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Aktuelles aus Steuern und Recht
Steuerbarkeit einer „Nutzungsentschädigung“
06.09.2024Zahlt eine Bank auf Grundlage einer Vergleichsvereinbarung eine Nutzungsentschädigung, gelten diese Zahlungen für den Empfänger weder als Kapitaleinkünfte noch als sonstige Einkünfte. Die Details zu dem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs kennt Markus Willenborg, Wirtschaftsprüfer bei Ecovis in Vechta.
Der Fall
Ein verheiratetes Ehepaar schloss mit seiner Bank einen Vertrag über die Gewährung mehrerer Darlehen zur Finanzierung einer selbst genutzten Wohnimmobilie ab. Vier Jahre später widerriefen sie ihre Willenserklärung für zwei der Darlehensverträge aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen.
Es kam zu einem zivilgerichtlichen Rechtsstreit zwischen dem Ehepaar und der Bank. Das Ergebnis war ein gerichtlicher Vergleich, in dem die Bank sich verpflichtete, an die Kläger einen Nutzungsersatz zu bezahlen. Außerdem vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Bank die aus dem Betrag des Nutzungsersatzes anfallende Kapitalertragsteuer, den Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer an das Finanzamt abführt und den Klägern eine entsprechende Bescheinigung ausstellt.
Unter Vorlage der Steuerbescheinigung reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärungen ein und verwiesen dabei auch darauf, dass sie wegen einer nicht korrekten Darlehenswiderrufsbelehrung einem Vergleich mit der Bank zugestimmt haben.
Das Finanzamt berücksichtigte den Betrag bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des Paragrafen 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und zog bei beiden Eheleuten jeweils den Sparerpauschbetrag in Höhe von 801 Euro ab.
Den Vergleich zwischen Klägern und der Bank legte das Finanzamt so aus, dass die als Nutzungsentschädigung bezeichnete Zahlung als Nutzungsersatz zu betrachten ist. Dieser Nutzungsersatz bezieht sich auf Zins- und Tilgungsleistungen nach Rückabwicklungsgrundsätzen, die die Kläger ohne rechtliche Grundlage gezahlt haben.
Dagegen haben die Kläger erfolgreich Einspruch eingelegt.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs
Anders als das Finanzamt sah das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg in dem Vergleich einen vereinbarten entgeltlichen Rechtsverzicht der Kläger auf ihre Rechte aus dem zuvor erklärten Widerruf der Darlehensverträge. Dieser Argumentation schloss sich der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 22. Mai 2024 an (VIII R 3/22). Da der Verzicht nicht im Rahmen einer auf Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit erklärt worden sei, unterliege die Zahlung nicht der Einkommensteuer.
Das FG Münster vertrat die Auffassung, dass der aufgrund des gerichtlichen Vergleichs der Bank an die Kläger geleistete Betrag bei den Klägern nicht zu einem steuerbaren Kapitalertrag und auch nicht zu Einkünften aus Leistungen nach dem EStG führt. Der zwischen den Klägern und der Bank geschlossene Vergleich ist so auszulegen, dass die Darlehensverträge nicht rückabgewickelt wurden. In beiden Fällen führt die Zahlung der Bank nicht zu einem steuerbaren Kapitalertrag bei den Klägern.
„Eine Entschädigung für einen Rechtsverzicht führt beim Verzichtenden nicht zu steuerbaren Einkünften, wenn sie nicht als Ergebnis einer Erwerbstätigkeit anzusehen ist“, sagt Markus Willenborg. „Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt, denn die Entschädigungszahlung war nicht im Sinne eines leistungsbezogenen Entgelts durch das Verhalten der Kläger wirtschaftlich veranlasst“, erklärt der Steuerberater.
Eine Zahlung als Nutzungsersatzleistung im Rahmen einer reinen Rückabwicklung der Darlehensverträge ist auch kein steuerbarer Kapitalertrag nach Paragraf 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Bei der Rückabwicklung eines Darlehensvertrags handelt es sich nämlich nicht um einen Leistungsaustausch in der Erwerbssphäre.
