Nießbrauch im Betriebsvermögen: Ein heißes Eisen für Unternehmerinnen und Unternehmer
03.12.2025
Der Bundesfinanzhof hat kürzlich erneut über die Schenkung einer Kommanditbeteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt entschieden. Gleichzeitig hat das Bundesfinanzministerium ein Schreiben zur Schenkung von Wirtschaftsgütern aus Betriebsvermögen unter Nießbrauchsvorbehalt veröffentlicht. Die Kernaussage: Es ist kompliziert und in der Praxis gibt es charmantere Lösungen. Welche das sind, erklärt Steuerberater Torsten Sonnenberg bei Ecovis in Halle an der Saale.
Was ist Nießbrauch und warum lässt er sich in der Nachfolgeplanung nutzen?
Nießbrauch bezeichnet das Recht, einen Gegenstand, beispielsweise einen Firmenanteil oder eine Immobilie, zu nutzen und daraus Vorteile zu ziehen, ohne der Eigentümer des Gegenstands zu sein. In der Nachfolgeberatung spielt der Nießbrauch eine zentrale Rolle. Nach eigener Einschätzung werden die meisten Immobilien unter Nießbrauch übertragen. Steuerberater Sonnenberg erklärt: „Nießbrauch ist ein bewährtes Mittel in der Nachfolgeplanung, um den Übergeber abzusichern und gleichzeitig den Wert der Schenkung zu mindern. Doch im betrieblichen Sektor ist Vorsicht geboten.“
Die Vorteile und Risiken einer Schenkung unter Nießbrauch
Ein Nießbrauchrecht an einer Immobilie hat auf den ersten Blick einige Vorteile. Der Schenkende bleibt durch die Mieteinnahmen abgesichert, und der Wert der Immobilie lässt sich durch die Übergabe mit Nießbrauch entsprechend mindern. Schließlich würde kaum jemand eine Immobilie kaufen, deren Erträge eine andere Person erhält. „Diese Logik funktioniert im Privatbereich gut, aber im Betriebsvermögen kommen zahlreiche zusätzliche Faktoren ins Spiel, die das Ganze schnell kompliziert machen können“, sagt Steuerberater Torsten Sonnenberg.
Nießbrauch im Betriebsvermögen: Besonderheiten beachten
Im betrieblichen Bereich kommen, je nach Einkunftsart und Rechtsform, viele Besonderheiten hinzu. Seit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist ein Nießbrauch im Betriebsvermögen bei einem Einzelunternehmen faktisch nicht mehr möglich. Grund: Der BFH setzt voraus, dass der Schenkende seine betriebliche Tätigkeit einstellt (BFH-Urteil vom 25. Januar 2017, X R 59/14). Je nach Ausgestaltung des Nießbrauchrechts ist dies in fast keinem Fall so. Die Konsequenz wäre, dass mindestens für die Ertragsteuer alle stillen Reserven aufzudecken wären. In der Regel folgt auch die Schenkungsteuer des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) dieser Auffassung. Deshalb fällt neben der Einkommensteuer noch meistens Schenkungsteuer an (Paragraph 13b Absatz 1 ErbStG).
Vertragliche Gestaltung entscheidend
Bei einer Personengesellschaft ist die Vertragsgestaltung entscheidend. Hier wird erwartet, dass der Beschenkte eine Mitunternehmerstellung erhält. Dies ist dann erfüllt, wenn er entsprechende Kontroll- oder Mitspracherechte hat und am laufenden, aber auch endgültigen Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist. Ein gänzlicher Vorbehaltsnießbrauch würde jedoch je nach Ausgestaltung des Nießbrauchrechts an sich eben nicht zur Mitunternehmerstellung führen. Auch hier wäre dann die Konsequenz, dass in der Ertragsteuer alle stillen Reserven aufzudecken sind und zusätzlich Schenkungsteuer anfällt.
In der Praxis hat sich deswegen ein „Quotennießbrauch“ herauskristallisiert, wobei es für diese Fälle weiterhin etliche Rechtsunsicherheiten gibt. Auch handelsrechtlich ist unklar, wem beispielsweise Rücklagen oder Substanzgewinne zustehen. Auch das Abstimmungsverhalten wird in vielen Verträgen unterschiedlich gehandhabt. Das bedeutet für alle Beteiligten oftmals einen hohen Zeitaufwand und viel Know-how – gerade bei der Vertragsgestaltung.
