3. September 2020

Unternehmen in Schwierigkeiten: die Antwort der KfW

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Wir hatten bereits mehrfach über die Problematik der Begriffsdefinition und der Auslegung von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ geschrieben. Den ersten Beitrag dazu hatten wir am 24.04.2020 veröffentlicht und ihn aufgrund neuerer Erkenntnisse am 12.08.2020 upgedatet. In der Fassung vom 12. August hatten wir Sie auf die geänderte Definition der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufmerksam gemacht und angekündigt, dass wir aufgrund einer differierenden Meinung Kontakt mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und der KfW aufnehmen werden. Jetzt sind die Antworten gekommen. Am 20.08.2020 hatten wir Sie auf Ausnahmeregelungen im Zuge der Überbrückungshilfe hingewiesen.

Unternehmen in Schwierigkeiten: Die Antwort der KfW – Nachrangdarlehen nicht eigenkapitalersetzend

Problem ist, dass nach der neuen Auffassung der KfW Nachrangdarlehen stets als nicht eigenkapitalersetzend gelten. Das bedeutet, dass diese Nachrangdarlehen, also z.B. auch Gesellschafterdarlehen mit einem qualifizierten Rangrücktritt, nicht ein etwaiges hälftiges Aufzehren des Eigenkapitals verhindern können. Denn wenn die Hälfte des Eigenkapitals aufgezehrt ist, befindet sich das Unternehmen per Definition in Schwierigkeiten und kann keine Förderprogramme (Überbrückungshilfe, Soforthilfe, KfW-Kredite etc.) in Anspruch nehmen.

Wir haben wie versprochen Anfragen beim BMWi im Rahmen der Fragen zur Überbrückungshilfe sowie bei der KfW gestellt. Vom BMWi wurden wir an die KfW verwiesen. Eine gesonderte Antwort haben wir nicht erhalten.

Die KfW hat uns zunächst mitgeteilt, dass das von ihr ausgegebene „Merkblatt Unternehmen in Schwierigkeiten“ keine eigene Interpretation der KfW darstelle. Hintergrund: Die Ausführungen auf dem Merkblatt aus 07/2020 beinhalten erstmals den Ausschluss der Nachrangdarlehen. Die KfW sei in dieser Angelegenheit in enger Abstimmung mit dem Beihilfekontrollrat des BMWi gewesen. Darüber hinaus sei die dargelegte Auffassung mit der EU-Kommission abgestimmt.

Unternehmen in Schwierigkeiten: die Antwort der KfW – die Ausführungen der EU-Kommission

Da die EU-Kommission anordnen würde, rechtswidrig gewährte Beihilfen als nichtig einzustufen und deren Rückabwicklung zu gewährleisten, habe sich die KfW ganz eng an die strengen Vorgaben der EU-Kommission zu orientieren. Die Kommission sehe ganz eindeutig Nachrangdarlehen als Fremdkapital an, daher gebe es auch für Deutschland keinen Interpretationsspielraum. Leider habe sich die EU-Kommission in diesem Punkt als sehr wenig zugänglich gezeigt, denn es habe Bestrebungen aus Deutschland gegeben, diese Sichtweise nicht festzuschreiben.

Auszug aus den Ausführungen der EU-Kommission:

„Gemäß Artikel 2(18) a) und b) der AGVO ist ein Unternehmen in Schwierigkeiten, „wenn sich nach Abzug der aufgelaufenen Verluste von den Rücklagen (und allen sonstigen Elementen, die im Allgemeinen den Eigenmitteln des Unternehmens zugerechnet werden)

ein negativer kumulativer Betrag ergibt, der mehr als der Hälfte des gezeichneten Stammkapitals entspricht“.