Beiräte: Externe Expertise gewinnbringend einsetzen
05.09.2024Immer mehr mittelständische Unternehmen richten Beiräte ein. Sie sollen bei der Suche nach Nachfolgern helfen, bei der Lösung strategischer Fragen beraten oder mit Expertenwissen den Betrieb bereichern.
Immer mehr mittelständische Unternehmen vertrauen auf einen Beirat. Ein Grund dafür ist der Generationswechsel. Laut Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) stehen in Deutschland allein zwischen 2022 und 2026 etwa 190.000 Unternehmensnachfolgen an. Andere Unternehmen suchen Expertise von außen, etwa für eine Expansion ins Ausland oder für Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und Cybersicherheit. „Für Unternehmen kann es durchaus gewinnbringend sein, einen Beirat einzurichten, auch wenn das zuerst einmal mit ein wenig Aufwand verbunden ist“, sagt Thomas Schinhärl, Rechtsanwalt bei Ecovis in Regensburg.
Will ein Unternehmen einen Beirat installieren, muss es im Vorfeld klären, welche Befugnisse er haben soll. „Wichtig sind klare Regelungen in Form einer Beiratsordnung oder im Gesellschaftervertrag“, sagt Schinhärl. „Darin sollte nicht nur die Frage der Kompetenzen des Gremiums geklärt sein, sondern auch, ob zusammen mit der Geschäftsführung getagt wird und ob diese ein Stimmrecht hat.“
Was Beiräte beitragen können
Beiräte können eine rein beratende Funktion haben. Sie können aber auch umfangreiche Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse haben, ähnlich wie Aufsichts- oder Verwaltungsräte. Dann reden sie etwa bei großen Investitionsentscheidungen, Strategiefragen, der Kontrolle oder sogar bei der Bestellung des Geschäftsführers mit. „Das ist ihr schärfstes Schwert“, sagt Andreas Zängerle, Ecovis-Steuerberater in Memmingen, „und das muss in der Beiratsordnung geregelt sein“, ergänzt Schinhärl.
Ein Beirat hat oft eine Mittlerfunktion zwischen den Generationen, zwischen Geschwistern oder Fremdgeschäftsführern und Gesellschaftern. Auch im Fall einer Nachfolge innerhalb einer Familie auf die nächste Generation ist ein Beirat oft hilfreich. Er kann dazu beitragen, einen Übergang fließend zu gestalten und etwa der Elterngeneration Einfluss zu sichern. Fachleute raten, rechtzeitig zu handeln. Denn wenn beispielsweise ein Geschäftsführer, der die Nachfolge nicht vorbereitet hat, plötzlich ausfällt, ist es zu spät.
Schinhärl bringt häufig einen Beirat ins Spiel, wenn es 50:50-Konstellationen zwischen Gesellschaftern gibt: „Damit ist eine Pattsituation ausgeschlossen. Der Beirat ist dann das Zünglein an der Waage. Wenn Gesellschafter an verschiedenen Orten leben oder wenn es sehr viele Gesellschafter gibt, wie in manchen landwirtschaftlichen Gesellschaften, empfiehlt sich ein Beirat mit Mitbestimmungsbefugnissen“, meint er.
Branchenfremde Beiräte als Ideengeber
An Bedeutung gewinnen auch Beiräte, die die Geschäftsführung mit ihrem Know-how aus anderen Branchen, aus Kundensicht oder mit Expertise etwa bei Digitalisierung, Cybersicherheit oder Produktmarketing beraten. Das muss sich folglich in der Zusammensetzung des Gremiums widerspiegeln. „Dann braucht es einen Experten in diesem Sektor. In vielen Fällen ist jemand aus Steuer- und Rechtsberatung dabei. Häufig sind auch Unternehmensberater, Unternehmer mit internationaler Erfahrung oder Hochschulprofessoren mit unternehmerischem Hintergrund darunter“, berichtet Zängerle.