Hinzu kommen Besonderheiten, etwa wie ein Nießbrauch an einem Einzelwirtschaftsgut im Betriebsvermögen oder an Kapitalgesellschaften zu behandeln ist. Zu allen Vorfällen gibt es unzählige Rechtsprechungen, die Chancen, aber auch Risiken bergen, die am Ende zu unnötigen Steuern führen können. „Hinzukommt, dass vertragliche Formulierungen oftmals so komplex sind, dass sie für Unternehmerinnen und Unternehmer kaum noch nachvollziehbar und verständlich sind. Andere Lösungen können hier klarer sein“, sagt Torsten Sonnenberg.
Alternative Lösungen zur Absicherung des Übergebers
Eine Möglichkeit, den Übergeber abzusichern, besteht in einer Versorgungsrente. Diesen Weg fördert der Gesetzgeber ausdrücklich. Für den betrieblichen Bereich stellt die Versorgungsrente in vielen Fällen eine elegantere Lösung dar. Eine Alternative ist der gleitende Übergang. Anstatt den Betrieb sofort vollständig zu schenken, ist es auch möglich, erst einen Teil zu übertragen und gleichzeitig dem Übernehmenden unternehmerische Unterstützung zu geben.
Ein wichtiger Hinweis: Die Liquiditätsplanung
Viele Mandanten schätzen ihren tatsächlichen Liquiditätsbedarf oft falsch ein. Das klassische Haushaltsbuch und realistische Annahmen helfen dabei, zu einer besseren Einschätzung zu kommen. Der Liquiditätsbedarf spielt eine zentrale Rolle bei der Frage, ob ein Nießbrauch sinnvoll ist oder nicht. Dazu erklärt Steuerberater Sonnenberg: „Die genaue Ermittlung des Liquiditätsbedarfs ist entscheidend. Ohne eine realistische Einschätzung der Finanzsituation kommt es oft zu Fehlentscheidungen bei der Wahl des Übergabemodells.“
Eine sorgfältige Planung ist entscheidend
Während der Nießbrauch im Privatvermögen meist eine gängige Lösung ist, ist er im unternehmerischen Bereich tendenziell eher die Ausnahme. Dies hat mehrere Gründe, die für Mandanten oft nicht klar sind. „Deshalb lohnt es sich, die verschiedenen Varianten sorgfältig zu prüfen und sich gut beraten zu lassen“, empfiehlt Torsten Sonnenberg.
Inventur: Was Betriebe beachten müssen und welche Stolperfallen drohen
01.12.2025
Zum Abschluss eines Geschäftsjahrs sind Unternehmerinnen und Unternehmer verpflichtet, das Betriebsvermögen genau unter die Lupe zu nehmen. Bei der ordnungsgemäßen Inventur, also der körperlichen Bestandsaufnahme der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, ist Vorsicht angesagt, mahnt Michael Unnerstall, Steuerberater bei Ecovis in Vechta: „Wer Fristen versäumt, ungenau arbeitet oder veraltete Bestände einfach fortschreibt, riskiert Fehler im Jahresabschluss.“
Die Inventur ist das Fundament für einen ordnungsgemäßen Jahresabschluss. Zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres müssen Unternehmerinnen und Unternehmer daher ihren Warenbestand und andere Vermögenswerte erfassen. Damit sich der Bestand in seiner tatsächlichen Höhe und Bewertung überprüfen lässt, schreiben Handelsgesetzbuch und Abgabenordnung klare Pflichten vor. Das Inventar muss vollständig und nachvollziehbar sein. Betriebe müssen zwingend Mengen, verständliche Bezeichnungen und den Wert der Vermögensgegenstände auflisten.
Welche Inventurverfahren stehen Unternehmen zur Verfügung?
