1. Februar 2022

Freiwilliges Antragsverfahren für eine vereinfachte Betriebsprüfung

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Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) hat am 1. Dezember 2021 der Bundesregierung einen Vorschlag zu einem freiwilligen Antragsverfahren für eine vereinfachte Betriebsprüfung gemacht. Diese Handhabung soll zu einer erheblichen Verbesserung des Status quo beitragen. Kernelement dieses Vorschlags ist die Implementierung eines wirksamen und angemessenen Tax Compliance Management Systems (TCMS). Was hinter dem Vorschlag der Kammer steckt und welche Möglichkeiten eine vereinfachte Betriebsprüfung bietet, erfahren Sie hier.

Zum Thema Tax Compliance Management System bzw. zum Compliance-Thema allgemein hatten wir Sie zuletzt am 26. Januar 2022 in einem Blog-Beitrag informiert:

In diesem Beitrag geht es nun um die Vertiefung des Vorschlags hin zu einer vereinfachten Betriebsprüfung.

Ziele der vereinfachten Betriebsprüfung

Die vereinfachte Betriebsprüfung hat ein kooperatives Verfahren zwischen den Unternehmen und den Finanzverwaltungen zum Ziel.

„Grundsätzlich ist der Prozess hin zu mehr Kooperation von Steuerpflichtigen und deren Beratern mit der Finanzverwaltung zu begrüßen“, heißt es im Vorschlag der Kammer.

„Ein auf Kooperation statt Konfrontation ausgerichtetes Besteuerungsverfahren bzw. ein streitvermeidender Steuervollzug hat das Potential zu einer nachhaltigen Verbesserung des Verhältnisses der beteiligten Akteure. Die Unternehmen verfügen über eine erhöhte Steuerplanungssicherheit unter Reduzierung staatlicher Eingriffsintensität. Außenprüfungen werden zudem weniger streitanfällig, was zu einer Entlastung (…) führt.“

Voraussetzung ist natürlich, dass es entsprechende Standards gibt, an denen sich die Einrichtung eines TCMS auszurichten hat. Dieses muss so zielführend ausgestaltet sein, dass steuerpflichtige Unternehmen aller Größenklassen die Anforderungen auch realistisch umsetzen und damit von den Rechtsfolgen profitieren können.

Ein Tax Compliance Management System braucht Standards

Die Einhaltung dieser Standards müssen Sie plausibel darlegen können. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) schlägt vor, dass jedes implementierte TCMS vor der Antragstellung von einer Person, die Steuerberatung im Sinne des § 3 StBerG ausüben darf, erstellt oder geprüft werden muss.

Vereinfachte Betriebsprüfung: Diese Vorschläge macht die Bundessteuerberaterkammer

Die Kammer regt Prüfungserleichterungen an, wenn freiwillig ein gesetzlich normierter Antrag freiwillig gestellt wird. Dieser bedingt die Implementierung eines TCMS.

Die Standards bei der TCMS-Implementierung dürfen nicht überbordend sein. Erforderlich ist ein abgestuftes System an Standards und Maßnahmen, abhängig von der Unternehmensgröße. Die Vorgaben sollten für Unternehmen jeder Größe handelbar sein, weil nur dann alle steuerpflichtigen Unternehmen von den normierten Erleichterungen partizipieren.

Tax Compliance Management Systeme sind die Basis für einen Kulturwandel im Steuervollzug

In der Praxis erhalten Finanzämter im Rahmen des Antragsverfahrens Zugang zu einem geprüften und den Standards entsprechenden TCMS. Dieser unternehmerische Vertrauensvorschuss ist die Grundlage einer vereinfachten Betriebsprüfung.

Hat das Finanzamt Anlass zur Beanstandung eines TCMS, muss das Ziel in der Optimierung liegen. Wörtlich heißt es im Vorschlag der Kammer:

„Die Finanzverwaltung muss konkrete Verbesserungen anregen und den Prozess der Anpassung konstruktiv begleiten.“

Die Prüfung des TCMS braucht ein per Rechtsverordnung geregeltes Verfahren

Die konkreten noch zu entwickelnden Verfahren sollen in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Bestehende Rechtsverordnungen sind zum Beispiel die Durchführungsverordnungen zu den einzelnen Steuergesetzen, so zum Beispiel die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Vorteil gegenüber einer gesetzlichen Regelung ist, dass Rechtsverordnungen flexibel durch die Exekutive, also der Bundesregierung, angepasst werden können. Obwohl eine Rechtsverordnung nicht in einem „normalen“ Gesetzgebungsverfahren erlassen wird, ist sie dennoch verbindliches Recht. Während ein Gesetzgebungsverfahren meist relativ langwierig ist, können Verordnungen schneller erlassen und geändert werden. Damit könnte einer Dynamik in der Entwicklung und Anpassung eines TCMS-Standards Rechnung getragen werden.

Vereinfachte Betriebsprüfung dank Tax Compliance Management System: Diese Vorteile können Unternehmen haben

Es ist zu erwarten, dass die Prüfungen an sich weniger zeitaufwändig werden, also nicht mehr so lange dauern. Die Betriebsprüfer:innen dürften sich als Folge weniger lange im Unternehmen aufhalten und mit der Bearbeitung des Prüfungsberichts beschäftigt sein. So werden die Unternehmen an sich entlastet, aber auch wir als Steuerberater:innen werden weniger Aufwand mit den Betriebsprüfungen haben.

