BGH schärft Regeln für elektronische Werbung

BGH schärft Regeln für elektronische Werbung

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Unternehmen setzen schon seit Langem auf Marketing in der elektronischen Kommunikation. Pre- und Poststay-eMails, die Bitte um Abgabe einer Bewertung oder Bannerwerbung in der eMail-Fußzeile sind dabei heute gängige Instrumente. Eine Entscheidung des BGH stellt diese nun jedoch ins Abseits.

Unter Geltung der DSGVO ist auch die Zulässigkeit von Werbung unter Verwendung elektronischer Post – also eMail-Werbung – verstärkt in den Fokus gerückt.

1. Elektronische Werbung und DSGVO

Dabei handelt es sich hierbei tatsächlich nur ganz am Rande um ein DSGVO-Problem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO bestimmt im Grundsatz, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen zulässig ist. Und nach Erwägungsgrund 47 zur DSGVO kann die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.

2. Elektronische Werbung und UWG

Vielfach übersehen wird jedoch, dass nach § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) strenge Regeln eingehalten werden müssen, damit solche Werbung nicht als unzumutbare Belästigung angesehen wird. So ist bei Werbung mittels elektronischer Post eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen, wenn keine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Diese Einwilligung fehlt in der Praxis häufig.

Eine Erleichterung für bereits bestehende Geschäftsbeziehungen enthält § 7 Abs. 3 UWG. Danach liegt eine unzumutbare Belästigung bei elektronischer Werbung nicht vor, wenn

  • der Unternehmer die eMail-Adresse vom Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat,
  • der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
  • der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
  • der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.

Häufig scheitert die „Erleichterung“ des § 7 Abs. 3 UWG daran, dass der letztgenannte Hinweis nicht erteilt wird. Während dieser im Online-Geschäft noch ohne größere Probleme implementiert werden kann – wenngleich auch dies regelmäßig unterbleibt – ist es im Offline-Geschäft nur selten möglich und praktisch auch kaum üblich, den entsprechenden Hinweis zu erteilen und dies auch zu dokumentieren.

Zu berücksichtigen ist schließlich, dass das UWG dem Verbraucher nicht direkt einen Unterlassungsanspruch vermittelt. Vielmehr stehen diese nur Mitbewerbern, bestimmten Verbänden und Einrichtungen sowie den Industire- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern zu.

3. Werbung / elektronische Post

Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung – erfasst. Der BGH definiert Werbung als jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.

Als „elektronische Post“ wird jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht definiert, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird.

Gemeint ist daher jede Form der elektronischen Kommunikation, bei der die Nachricht in ein Postfach des Empfängers gelangt und dort von diesem – gegebenenfalls zeitversetzt – abgerufen werden kann.

Der Begriff der Werbung ist dabei durchaus weit zu verstehen. Sendet der Unternehmer nach dem Kauf per eMail die Bitte, den Service zu bewerten oder die Unternehmensseite in einem sozialen Netzwerk zu „liken“, so ist dies Werbung. Kundenzufriedenheitsabfragen, so die Auffassung des Bundesgerichtshofes, dienen zumindest auch dazu, befragte Kunden an sich zu binden und künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern. Durch derartige Befragungen werde dem Kunden der Eindruck vermittelt, der fragende Unternehmer bemühe sich auch nach Geschäftsabschluss um ihn. Der Unternehmer bringe sich zudem bei dem Kunden in Erinnerung, was der Kundenbindung diene und eine Weiterempfehlung ermögliche. Damit solle auch weiteren Geschäftsabschlüssen der Weg geebnet und hierfür geworben werden.

Gleiches muss dann offenbar für Empfehlungsswerbung und auch Bannerwerbung in der Fußzeile einer eMail gelten, wie sie insbesondere im Tourismusbereich die Regel ist. Wer kennt sie nicht, die Hinweise auf das neu eröffnete Hotel – natürlich in bester Lage –, das Winterspecial oder die „Zahle 10, bleibe 14 Tage“-Angebote. Alle diese Maßnahmen stellen elektronische Werbung dar.

4. Werbung anlässlich „statthafter“ Kommunikation bisher zulässig

Bei Werbung, die nur anlässlich einer ansonsten zulässigen Kommunikation erfolgte, also einer „erlaubten“ eMail nur beigefügt war, galten bisher Besonderheiten. Überwiegend wurde diesbezüglich vertreten, dass die Absatzförderungsabsicht gegenüber sonstigen Beweggründen, insbesondere der bloßen Vertragserfüllung oder dem Kundenservice im Vordergrund stehen müsse, damit die eMail als Werbung eingestuft werden kann.

Nach dieser Auffassung machte jedenfalls die Hinzufügung einer eMail-Signatur, in der auch auf die Unternehmens-Website und die Facebook-Seite des Absenderunternehmens hingewiesen wird, die eMail nicht zur einwilligungsbedürftigen Werbung. Gleiches galt, wenn in etwas größerem Umfang Hinweise auf andere Produkte des Absenders integriert wurden. War die eMail grundsätzlich zulässig, etwa weil eine vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung zur Kundeninformation bestand, machte die Hinzufügung von dezenter Werbung die eMail daher nicht unzulässig. Dies galt jedenfalls dann, wenn der Anlass für die Versendung der eMail aus objektiver Sicht nicht nur Mittel zum Zweck (des Up-Selling) war, sondern ein nachvollziehbarer Grund für die Aussendung bestand. Außerdem sollte die Werbung in den Hintergrund treten und auch optisch nicht im Vordergrund der eMail stehen.