Bilanzierende Betriebe können zwischen mehreren Verfahren wählen. Die klassische, zeitnahe Inventur erfolgt am Bilanzstichtag oder in einem engen Zeitraum von zehn Tagen davor oder danach. Alternativ erlaubt das Gesetz eine zeitverschobene Inventur innerhalb von drei Monaten vor oder zwei Monaten nach dem Bilanzstichtag. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Betriebe ihre Bestände durch Fortschreibung oder Rückrechnung korrekt auf den Stichtag bewerten können. „Wir empfehlen unserer Mandantschaft, die Inventur möglichst zum Stichtag durchzuführen. Das verringert Fehler und vereinfacht die Dokumentation“, sagt Michael Unnerstall. Wird ein Warenwirtschaftssystem mit permanenter Inventur genutzt, müssen Unternehmen die Bestände grundsätzlich ebenfalls mindestens einmal im Jahr manuell überprüfen.
Was muss Betriebe erfassen?
Grundsätzlich gilt: Alles, was dem Unternehmen gehört, ist aufzunehmen. Dazu zählen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ebenso wie unfertige und fertige Erzeugnisse, Waren, bewegliches Anlagevermögen und sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten. Gerade im Bereich der Hilfs- und Betriebsstoffe verlassen sich viele Unternehmen auf Schätzwerte. „Das kann bei einer Betriebsprüfung zu einem echten Problem werden“, warnt Unnerstall.
Welche Vereinfachungen sind erlaubt?
Erleichterungen wie Stichprobeninventur, Gruppenbewertung oder das Festwertverfahren sind zulässig, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das Festwertverfahren bietet sich etwa für regelmäßig ersetzte Werkzeuge oder Verpackungsmaterial an. Wichtig ist, dass Betriebe die Werte regelmäßig überprüfen, spätestens alle drei Jahre. Unternehmen mit Warenwirtschaftssystemen haben es in der Praxis leichter. „Doch auch hier können Fehler auftreten, wenn Betriebe ihre Daten nicht pflegen und Abweichungen nicht kontrollieren“, sagt Michael Unnerstall.
Was ist sonst noch zu beachten?
Eine Inventur verlangt eine klare Organisation. Betriebe sollten alle Materialbewegungen während der Zählung stoppen. „Bestimmen Sie ein verantwortliches Team, sorgen Sie für nummerierte Inventurlisten, Kennzeichnung der Waren und die abschließende saubere Dokumentation“, empfiehlt Steuerberater Unnerstall. „Bei Fragen unterstützen wir unsere Mandanten und weisen sie selbstverständlich auf Unstimmigkeiten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung hin.“
Tipp: Was sollten Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt tun?
Sorgen Sie für eine klare Inventur und eine saubere Dokumentation.
Achten Sie auch auf die geltenden Aufbewahrungsfristen von zehn Jahren.
Versicherungsschutz: Welche Versicherungen Ärztinnen und Ärzte wirklich brauchen (Seite 3)
Care-Plus-Verträge: Worauf Teilnehmende an dieser Versorgungsreform achten müssen (Seite 4)
TeleClinic: Wie es weitergeht, nachdem das Sozialgericht München wesentliche Teile des Geschäftsmodells untersagt hat (Seite 7)
Praxisübergabe: Schenkung mit Anstellung des Vaters (Seite 8)
Praxisverkauf: Den Ausstieg clever gestalten (Seite 10)
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Hofübergabe: Wie sie erfolgreich gelingt (Seite 4)
Mediation: So spricht man Konflikte am Hof rechtzeitig und offen an (Seite 6)
Interview: Obstvermarkter Schmid vom Canisiushof berichtet, wie er die Buchhaltung digitalisiert hat (Seite 7)
Winterdienst: Was es für Landwirte beim Nebenverdienst steuerlich zu beachten ist (Seite 8)
Investitions-Booster: Was die Steuergesetzänderungen der Landwirtschaft bringen (Seite 10)
Umsatzsteuer bei Hackschnitzel: Nach langem Hickhack endlich auf der Zielgraden (Seite 11)
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Handwerksbetriebe aufgepasst: So werden Rechnungen bis Jahresende richtig ausgestellt
07.11.2025
Zum Jahreswechsel gibt es bei der Rechnungsstellung im Handwerk einige Stolpersteine, vor allem bei Anzahlungen, Vorauszahlungen und Teilleistungen. Ecovis-Steuerberaterin Julia Schuster aus Landau erklärt, wie Betriebe Rechnungen korrekt abwickeln und welche Risiken sie vermeiden sollten.
