Aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts – strafrechtliche Folgen und sozialversicherungsrechtliche Hausaufgaben für Arbeitgeber

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Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 05.06.2019 (Az. B 12 R 11/18 R als Leitfall) eine wichtige Entscheidung zur Problematik selbstständiger Mitarbeiter im Gesundheitswesen getroffen. In diesem Fall ging es speziell um selbstständige Honorarärzte im Krankenhaus.
Das BSG hat hier leider entschieden, dass Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen sind, sondern als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Das Gericht führte in der Begründung unter anderem aus, dass bei einer Tätigkeit als Arzt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht von vornherein wegen der besonderen Qualität der ärztlichen Heilkunde als Dienst „höherer Art“ ausgeschlossen sei. Entscheidend sei, ob die Betroffenen weisungsgebunden, beziehungsweise in eine Arbeitsorganisation eingegliedert sind. Letzteres sei bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig gegeben, weil dort ein hoher Grad der Organisation herrscht, auf die die Betroffenen keinen eigenen, unternehmerischen Einfluss haben. So seien etwa Anästhesisten – wie die Ärztin im zu entscheidenden Fall – bei einer Operation in der Regel Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten muss. Auch die Tätigkeit als Stationsarzt setze nach Ansicht des BSG regelmäßig voraus, dass sich die Betroffenen in die vorgegebenen Strukturen und Abläufe einfügen. Im zu entscheidenden Fall war die Ärztin wiederholt im Tag- und Bereitschaftsdienst und überwiegend im OP tätig.
Hinzu kam aus Sicht des Gerichts, dass Honorarärzte ganz überwiegend personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit nutzen. So war die Ärztin hier nicht anders als beim Krankenhaus angestellte Ärzte vollständig eingegliedert in den Betriebsablauf. Unternehmerische Entscheidungsspielräume sind bei einer Tätigkeit als Honorararzt im Krankenhaus regelmäßig nicht gegeben. Die Honorarhöhe war aus Sicht des Bundessozialgerichts nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien und vorliegend nicht ausschlaggebend.
Das Bundessozialgericht hat zudem darauf hingewiesen, dass ein auch etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht habe. Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können nach Ansicht des Gerichts nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen.
Aus Folge dieser Entscheidung sind aus unserer Sicht verstärkt Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB gegen die Krankenhäuser, in denen die vermeintlich selbstständigen Honorarärzte tätig sind oder waren, zu erwarten. Eine Selbstanzeige des Arbeitgebers – wie etwa in Fällen der Nichtabführung von Lohnsteuer möglich – ist hier nicht möglich; auch freiwillige Meldungen solcher Fälle werden erfahrungsgemäß zur Einleitung eines Strafverfahrens führen. Aus strafrechtlicher Sicht gilt es daher, diese Fälle und mögliche Handlungsalternativen gut zu überdenken. Auch auf etwaige Durchsuchungen sollten die Arbeitgeber vorbereitet sein (Link zum Flyer; Tipps und Verhaltensempfehlungen finden Sie hier).
Aus sozialversicherungsrechtlicher Pflicht empfiehlt sich nun bei jeder Tätigkeit eines Honorararztes ein Statusfeststellungsverfahren. Auch hier helfen unser Spezialisten in diesem Bereich gerne weiter.
Weitere Entscheidungen des BSG zu diesem Thema sind in Kürze zu erwarten. Neuigkeiten finden Sie natürlich auf unserer Homepage!
 
Dr. Janika Sievert (Landshut), Thomas Müller (München), Adelheid Holme (Landshut)
Marcus Bodem, Steffen Lask (Berlin)

Rechtsanwältin in Würzburg und München, Dr. Janika Sievert
Dr. Janika Sievert
Rechtsanwältin in Würzburg und München, Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht
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Marcus Bodem (Gastautor)
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Hon.-Prof. Dr. Steffen Lask (Gastautor)
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