Nachrangdarlehen, ob von Gesellschaftern oder Dritten gewährt, stellen eine – oftmals unter Aufschlag von Zinsen – zurückzuzahlende Verpflichtung dar und werden daher generell nicht als Eigenmittel eines Unternehmens angesehen. Gemäß internationalen

Rechnungslegungsstandards (IAS 32) ist ein Finanzinstrument, das den Emittenten vertraglich zur Abgabe von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten an den Inhaber des Instruments verpflichtet, eine Verbindlichkeit. Eine Ausnahme besteht,

wenn die Verpflichtung nur im Fall der Liquidierung entsteht. Diese Ausnahme des IAS 32 trifft auf Nachrangdarlehen nicht zu, da die Rückzahlungsverpflichtung nicht ausschließlich im Fall der Liquidierung des Unternehmens entsteht – Nachrangdarlehen müssen aus künftigen Gewinnen getilgt werden. Darüber hinaus erkennen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung des deutschen Handelsgesetzbuches Nachrangdarlehen als Verbindlichkeiten an.

Das Urteil des Bundesfinanzgerichtshofs vom 15.4.2015, auf das sich Deutschland bezieht, betrachtet die Einstufung von Nachrangdarlehen vom Gesichtspunkt der Körperschaftssteuergrundlage. Es kam zum Schluss, dass Nachrangdarlehen, deren Rückzahlung solange ausgesetzt ist, bis das Unternehmen einen Gewinn erwirtschaftet, dem Passivierungsverbot unterliegen, d.h. nicht als Verbindlichkeit in der steuerrechtlichen Bilanz ausgewiesen, und folglich die gestundeten Zinsen auch nicht zur Senkung der Besteuerungsgrundlage herangezogen werden können. Dieses Urteil stellt auf die Behandlung von Nachrangdarlehen unter dem Gesichtspunkt des deutschen Körperschaftssteuerrechts ab. Es ist verständlich, dass Nachrangdarlehen, deren Rückzahlung bis zur Erwirtschaftung von Gewinnen gestundet ist, für Steuerzwecke nicht berücksichtigt werden. Das tut jedoch der Gültigkeit der Rückzahlungsverpflichtung unter dem Gesichtspunkt der Rechnungslegung keinen Abbruch, andernfalls sollte das Finanzinstrument als Gesellschaftereinlage und nicht als Darlehen behandelt werden.

Zur Bestimmung ob ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist, sollte, aus Sicht der Kommissionsdienststellen, sein Bucheigenkapitalwert gemäß den anwendbaren Rechnungslegungsgrundsätzen herangezogen werden. Diese Grundsätze belegen, dass nachrangige Verbindlichkeiten nicht als Eigenkapital ausgewiesen werden können.

Nachrangdarlehen können daher nicht als Eigenkapital im Sinn von Artikel 2(18) a) und b) AGVO angesehen werden.“

Unternehmen in Schwierigkeiten: die Antwort der KfW – unsere Einschätzung:

Nach wie vor halten wir diese Auffassung für falsch. Unserer Meinung nach müssten Gesellschafterdarlehen mit einem qualifizierten Rangrücktritt wie Eigenkapital anzusehen sein. Insbesondere im Rahmen der Prüfung eines Überschuldungstatbestandes sind diese Nachrangdarlehen geeignet, eine bilanzielle Überschuldung zu beseitigen. Diese Sichtweise entspricht seit Jahrzehnten höchstrichterlicher Rechtsprechung und ist im Insolvenzrecht damit gängige Praxis. Demzufolge sollten diese Maßstäbe auch bei der Betrachtung von Nachrangdarlehen im Rahmen der Frage „Unternehmen in Schwierigkeiten” gelten.

Leider stehen wir nun vor dem Problem, dass die Auffassungen der KfW sowie der EU-Kommission eindeutig abweichend sind. Sollte diese Frage bei der Beantragung von Fördermitteln existenziell sein, empfehlen wir eine direkte Klärung des individuellen Sachverhalts mit uns. Gegebenenfalls bietet es sich an, diese Darlehen durch Gesellschafterbeschluss in Eigenkapital umzuwandeln. Hierdurch können aber steuerlich ungünstige Folgen entstehen, weswegen ein solches Vorgehen immer eine Einzelfallfrage und -abstimmung ist. Eine gerichtliche Klärung wird kaum erfolgen. Denn: die Unternehmen, die solche Hilfskredite beantragen, nicht die Zeit für einen langen gerichtlichen Instanzenzug haben.

 

 

Lars Rinkewitz

Prokurist, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

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