Rechnungen korrekt stellen: Wann entsteht Umsatzsteuer?
Ein Unternehmer darf eine Rechnung stellen, wenn eine steuerbare Leistung erbracht wurde. In einigen Fällen besteht sogar eine Pflicht zur Rechnungsausstellung. Doch Vorsicht: Wenn Unternehmer zu diesem Zeitpunkt eine Leistung noch nicht vollständig erbracht haben, müssen sie genau darauf achten, wie sie diese korrekt abbilden. Steuerberaterin Julia Schuster rät: „Insbesondere bei Zahlungen vor oder während der Leistungserbringung, wie sie häufig zum Jahresende vorkommen, müssen Handwerksbetriebe sehr genau auf die richtige Dokumentation und Rechnungsstellung achten.“
Anzahlungen und Vorauszahlungen richtig erfassen
In vielen Branchen, vor allem im Handwerk, ist es üblich, Vorauszahlungen oder Anzahlungen zu verlangen, insbesondere zum Jahresende, wenn noch offene Arbeiten ausstehen.
Umsatzsteuerlich entsteht bei Anzahlungen die Steuer bereits im Moment des Zahlungseingangs. Sie muss dann in der Steuererklärung berücksichtigt werden. „Wichtig ist, dass die Rechnung deutlich macht, dass es sich um eine Anzahlung oder Vorauszahlung handelt. Nur so können alle betroffenen die richtigen Rückschlüsse für ihre Umsatzsteuererklärungen ziehen“, sagt Steuerberaterin Schuster.
Abrechnung von Teilleistungen: Die Unterschiede zu Anzahlungen
Wenn ein Handwerksbetrieb im laufenden Jahr Teilleistungen eines Gesamtauftrags erbringt, unterscheidet sich die Behandlung der zugehörigen Rechnung erheblich von Anzahlungen. Die Umsatzsteuer entsteht hier nicht erst mit Zahlungseingang, sondern bereits mit der Ausführung der vereinbarten Teilleistung. Es kommt also darauf an, wann die Leistung tatsächlich erbracht wurde. Die Tücke liegt jedoch auch hier im Detail. Auch Anzahlungen auf Teilleistungen sind möglich. Ist dies der Fall entsteht die Umsatzsteuer mit Geldeingang.
Teilleistungen liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart und abgerechnet wird. Wichtig ist, dass sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer sich darüber einig sind, dass die Gesamtleistung in Teilleistungen aufgespalten werden kann. Schuster erklärt: “In der Praxis gibt es häufig Unklarheiten, ob eine Leistung wirklich teilbar ist. Hier müssen Handwerksbetriebe sicherstellen, dass sie die rechtlichen und vertraglichen Grundlagen im Vorfeld klären, um spätere Probleme zu vermeiden.”
Was sollen Handwerksbetriebe zum Jahresende beachten?
Zum Jahreswechsel sollten Handwerksbetriebe vor allem die offenen Rechnungen und vereinbarten Vorauszahlungen oder Anzahlungen im Blick haben und mit ihrem Steuerberater sprechen, um eine korrekte Rechnungsstellung sicherzustellen und alle steuerlichen Vorgaben einzuhalten. Für die Vermeidung von Risiken und einen steuerlich sauberen Jahresabschluss müssen, bereits vereinnahmte Anzahlungen berücksichtigt und noch nicht abgerechnete Teilleistungen entsprechend erfasst werden. Steuerberaterin Julia Schuster fasst zusammen: „Die richtige Handhabung von Vorauszahlungen und Teilleistungen erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem Steuerberater, um rechtzeitig alle steuerlich relevanten Punkte zu klären.“
Ab dem 1. Januar 2026 soll die freiwillige Weiterarbeit neben der Rente durch die Einführung eines Steuerfreibetrags attraktiver gestaltet werden. Die Anreize für die Aktivrente sowie wichtige Aspekte, die dabei zu berücksichtigen sind, erläutert Ecovis-Rentenberaterin Tanja Eigner in München.
Das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rentenalter (Aktivrentengesetz) ermöglicht Arbeitnehmenden, nach Erreichen der Regelaltersgrenze monatlich 2.000 Euro steuerfrei dazuzuverdienen.