Einig sind sich Experten, dass der Nutzen eines guten Beirats seine Kosten übersteigt. Das bedeutet laut Anja Hausmann, Steuerberaterin bei Ecovis in Rostock, „dass Unternehmen gute und qualifizierte Persönlichkeiten finden müssen, die eine entsprechende Vergütung erhalten sollten“. Denn die Tätigkeit kann aufwendig sein. Je nach Befugnissen, die dem Beitrag eingeräumt sind, finden Tagessitzungen in etwa dreimonatigem Abstand statt. Dazu kommen unter Umständen kurzfristige Sitzungen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Zudem sind häufig Unterlagen durchzuarbeiten.
Pattsituationen sollten Unternehmen vermeiden
In der Praxis setzen sich die Beiräte häufig aus drei Mitgliedern zusammen – um Pattsituationen zu vermeiden. Da es bei Beiräten, die Entscheidungsbefugnisse haben, auch Haftungsfragen zu berücksichtigen gibt, bietet sich laut Hausmann für sie eine entsprechende D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung, auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) an, ähnlich wie die der Geschäftsführer. „Man sollte sich zumindest Gedanken machen, um eine persönliche Haftung zu vermeiden. Bei Geschäftsführern ist der Haftungsbereich aber deutlich größer“, sagt Schinhärl.
Wenn es darum geht, geeignete Kandidaten für Beiräte zu finden, dann sprechen Mandanten häufig ihre Ecovis-Rechtsanwälte oder -Steuerberater an. Mit ihnen haben viele Geschäftsführer ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut. Außerdem wissen die Ecovis-Berater, was für ihre Mandanten sinnvoll ist. „Wir sind sehr oft Ansprechpartner, wenn Unternehmen einen Beirat einrichten wollen“, berichtet Zängerle.
Sozialabgaben: Starker Anstieg in den nächsten Jahren?
05.09.2024In den nächsten zehn Jahren könnte die Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch Sozialabgaben aufgrund der demografischen Entwicklung stark ansteigen. Steuert die Regierung nicht gegen, droht laut Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES Institut) in Berlin bis 2035 ein Anstieg des Gesamtbeitrags der Sozialversicherung um 7,5 Prozentpunkte auf 48,6 Prozent. Die Auswirkungen kennt Anja Hausmann, Steuerberaterin bei Ecovis in Rostock.
Die Sozialversicherung setzt sich aus verschiedenen Teilversicherungen zusammen. Der Gesamtbeitrag von aktuell 40,8 Prozent setzt sich wie folgt zusammen:
Krankenversicherung | 14,6 % |
Zuschlag für Krankenversicherung (individuell nach Krankenversicherung; im Durchschnitt) | 1,6 % |
Rentenversicherung | 18,6 % |
Pflegeversicherung | 3,4 % |
Arbeitslosenversicherung | 2,6 % |
Die Gesellschaft altert und setzt die Sozialsysteme massiv unter Druck. Laut Bundesfinanzminister Christian Lindner ist die derzeitige Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in ihrer jetzigen Form bereits heute kaum noch finanzierbar. Analysen der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK-Gesundheit) zufolge sollen die Beiträge zur Krankenversicherung schon im Jahr 2025 um 0,6 Prozentpunkte auf dann 16,9 Prozent steigen. Dieser Prozentsatz setzt sich zusammen aus dem Beitragssatz von 14,6 Prozent und dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz, den die Kassen selbst festlegen können, von 2,3 Prozent.
