektiven Fehlerbegriffs war, ergeben sich auch insoweit keine wesentlichen Änderungen zur vorherigen Rechtslage.

Gleiches gilt für die Aliud-Lieferung und die Montageanforderungen.

Modifizierungen bei der Nacherfüllung im Kaufrecht 2022

Der in § 439 BGB geregelte Nacherfüllungsanspruch wurde dahingehend geändert, dass er nunmehr ausdrücklich die Pflicht zum Ersatz von Aus- und Wiedereinbaukosten regelt. Dabei handelt es sich jedoch – nach wie vor – um eine Erstattungspflicht, nicht hingegen um eine Primärpflicht. Neu ist jedoch der Ausschluss dieser Pflicht, wenn der Mangel bereits vor dem Einbau offenbar wurde. Zuvor ergab sich ein Ausschluss nur bei positiver Kenntnis des Käufers iSd. § 442 BGB. Der Begriff „offenbar“ dürfte insoweit weiter zu verstehen sein, sodass – in Anlehnung an § 377 HGB – auf Erkenntnismöglichkeit eines Durchschnittskäufers abzustellen ist.

Dass der Käufer dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung die Möglichkeit der Untersuchung der Sache eröffnen muss, entspricht ebenfalls keiner neuen Rechtslage, ist nunmehr aber ausdrücklich in § 439 Abs. 5 BGB geregelt. Beim Fehlen dieser Käuferobliegenheit liegt regelmäßig kein Nacherfüllungsverlangen vor. Ebenfalls ist die Rücknahmepflicht der mangelhaften Sache ausdrücklich in § 439 Abs. 6 BGB manifestiert.

Ebenfalls Neuerungen im Lieferantenregress

Zunächst hat der Gesetzgeber die Anforderungen des Lieferantenregresses (§ 445a Abs. 1 BGB) an die Änderungen des Nacherfüllungsanspruchs angepasst. Ergänzt werden die Voraussetzungen dadurch, dass der Verkäufer vom Lieferanten auch für Aufwendungen gegenüber seinem Käufer Ersatz verlangen darf, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel auf einer Verletzung einer objektiven Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB beruht. Das gilt jedoch nicht für solche Vereinbarung über die Aktualisierungspflicht, die ausschließlich zwischen Verkäufer und Käufer getroffen wurden.

Die in § 445 b Abs. 2 BGB geregelte Höchstgrenze der Ablaufhemmung von fünf Jahren nach Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer wurde gestrichen.

Kaufrecht 2022: Anwendungsbereich im Verbrauchsgüterkaufs

Der Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs in § 474 Abs. 1 BGB erfuhr eine dahingehende Änderung, dass der Begriff „bewegliche Waren“ nunmehr von dem Begriff „Ware“ ersetzt wurde. Daraus erfolgt, dass Sachen, welche durch Zwangsversteigerungen oder andere gerichtliche Maßnahmen verkauft werden, nicht in den Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs fallen (§ 806 ZPO bzw. § 283 AO). Einer Änderung unterlag auch der Ausschlusstatbestand aus § 474 Abs. 2 S. 2 BGB. Für gebrauchte Waren, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, greift der Ausschluss nur für den Fall, dass dem Verbraucher klare und umfassende Informationen über den Ausschluss leicht verfügbar gemacht wurden.

Im Verbrauchsgüterkauf schadet die Kenntnis des Verbrauchers (§ 442 BGB) nicht länger (gem. § 475 Abs. 3 S. 2 BGB ).

 

Dieser Beitrag wird fortgesetzt.

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