Ab dem 1. Januar 2026 soll die Aktivrente in Kraft treten. Das hat das Bundeskabinett beschlossen. Jetzt ist der Bundestag am Zug.
Anreize für die Weiterarbeit
Mit der Aktivrente will die Bundesregierung Anreize zur Weiterarbeit über die Regelaltersgrenze, also bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres, einschließlich einer Übergangsregelung für Geburtsjahrgänge bis 1963, schaffen. Sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer (außer Selbstständige, Beamte, Freiberufler, Land- und Forstwirte und Minijobber) sind dabei begünstigt. Es spielt keine Rolle, ob der Steuerpflichtige eine Rente bezieht oder den Rentenbezug aufschiebt.
Bei der Aktivrente handelt es sich um eine Steuerfreistellung bis zu 2.000 Euro pro Monat oder 24.000 Euro pro Jahr (Paragraph 3 Nr. 21 Einkommensteuergesetz, EStG-E). Diese Steuerfreiheit gilt direkt bei der Gehaltsabrechnung – man muss also nichts über die Steuererklärung regeln.
Das Wichtigste im Überblick
Sozialversicherungspflicht bleibt bestehen – das Einkommen bis zu 2.000 Euro ist zwar frei von Lohnsteuer, doch Sozialabgaben, zum Beispiel Kranken- und Pflegeversicherung, fallen weiterhin an. Der Arbeitgeber hat zudem den Arbeitgeberanteil zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten.
Das Einkommen bis zu 2.000 Euro unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt, erhöht also nicht den Steuersatz für das restliche zu versteuernde Einkommen.
Die Regelaltersgrenze muss erreicht sein. Menschen, die eine vorgezogene Altersrente mit oder ohne Abschläge beziehen (z.B. „Rente mit 63”), sind nicht begünstigt.
Selbstständige, Freiberufler und Beamte können nach jetzigem Stand des Gesetzes nicht von der Aktivrente profitieren: Die Steuervorteile gelten nur bei sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen.
Für Arbeitseinkommen über 2.000 Euro pro Monat gilt die normale Steuerpflicht.
Die Altersrente wird weiterhin voll ausgezahlt und regulär versteuert.
Fazit: Lohnt sich das Modell?
Wer als Arbeitnehmer gesundheitlich in der Lage ist, eine Weiterbeschäftigung auszuüben, kann von der Aktivrente durchaus profitieren. Doch auch wenn keine Steuern fällig werden, sollte einkalkuliert werden, dass weiterhin Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sind.
Der Beschluss ist vor allem ein Impuls für das Wirtschaftswachstum in Deutschland hinsichtlich der Produktivität und soll dem Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenwirken.
Doch Vorsicht: Wird das Beschäftigungsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber über die Regelaltersgrenze hinaus fortgeführt, sind auch arbeitsrechtliche Fallstricke zu berücksichtigen. „Enthält der Arbeitsvertrag eine Altersbefristung, sind nach aktueller Rechtslage bei einer Weiterbeschäftigung die Regeln des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zu beachten. Eine Hinausschiebevereinbarung kann hier die Lösung sein. Für interessierte Mitarbeiter sollten Arbeitgeber die Aktivrente daher früh planen und sich vorab unbedingt von Experten beraten lassen“, klärt Rentenberaterin Tanja Eigner bei Ecovis in München auf.
Es bleibt nun das weitere Gesetzgebungsverfahren abzuwarten. Nach zwei Jahren ist eine Evaluation der Aktivrente vorgesehen, um die Rahmenbedingungen erneut zu prüfen.
Kindergeld: Wann ein Anspruch trotz Erwerbstätigkeit des Kindes besteht
01.11.2025
Ein Anspruch auf Kindergeld besteht unter bestimmten Voraussetzungen auch dann für ein über 18 Jahre altes Kind, wenn es eine Berufsausbildung oder ein Studium verfolgt. Auch eine zusätzliche Erwerbstätigkeit des Kindes ist kein zwingendes Ausschlusskriterium. „Aber Vorsicht“, mahnt Angela Pestner, Steuerberaterin bei Ecovis in Eilenburg: „Die Ausbildung muss immer im Vordergrund stehen. Neben der Ausbildungsart ist beispielsweise auch die Ernsthaftigkeit der Ausbildungsbemühungen für den Anspruch relevant.“ Das bestätigt ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Münster.
