Scheinselbstständig oder tatsächlich selbstständig? – die gelebte Beziehung entscheidet

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Nachdem die Entscheidung des BSG zu den Honorarärzten oder auch die hier behandelte Entscheidung zu Amateurfußballern (https://www.ecovis.com/wirtschaftsstrafrecht/was-haben-honoraraerzte-und-amateurfussballer-gemeinsam/) hohe Wellen geschlagen haben, kann erfreulicherweise festgestellt werden, dass der BGH dennoch selbstständige Tätigkeiten weiterhin erlaubt. Entscheidend für die Abgrenzung von unselbstständiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit sind die tatsächlichen Gegebenheiten der gelebten Beziehung, welche einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind (BGH, Urteil vom 18.07.2019, 5 StR 649/18).

Der Entscheidung zugrunde lagen diverse selbstständige Kurierfahrer. Nach der Entscheidung zu den Honorarärzten stand eigentlich zu erwarten, dass der BGH auch die Kurierfahrer als zwingend angestellte Arbeitnehmer einstuft. Umso mehr erstaunt die nun ergangene Entscheidung.

Bei einer Gesamtschau aller maßgeblichen Abgrenzungskriterien wurden die Indizien für die Selbstständigkeit dieser Kurierfahrer als überwiegend angesehen. Wichtige Punkte für diese Entscheidung waren:

  • sehr geringe Integration in den Geschäftsablauf des Betriebes;
  • die Kurierfahrer konnten zu einem frei wählbaren Zeitpunkt die Pakete abholen;
  • es wurden keine konkreten Weisungen hinsichtlich der Fahrtroute gegeben;
  • es war keine höchstpersönliche Erbringung der Fahrten geschuldet, eine Delegation war möglich;
  • es waren keine festen Arbeitszeiten vorgegeben;
  • das Erfolgsrisiko der Zustellung sei von den Kurierfahrern zu tragen gewesen;
  • die Vergütung sei ausschließlich erfolgsabhängig gewesen und unterlag erheblichen Schwankungen;
  • im vorliegenden Fall wurden die Kurierfahrer nicht in Vollzeit tätig, es blieb Zeit für andere Aufträge und freie Zeitgestaltung.

Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass die Notwendigkeit von Auslieferungen bis zu einer bestimmten Uhrzeit für Transportdienstleistungen typisch sei und daher nicht als Indiz für eine nicht selbstständige Tätigkeit geeignet sei.

Diese Entscheidung macht deutlich, dass nicht zwingend jede Tätigkeit, die auf den allerersten Blick als Tätigkeit erscheint, die nur in Anstellung ausgeübt werden kann, auch eine solche darstellt.

Wichtig ist und bleibt eine Gesamtwertung aller Indizien. Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht empfiehlt sich hier vor Beginn der Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren. Auf diese Weise können offene Fragen bereits im Vorfeld geklärt werden. In Fällen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren ist es wichtig, die tatsächlichen Gegebenheiten des Vertragsverhältnisses herauszuarbeiten und den Ermittlungsbehörden verständlich darzustellen.

Die Strafverteidiger bei Ecovis helfen hier gerne.

Rechtsanwältin in Würzburg und München, Dr. Janika Sievert
Dr. Janika Sievert
Rechtsanwältin in Würzburg und München, Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht
Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Medizinstrafrecht
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Rechtsanwältin in Landshut, Adelheid Holme
Adelheid Holme
Rechtsanwältin in Landshut
Sozialversicherungsrecht
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