Dementsprechend war entschieden worden, dass es einem Rechtsanwalt gestattet sei, in der geschäftlichen Korrespondenz mit Mandanten auf eine Veranstaltung hinzuweisen, auch wenn dieser nicht vorher ausdrücklich in die Werbung per eMail eingewilligt hatte. Zulässig sollte auch ein Hinweis auf ergänzende Leistungen oder ähnliche Produkte in Bestell- oder Versandbestätigungen oder anderen Transaktions-eMails sein. Der Hinweis: „Kunden, die dieses Produkt kauften, interessierten sich auch für …“ wäre danach also auch in eMails einwilligungsfrei möglich. Auch die automatische Ergänzung einer Nachricht um die Information, dass die eMail durch einen bestimmten Virenscanner auf Schadsoftware geprüft worden sei, war nach dieser Auffassung zulässig.

In diesen Konstellationen ergab sich die Zulässigkeit also stets daraus, dass die eMail als solche zulässig war. Zudem fehlte es an einem der wesentlichen Aspekte für die Unzumutbarkeit der Werbe-eMail – der Zeitaufwand für das Aussortieren und Löschen von Spam kann bei zulässigen eMails, denen Werbung bloß untergeordnet beigefügt ist, nicht entstehen.

5. BGH-Entscheidung vom 10. Juli 2018

Der eben skizzierten Auffassung, die auch die Instanzgerichte vertreten hatten, ist der BGH in einem nun veröffentlichten Urteil vom 10. Juli 2018 auf breiter Front entgegengetreten:

Der Bundesgerichtshof hat vielmehr entschieden, dass die in einer Rechnungs-eMail enthaltene Bitte, den Service eines Online-Shops zu bewerten, eine verbotene Zusendung von Werbung darstellt, die dem Empfänger einen Unterlassungsanspruch gibt.

Eine Einwilligung des Adressaten lag im zu entscheidenden Fall nicht vor. Aber auch im Rahmen der dann gebotenen Abwägung bestehe – so der Senat – keine Veranlassung, die vom Adressaten beanstandete Kundenzufriedenheitsanfrage ausnahmsweise als zulässig anzusehen.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiege das Interesse des Adressaten gegenüber dem Interesse des Unternehmens, seinem eMail-Schreiben mit der Übersendung der Rechnung werbende Zusätze in Form einer Kundenzufriedenheitsanfrage hinzuzufügen. Dabei sei einerseits zwar zu berücksichtigen, dass die unerwünschte Werbung die Interessen des Adressaten nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigte, zumal er die Kundenzufriedenheitsanfrage einfach ignorieren konnte. Andererseits sei das Hinzufügen von Werbung zu einer im Übrigen zulässigen eMail-Nachricht auch keine solche Bagatelle, dass eine Belästigung des Nutzers in seiner Privatsphäre ausgeschlossen wäre. Er müsse sich mit der Kundenzufriedenheitsanfrage zumindest gedanklich beschäftigen.

Zwar möge sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen eMail in Grenzen halten. Mit der häufigen Verwendung von Werbezusätzen sei aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner eMails mit solchen Zusätzen zulässig wäre. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit arbeitssparende Versendungsmöglichkeit und ihrer günstigen Werbewirkung sei, so der BGH weiter – mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu. Eine bei isolierter Betrachtung unerhebliche Belästigung könne Mitbewerber zur Nachahmung veranlassen, wobei durch diesen Summeneffekt eine erhebliche Belästigung entstehen könne. Entscheidend sei aber, dass es dem Verwender einer eMail-Adresse zu Werbezwecken nach Abschluss einer Verkaufstransaktion zumutbar sei, diesem – wie es die Vorschrift des § 7 Abs. 3 UWG verlange – die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner eMail-Adresse zum Zwecke der Werbung zu widersprechen, bevor er auf diese Art mit Werbung in die Privatsphäre des Empfängers eindringe.

Der BGH geht in seiner Entscheidung weiter ausdrücklich auf die Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 3 UWG ein, im zu entscheidenden Fall mangelte es jedoch (wie so häufig) daran, „dass bereits bei der Erhebung der E-Mail-Adresse des Kunden (und bei jeder weiteren Verwendung) ein klarer und deutlicher Hinweis darauf erfolgt ist, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG).“

Den Unterlassungsanspruch des – nach dem UWG nicht anspruchsberechtigten – Verbrauchers stützt der BGH in seiner Entscheidung übrigens auf die Vorschriften der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, nimmt also einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht an. Damit ist das Tor zur Inanspruchnahme durch jeden Adressaten geöffnet.

6. Fazit

Jede Form von Zusatz zu einer eMail, der werbenden Charakter haben könnte, muss daher künftig sorgfältig auf seine Zulässigkeit geprüft werden. Nach dem Vorstehenden ist es kein allzu großes Geheimnis mehr, dass viele bislang übliche Zusätze künftig als unzumutbare Belästigung zu qualifizieren sein werden.

Für jeden Adressaten einer eMail Einwilligungen einzuholen oder aber danach zu differenzieren, ob sich um – mit dem erforderlichen Hinweis versorgte – Kunden handelt oder eben nicht, dürfte mit den gängigen eMail-Systemen kaum praktikabel sein. Diese Form des Online-Marketings sollte also generell auf den Prüfstand gestellt werden.

Axel Keller

Axel Keller
Rechtsanwalt in Rostock
Tel.: +49 381 12 88 49 0