Reform des Insolvenzrechts: Chancen für den Mittelstand?

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Eine erste Zwischenbilanz der vom Gesetzgeber beabsichtigten verbesserten Sanierung von Unternehmen fällt wenig positiv aus.
Mit dem im März 2013 in Kraft getretenen „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)“ sollte das Insolvenzrecht in Deutschland in wesentlichen Teilen reformiert und die Sanierung von Unternehmen erleichtert werden. Der Gesetzgeber wollte gerade mittelständischen Unternehmen – nach wie vor das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – überschaubare rechtliche Regeln an die Hand geben, die eine leichtere und effizientere Sanierung ermöglichen. Dazu sollten Erfahrungen aus anderen nationalen Rechtsordnungen aufgegriffen und in das deutsche Insolvenzrecht übernommen werden.
Doch eine erste Zwischenbilanz fällt eher bescheiden aus. Denn viele Praktiker beklagen das nach wie vor viel zu komplizierte rechtliche Regelungssystem und die enge Einbindung des neuen Sanierungsrechts in das Insolvenzrecht. Ein Blick auf die besonders für mittelständische Unternehmen maßgeblichen vier gesetzlichen Neuregelungen bestätigt die Kritiker der Insolvenzrechtsreform leider in hohem Maße. Diese vier Neuregelungen sind der vorläufige Gläubigerausschuss, die Eigenverwaltung, das Schutzschirmverfahren sowie Transparenz und Gläubigerautonomie.
Die Einbeziehung der Gläubiger zu einem frühen Stadium des Insolvenzverfahrens war einer der wesentlichen Kritikpunkte, die vor der Insolvenzrechtsreform allseits geäußert wurden. Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen und die Möglichkeit geschaffen, schon unmittelbar nach Stellung des Insolvenzantrags einen vorläufigen Gläubigerausschuss zu bilden.
Vorläufiger Gläubigerausschuss
Ab einer bestimmten Größe ist ein solcher Ausschuss im Gesetz sogar zwingend vorgeschrieben. In der Praxis freilich scheitert die Bildung solcher Ausschüsse gerade bei mittelständischen Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten vielfach an dem Umstand, dass sich die Gläubigerschaft auf das neue Rechtsinstitut kaum einstellen konnte. Gerade Großbanken scheuen häufig das nicht unerhebliche Risiko der Mitarbeit in einem vorläufigen Gläubigerausschuss. Und Lieferanten sind auf die mit einer solchen Tätigkeit verbundenen Anforderungen in keiner Weise vorbereitet. Hier fehlt es an der notwendigen Fachkenntnis. Schließlich berichten Insolvenzrichter immer wieder über mangelhafte Vorbereitung der Insolvenzantragstellung durch die in der Sanierungsphase beauftragten Berater.
Die Erfahrungen mit den ersten größeren Verfahren nach der lnsolvenzrechtsreform haben gezeigt: Vor allem das Institut des vorläufigen Gläubigerausschusses kann nur dann seine gewünschte Wirkung erzielen, wenn bereits weit im Vorfeld der Insolvenzantragstellung die Frage der Besetzung des Ausschusses mit den Gläubigervertretern abgestimmt wird und die Gläubiger umfänglich über die Eckpunkte des Sanierungskonzepts informiert wurden. Die Gläubigerschaft wird sich nur dann bereit erklären, in dem vorläufigen Ausschuss mitzuwirken, wenn es dem Schuldner und nicht zuletzt den Beratern gelingt, im Vorfeld Vertrauen für das beabsichtigte Sanierungskonzept zu entwickeln. Zudem müssen die Gläubiger davon überzeugt werden, dass sie mit dem Sanierungskonzept ein wirtschaftlich interessanteres Ergebnis als im Regelinsolvenzverfahren erreichen können. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann der vorläufige Gläubigerausschuss ein geeignetes Instrumentarium sein, um insbesondere auch auf die Auswahl des Insolvenzverwalters Einfluss zu nehmen.
Auch hier ist es notwendig, dass im Vorfeld der Insolvenzantragstellung zwischen dem Schuldner, seinen Beratern und den Gläubigervertretern Einigkeit über die Person des Insolvenzverwalters und dessen Eignung für die Umsetzung des Sanierungskonzeptes erzielt wurde.
Mit der Stärkung des Rechtsinstituts der Eigenverwaltung sollten gerade die Inhaber mittelständischer eigener Unternehmen die Möglichkeit erhalten, trotz eines Insolvenzverfahrens nicht ihr gesamtes Vermögen zu verlieren, sondern selbst aktiv an der Sanierung ihrer Unternehmen mitzuwirken. Der Gesetzgeber hat sich dabei von der durchaus sinnvollen Überlegung leiten lassen, dass insbesondere dann, wenn die Ursachen der Krise in erheblichem Maße in externen Faktoren zu sehen sind, die Erfahrung und das Vertrauen, das die Führung mittelständischer Unternehmen genießt, auch in der Sanierung ein wertvolles Gut sein kann.
Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass die Unternehmensführung im Mittelstand häufig von der eigenen Belegschaft noch geschätzt wird, während sie bei Lieferanten und sonstigen Geschäftspartnern bereits im Vorfeld der Insolvenzantragstellung Vertrauen verspielt hat. Der Grund sind meist Forderungen, die nicht oder nur schleppend ausgeglichen wurden, oder Verträge, die infolge der Krise nicht mehr erfüllt werden konnten.
Eigenverwaltung
Die Eigenverwaltung als wirksames Instrument der Sanierung hat nur dann eine Chance, wenn die Sanierungsbemühungen bereits in einem frühen Krisenstadium einsetzen und betroffene Unternehmen sich schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der krisenhaften Entwicklung in die Hand professioneller Beratungsunternehmen begeben. Dann müssen sie auch rechtzeitig den sicherlich schweren Schritt der Insolvenzantragstellung gehen, sofern das Insolvenzverfahren die geeignete Form der Unternehmenssanierung darstellt. Ein Hinauszögern der Krise hat dabei nicht nur strafrechtliche Risiken für die Geschäftsleitung zur Folge, sondern verspielt häufig die mit der Eigenverwaltung eröffneten Chancen.