Systemprüfungen

Aufgrund des Digitalisierungswandels im Rechnungswesen und bei Prüfungen dieses Rechnungswesens geht seit Jahren der Trend hin zu einer sogenannten Systemprüfung anstelle einer Einzelfallprüfung oder einer vollumfänglichen Belegprüfung. Es wird nicht mehr jeder einzelne Beleg geprüft, sondern die Prüfer:innen machen sich ein Bild über die Prozesse und Strukturen, bilden Risikogebiete, machen Plausibilitätschecks und wenden den risikoorientierten Prüfungsansatz an.

Aus diesen Gründen ist, so die Bundessteuerberaterkammer, von einer weiteren Verbreitung der TCMS bis hin zu einer künftigen Verpflichtung zur Implementierung solcher Systeme auszugehen.

Konsequente Bildung von Prüfungsschwerpunkten

Prüfungsschwerpunkte im Rahmen des risikoorientierten Prüfungsansatzes können von Prüfer:innen gesetzt werden. Im Rahmen einer Vorprüfung werden diese gebildet, z.B. anhand Unternehmensgröße und -struktur, anhand der Branche, anhand des örtlichen Sitzes und der örtlichen Gegebenheiten oder auch anhand der Erfahrungen von vorherigen Prüfungen sowie des einzelnen individuellen Steuerfalls. Hier bietet ein standardisiertes und funktionierendes TCMS natürlich gute Möglichkeiten, um notwendige Einschätzungen vorzunehmen und die Prüfungsschwerpunkte sogar zu minimieren.

Zeitnahe Betriebsprüfungen

Steuerliche Betriebsprüfungen erstrecken sich in der Regel auf drei Veranlagungsjahre (ggf. auch einmal mehr Zeiträume). Dabei werden oftmals weit zurückliegende Zeiträume geprüft. Also handelt es sich meisten um eine große Rückschau. Ziel der zeitnahen Betriebsprüfung ist es nun, erstens einen Prüfungshorizont von ein bis zwei Veranlagungsjahren anzustreben und zweitens eine Verkürzung der Prüfungsdauer zu erreichen. Dazu ist es dringend notwendig, die Prüfungszeiträume sehr nah an den aktuellen Veranlagungszeitraum anzubinden. Diese Vorgehensweise setzt dann eine verstärkte Kooperation zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung, auch im Veranlagungsverfahren, voraus. Ein wirksames TCMS könnte bei der Einführung zeitnaher Betriebsprüfungen selbstverständlich sehr helfen.

Enthaftung der Geschäftsführung

Falsch deklarierte Steuern werden dann im Zweifel bei Vorliegen eines funktionierenden TCMS nicht mehr der Geschäftsführung angelastet, da es sich nicht mehr um ein Organisationsverschulden handelt, sondern „nur“ um einen „Arbeitsfehler“. Das würde eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat ausschließen können. Aber es können zum Beispiel insbesondere Fremdgeschäftsführer:innen auch haftungstechnische Risiken minimieren, die gegenüber den Gesellschafter:innen entstehen könnten.

Vorteile bei der Kreditvergabe

Die Palette der Vorteile ist sicherlich hier auch noch nicht zu Ende gedacht. Man könnte sich auch vorstellen, dass ein funktionierendes TCMS sich auch bei Kreditvergaben vorteilhaft auswirken könnten. Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Institutionen (z.B. Finanzinstitute, Versicherungen) das Vorhandensein eines standardisierten TCMS in irgendeiner Art und Weise „honorieren“ werden.

Unsere Einschätzung

Wir als ECOVIS NRW bieten an, mit Ihnen ein TCMS zu entwickeln und zu implementieren oder aber ein bereits von Ihnen selbst implementiertes TCMS zu prüfen. Die notwendige Expertise ist vorhanden. Sie können das unserem Leistungsspektrum entnehmen.

Das Thema Betriebsprüfung ist auch ein Thema im neuen Koalitionsvertrag zwischen SPD/Grüne/FDP. Dort heißt es dazu:

„Im Bereich der Unternehmensbesteuerung ist es uns ein Anliegen, die Steuerprüfung zu modernisieren und zu beschleunigen. Dafür setzen wir uns insbesondere für verbesserte Schnittstellen, Standardisierung und den sinnvollen Einsatz neuer Technologien ein. Zur Sicherung der Anschlussfähigkeit der Steuerverwaltung an den digitalen Wandel und für eine spürbare Verringerung der Steuerbürokratie wird eine zentrale Organisationseinheit auf Bundesebene eingerichtet.“

Vielleicht kann der Ansatz der Bundessteuerberaterkammer einen Teil zur Modernisierung und Vereinfachung beitragen.

Wir werden Sie zu diesem Thema gerne auf dem Laufenden halten. Neue Entwicklungen erfahren Sie hier in unserem Blog. Haben Sie noch Fragen oder gar Anmerkungen? Sprechen Sie uns gerne an.

Lars Rinkewitz

Prokurist, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

Expert:innen zu diesem Thema

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