Eltern junger Erwachsener kennen das Problem: Sobald das Kind arbeitet, steht das Kindergeld auf der Kippe. Doch ein Urteil des Finanzgerichts Münster bestätigt, dass Berufstätigkeit und Ausbildung sich nicht ausschließen müssen. Entscheidend ist nicht nur der Zeitaufwand, der in Studium oder Job gesteckt wird, sondern beispielsweise auch die ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung des Kindes auf ein Berufsziel.
Was zählt als Ausbildung für den Kindergeldanspruch?
Grundsätzlich haben Eltern Anspruch auf Kindergeld, solange das Kind das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sich in einer Berufsausbildung befindet. „Was eine Ausbildung ist, ist weit gefasst“, sagt Angela Pestner, Steuerberaterin bei Ecovis in Eilenburg: „Das kann beispielsweise ein Studium, eine Lehre oder ein Fernstudium sein. Ob das Studium in einer staatlichen oder privaten Universität absolviert wird, spielt keine Rolle. Wichtig ist immer, dass erkennbar ist, dass das Kind wirklich auf ein Berufsziel hinarbeitet.“ Gibt es gewichtige Anhaltspunkte für eine bloße „Pro-forma-Immatrikulation“, liegt keine Berufsausbildung vor. Der Kindergeldanspruch ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Worum ging es im aktuellen Fall?
Das Finanzgericht Münster (Az. 7 K 1522/24 Kg, AO) befasste sich mit einer Abiturientin, die nach dem Schulabschluss zunächst ausbildungsplatzsuchend war und anschließend eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnahm. Einige Monate nach dem Abitur war sie parallel dazu in einem Fernstudium eingeschrieben, das sie in Vollzeit absolvieren wollte. Das Finanzamt verweigerte das Kindergeld, unter anderem aufgrund der Ansicht, dass sich die junge Frau überwiegend ihrer Erwerbstätigkeit und nicht der Ausbildung widme.
Wie hat das Gericht entschieden?
Das Finanzgericht widersprach dieser Einschätzung. Es stellte klar, dass eine Berufsausbildung nicht zwingend die meiste Zeit oder Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen muss. Entscheidend sei unter anderem, dass die Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betrieben wird. Im konkreten Fall sprachen die hohen Studiengebühren und die erbrachten Leistungsnachweise eindeutig für die Ernsthaftigkeit des Studiums. „Das Urteil trägt der Realität moderner Lern- und Arbeitsformen Rechnung“, sagt Pestner. „Denn die Vorbereitung auf einen Beruf findet nicht nur im Hörsaal statt. Jedes Studium, ob staatlich oder privat, in Präsenz oder über eine Fernuniversität, sollte dieselbe Anerkennung genießen.“
Was bestätigt das aktuelle Urteil?
Ein Kind verliert den Anspruch auf Kindergeld nicht automatisch, wenn es arbeitet. Weder eine Teilzeit- noch eine Vollzeitstelle steht dem Anspruch entgegen. Maßgeblich ist unter anderem die Zielrichtung der Ausbildung. Eine Berufsausbildung kann also auch dann vorliegen, wenn Erwerbstätigkeit und Ausbildung parallel stattfinden, solange aktiv darauf hinarbeitet wird, berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Das Urteil bietet Familien mehr Rechtssicherheit. „Eltern sollten den Kindergeldanspruch nicht vorschnell aufgeben“, sagt Angela Pestner. „Wichtig ist eine sorgfältige Dokumentation, etwa durch Immatrikulationsbescheinigungen, Leistungsnachweise oder Belege über Studiengebühren.“
Tipp: Was sollten Familien jetzt tun?
Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater über mögliche Kindergeldansprüche für Ihre erwachsenen Kinder.
Melden Sie relevante Änderungen in den Verhältnissen bei der Familienkasse.
Bewahren Sie Bescheinigungen und Belege, die die Ausbildung dokumentieren, sorgfältig auf.
