Briefkastenfirmen als besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung

5 min.

Gut 1,5 Jahre nach Veröffentlichung der „Panama Papers“ hat der Gesetzgeber reagiert und am 24.06.2017 mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (StUmgBG) ein neues Regelbeispiel zu Briefkastenfirmen eingeführt. In dem jetzigen § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO wird jetzt geregelt, dass ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung nun auch vorliegt, wenn eine sog. Drittstaatengesellschaft zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen genutzt wird.
Diese Drittstaatengesellschaften des Regelbeispiels werden im ebenfalls neu gefassten § 138 Abs. 3 AO definiert als „eine Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territorien, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind“. Durch die Legaldefinition werden Briefkastenfirmen etwa in Liechtenstein oder derzeit auch noch die zum britischen Überseegebiet zählenden Britischen Jungferninseln nicht von der Änderung umfasst, obwohl diese Länder bekanntermaßen zu den Steuer-Oasen zählen.
Auf diese Drittstaatengesellschaft muss der Steuerpflichtige alleine oder zusammen mit sogenannten nahe stehenden Personen unmittelbar oder auch nur mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss, unabhängig von etwaigen anderslautenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen, ausüben. Dieser Einfluss ist auch dann anzunehmen, wenn andere Personen, wie etwa Treuhänder oder Verwalter, formell zwar benannt, jedoch ohne wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten versehen wurden. Da zudem ein bloß mittelbarer beherrschender oder bestimmender Einfluss laut Gesetzesänderung ausreicht und es völlig ausreichend ist, dass dieser Einfluss ausgeübt werden „kann“ und nicht „muss“, ist der Anwendungsbereich des neuen Regelbeispiels sehr weit gefasst und wird künftig wohl häufiger zur Anwendung gelangen. Die zur Gründung einer Briefkastengesellschaft oftmals aufwändig und beratungsintensiv gestalteten Statuten und andere gesellschaftsrechtliche Verträge werden durch diese weit gefasste Neuregelung ausgehebelt und steuerlich betrachtet belanglos.
Auch der verwendete Begriff der Verschleierung ist ein sehr weit gefasstes Merkmal. Mit der Gründung ausländischer, wirtschaftlich ansonsten nicht aktiver Gesellschaften mit Statuten, die nicht dem deutschen Recht entsprechen, liegt eine Verschleierungshandlung sehr schnell vor. Das neue Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO fordert zudem eine fortgesetzte Steuerhinterziehung und damit eine wiederholte Tatbegehung. In Anlehnung an das Regelbeispiel in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO wird daher der Täter mindestens zwei Steuerhinterziehungen unter Einbeziehung einer Briefkastenfirma begangen haben müssen, bevor für die dritte Tat der erhöhte Strafrahmen Anwendung findet. Die Strafschärfung wirkt erstmals ab dem dritten Fall. Für die ersten beiden Taten findet rückwirkend keine Strafschärfung statt, jedoch wird dieser Umstand im Rahmen einer Strafzumessung durchaus Beachtung finden.
Zur Anwendung kommt das neue Regelbeispiel für Taten ab dem 25.06.2017. Damit sind jedoch so genannte Altfälle noch lange nicht vom Tisch. Denn eine wichtige Änderung für noch existierende und bislang nicht offene gelegte Briefkastenfirmen ist mit Art. 32 Abs. 2 EGAO eingeführt worden. Demnach haben Steuerpflichtige gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO in der geänderten Fassung auch Sachverhalte betreffend Drittstaat-Gesellschaften in der Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2018 gegenüber dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen, wenn der beherrschende oder bestimmende Einfluss – unabhängig von irgendwelchen wirtschaftlichen Aktivitäten oder erzielten Erträgen – auf diese Gesellschaft am 01.01.2018 noch fortbesteht. Auf diese Weise können auch Altsachverhalte, die vielleicht aus Sicht des Steuerpflichtigen als irrelevant eingestuft werden, in den Blick der Steuerbehörden geraten. Bei Nichtmeldung beginnt auch die steuerliche Festsetzungsverjährung nicht. Daher sollte auch in diesen Fällen über die Abgabe einer Selbstanzeige nachgedacht werden, auch wenn diese ggf. in Fällen, in denen die Tat bereits entdeckt wurde, nur noch strafmildernd und nicht mehr strafbefreiend wirken kann. 
Denn durch die Einführung des neuen Regelbeispiels wurde auch der Sperrtatbestand bei den Selbstanzeigen entsprechend erweitert, vgl  § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO. Strafbefreiende Selbstanzeigen sind nun bei Steuerhinterziehung mittels einer Drittstaatengesellschaft, also auch bei Gründung einer Briefkastenfirma, gesetzlich nicht mehr möglich. Ein Absehen von Verfolgung kann nur mittels Strafzuschlag in Höhe von mindestens 10% der verkürzten Steuern nach § 398 a AO erfolgen.
Auch die Verjährungsregelungen wurden geändert. Die strafrechtliche Verjährung gemäß § 376 Abs. 1 AO beträgt nun bei Steuerhinterziehung mittels Drittstaatengesellschaften wie bei allen anderen schweren Fällen auch zehn Jahre.
Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des BGH (zuletzt etwa BGH, 1 StR 172/16, 26.10.2016, insb. Rz. 22) zu verweisen. Damit gilt die verlängerte Verjährungsfrist auch für alle bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen. Die 10-jährige Verjährungsfrist kommt daher auch zur Anwendung, wenn die Tat zum Zeitpunkt der Begehung kein Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 AO erfüllt hat, nach der Gesetzesänderung aber einem Regelbeispiel unterfällt und die Tat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung noch nicht verjährt war.
Nicht nur aufgrund der Meldepflichten zum 01.01.2018 bei noch existierenden Drittstaaten-gesellschaften ist eine steuerliche Selbstanzeige bei ausländischen Briefkastenfirmen dringend zu überlegen. Nur so besteht überhaupt noch eine Chance, in den Genuss einer Strafbefreiung zu kommen oder zumindest über den § 398a AO die Strafbefreiung durch Zahlung der Strafzuschläge zu erlangen. Andernfalls drohen nun, da die Steuerhinterziehung durch Errichtung einer Briefkastengesellschaft als Regelbeispiel normiert wurde, Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.