Ab 1. Januar 2025 steigen zudem die Beitragsbemessungsgrenzen an. Hintergrund ist, dass Sozialversicherungsbeiträge nur bis zu einem bestimmten Einkommen zu zahlen sind. Steigt diese Grenze an, steigt damit auch die Last für diejenigen, deren Einkommen darüber liegt. Auch wenn diese Grenze im ersten Moment ungerecht klingt, erhalten Gutverdiener auch nur begrenzte Leistungen, zum Beispiel bei der Rente. Außerdem steigt der Einkommensteuersatz bei einem hohen Einkommen stark an. Zusätzlich wirken Sozialversicherungsbeiträge teilweise steuermindernd, sodass kein wirklicher Vorteil besteht.
Zum Vergleich: Im Jahr 1970 betrug der Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung 26,5 Prozent.
Ab dem kommenden Jahr gelten dann erstmalig einheitliche Werte in den neuen und alten Bundesländern.
Die Lösungsmöglichkeiten
Eine Stabilisierung der Beitragssätze auf dem heutigen Niveau von etwa 40 Prozent durch zusätzliche Bundeszuschüsse ist kaum möglich. Allein in der gesetzlichen Krankenversicherung droht in den nächsten zehn Jahren demnach ein Beitragssprung von 16,3 auf 19,3 Prozent.
Alternativ könnte die Regierung einen Anstieg der Besteuerung zum Beispiel durch Erhöhung der Einkommen- oder Umsatzsteuer vorsehen. Ein Argument gegen diese Steuerfinanzierung ist, dass bestehende Lasten dadurch nur anders verteilt, aber nicht verringert würden. Das Ziel, die Beiträge der Sozialversicherungen stabil zu halten, würde also nicht erreicht. In anderen Worten hieße das, dass die Beiträge einfach von jemand anderem übernommen werden. „Eine Stabilisierung der Beitragssätze wäre keine gute Idee“, sagt Ecovis-Expertin Anja Hausmann in Rostock. „Die Steuererhöhungen, die dafür notwendig sind, wären einfach zu groß.“
Stabilitätspakt für die gesetzliche Krankenversicherung
Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit, fordert daher einen Stabilitätspakt für die gesetzliche Krankenversicherung. Dieser soll Folgendes beinhalten:
- Die Regierung soll den Kassen die Ausgaben für die Versicherung von Menschen mit Bürgergeld vom Bund erstatten.
- Der Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung soll jährlich steigen.
- Die Koppelung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen an die durchschnittliche Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen soll wie eine „dynamische Ausgabendeckelung“ wirken und könnte den Beitragsanstieg bis 2035 um etwa zwei Prozent reduzieren.
In der Arbeitslosenversicherung (ALV) wird der Beitragssatz laut IGES-Projektion zunächst bis 2027 von aktuell 2,6 Prozent auf 2,5 Prozent zurückgehen. Bis 2035 ist dann mit einem Anstieg auf drei Prozent zu rechnen.
In der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach mittelfristiger Finanzplanung und dem geplanten „Rentenpaket II“ mit einem Beitragsanstieg von derzeit 18,6 Prozent auf 20,6 Prozent im Jahr 2030 zu rechnen. Bis 2035 ist ein weiterer Anstieg der Rentenbeiträge auf 22,3 Prozent zu erwarten. In der Pflege könnte der Beitragssatz bereits 2030 einen Wert von 4,1 Prozent erreichen.
„Tut die Politik nichts, wird der Trend des historisch hohen Beitragsanstiegs der GKV weiter anhalten“, sagt Steuerberaterin Anja Hausmann. „Die Regierung muss die Maßnahmen, die dem steten Anstieg entgegensteuern, nach der Bundestagswahl so bald wie möglich angehen“, rät Hausmann. Das betrifft neben steigenden Arbeitgeberbeiträgen natürlich auch Unternehmer, denn bei steigenden Sozialversicherungsbeiträgen verbleibt dem Arbeitnehmer am Ende weniger Netto. Im aktuellen Arbeitsmarktumfeld wird das zu noch stärker steigenden Löhnen führen. Die zahlt am Ende der Arbeitgeber.
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