Belege digital an das Finanzamt übermitteln – das ist die Idee des aktuellen RABE-Verfahrens (Referenzierung auf Belege). Die Ziele dieses Pilotprojekts, das derzeit in einigen Bundesländern läuft, sind mehr Transparenz, weniger Medienbrüche und eine schnellere Bearbeitung der Steuererklärung. Auch einige Ecovis-Kanzleien nehmen an der Pilotphase teil. Im Interview berichtet Teresa Geisler Hertreiter, Steuerberaterin bei Ecovis in Hof, wie RABE in der Praxis funktioniert und welche Vorteile es bringt.
Frau Geisler Hertreiter, für alle, die es noch nicht kennen: Was genau ist das RABE-Verfahren?
Das RABE-Verfahren ist, neben der klassischen Belegnachreichung, eine neue Möglichkeit, steuerrelevante Belege an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Dabei werden schon während der Bearbeitung der Steuererklärung Belege direkt mit den entsprechenden Positionen verknüpft. Die Finanzverwaltung kann diese Belege gezielt und digital abrufen – ein großer Schritt hin zu mehr Effizienz und Transparenz.
Welche konkreten Vorteile bringt das RABE-Verfahren?
Ein wesentlicher Vorteil liegt in der besseren Nachvollziehbarkeit. Bei der Bearbeitung und Durchsicht der Steuererklärungen ist direkt erkennbar, welcher Beleg zu welchem Eintrag gehört. Wir müssen also nicht mehr umständlich im Dokumenten-Management-System (DMS) oder in Vorgangsmappen nach der Quelle suchen. Das spart Zeit und erleichtert die interne Abstimmung enorm. Und natürlich ist das Ziel, dass schriftliche Rückfragen der Finanzämter damit abnehmen und innerhalb der Finanzverwaltung die Bearbeitung ohne das Warten auf Belegnachreichungen effizienter wird.
Seit wann nutzen Sie das Verfahren in Ihrer Kanzlei und wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Finanzamt konkret?
Wir nutzen RABE seit dem Start der Pilotphase im Februar 2025 mit einzelnen Finanzämtern. Wir starten mit den Belegen. Diese landen digitalisiert in der Steuererklärung. Die Software schlägt passende Einträge vor, die wir übernehmen können. Der Beleg hängt dann direkt an der entsprechenden Position. Natürlich können wir auch Belege anhängen, die nur zur internen Dokumentation dienen. In diesem Fall wird das RABE-Kennzeichen vorher entfernt. Bei der Übermittlung der Steuererklärung über ELSTER erhält das Finanzamt eine Information, dass RABE-Belege verfügbar sind. Der Sachbearbeiter startet den Abruf und hat die Belege am nächsten Tag digital vorliegen. Lange Postlaufzeiten und das Warten auf Rückmeldungen entfallen somit. Der Abruf wird zur vollständigen Transparenz dokumentiert und an uns zurückgemeldet.
Welche Unternehmen profitieren aus Ihrer Sicht besonders vom RABE-Verfahren?
Unternehmen, die ihre Belege ohnehin schon digital an uns übermitteln via „DATEV Meine Steuern“, profitieren besonders von einer schnelleren Bearbeitung. Unsere Mandantinnen und Mandanten bekommen vom internen Austausch zwischen uns und der Finanzverwaltung aber meist wenig mit. Entsprechend gab es keine Rückfragen oder Vorbehalte, da das Verfahren im Hintergrund ohne ihr Zutun läuft.
Wie hat sich Ihre tägliche Arbeit verändert?
Um das volle Potenzial von RABE zu nutzen, mussten wir die Ablage unserer Belege vom DMS direkt in die Steuererklärung verlagern. Zudem arbeiten wir vorrangig mit den digitalen Belegen und weniger mit den klassischen Formularen im Steuerprogramm.
Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Momentan erhalten wir teilweise noch schriftliche Anfragen der Finanzämter zu Belegen, die bereits im RABE-Verfahren bereitgestellt waren. Hier besteht noch Optimierungsbedarf in der internen Kommunikation der Finanzämter. Die technische Einführung war unkompliziert. Die einzige Herausforderung war anfangs die geringe Anzahl an teilnehmenden Finanzämtern. Ich denke, dass sich RABE zunächst flächendeckend etablieren muss. So entfalten sich zusätzliche Möglichkeiten von alleine. Ein Beispiel wäre die Rückübermittlung von AfA-Verläufen durch die Finanzverwaltung, um die Zusammenarbeit weiter zu vereinfachen.