Prävention: Krisen früh erkennen – und handeln

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Mit der entsprechenden Portion Sensibilität, Konsequenz, richtigem Timing und passenden Instrumenten lassen sich Krisenherausforderungen gut bestehen.
Die Bewältigung einer Unternehmenskrise ist eine anspruchsvolle Aufgabe für den Geschäftsführer oder Inhaber eines Unternehmens und seine Berater. Von außen betrachtet erscheint eine Krise wie ein plötzliches Ereignis, ein Verkehrsunfall, der durch die Missachtung einer Vorfahrtsregel eintritt.
Natürlich kann es vorkommen, dass Unternehmen aufgrund von Einmalereignissen in Schwierigkeiten geraten oder sogar Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen müssen. Das ist möglicherweise der Fall, wenn sie unter einem „Klumpenproblem“ leiden, also beispielsweise von Aufträgen abhängig wurden, die im Verhältnis zum Unternehmen überproportional groß sind. Fallen dann diese Aufträge und damit Umsätze auf einmal weg oder kommen die Auftraggeber selbst in Schwierigkeiten, kann das Unternehmen seine bestehenden Forderungen nicht mehr einziehen, und mit der Liquidität ist es vorbei. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob diese Krise nun plötzlich aufgetreten oder nicht schon Ergebnis einer falschen Strategie ist.
Für viele Unternehmen in Turbulenzen kann die Liquiditätskrise das Ende markieren. So sehen es die meisten Autoren, die sich mit Krisenphänomenen befassen. In unserer Beratungspraxis bei Ecovis haben wir ähnliche Beobachtungen gemacht: Gerade kleinere und mittlere Unternehmen durchleben zwar sämtliche Phasen der Krise, können – oder wollen! – sie aber nicht als solche wahrnehmen.
Erst wenn sich die Symptome in mangelnder Liquidität niederschlagen, versuchen die Unternehmen, spürbar dagegen anzugehen. Leider sind die Gegenmaßnahmen häufig nicht zwingend auf die Ursachen gerichtet, sondern laborieren an den Symptomen. So begegnen sie dem Liquiditätsmangel mit den verschiedensten Maßnahmen wie zusätzlichen Bankverbindlichkeiten, Gesellschafterdarlehen oder Liquiditätsschöpfungsmaßnahmen. Im Ergebnis steigern sie die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, senken die Forderungen gegenüber Kunden und bauen den Materialbestand ab. Doch weder entspricht dies einer planvollen unternehmerischen Führung noch lässt sich damit die Krise tatsächlich bewältigen – auch wenn es natürlich richtig ist, die Handlungsfähigkeit mit Liquidität wiederherzustellen. Gegenmaßnahmen dürfen an dieser Stelle nicht stehen bleiben, etwa indem man auf die Hoffnung setzt, dass sich der Markt schon wieder positiv entwickeln wird.
Nehmen wir ein gut und umsichtig geführtes Unternehmen, das regelmäßig plant. Wenn es in seinen eigenen Monats- oder Quartalsberichten erkennt, dass es von dieser Unternehmensplanung signifikant abweicht, dann kann es genau diesen Abstand zwischen Plan und Ist schon als Krisensignal ansehen. Die Krise wäre hier definiert als ein Zustand, in dem das Unternehmen von seiner gewollten Entwicklung negativ abweicht und die selbst definierten Ziele unterschritten werden.
So ein Krisenbegriff steht natürlich konträr zu unserem üblichen Empfinden. Denn eine Krise wird meist als eine plötzlich eintretende Bedrohung verstanden. Doch sie kann auch als Warnsignal betrachtet werden. So könnte beispielsweise ein Marktführer seine bisherige Position verloren haben und im Lauf eines Geschäftsjahres nur noch Platz drei oder vier einnehmen. Dabei ist dieses Unternehmen immer noch weit genug von jeder existenziellen Krise durch diese neue Platzierung entfernt; es hat aber seine relative Wettbewerbsposition faktisch verschlechtert.
Dahinter steht ein positives Verständnis von Krise. Es führt zu einer stärkeren Sensibilität für Frühwarnsignale und zu einer größeren Bereitschaft für Prävention. Wenn ein Unternehmer nicht erst auf das konkrete Eintreten von Gefahr und Bedrohung wartet und auf Hoffnung setzt, sondern die Warnsignale als Anreiz für Gegenmaßnahmen aufnimmt, dann hat er schon den ersten Schritt zur erfolgreichen Krisenbewältigung getan.
Dazu muss die Unternehmensführung für entsprechende Strukturen und Abläufe sorgen, die eine aufkommende Krise frühzeitig ankündigen, und bei den Entscheidern dann geeignete Gegenmaßnahmen veranlassen.
Das Ergebnis ist klar: Zeitgewinn. Und genau darum geht es; denn Krisenbewältigung scheitert häufig an der noch zur Verfügung stehenden geringen Zeit und den inzwischen fortgeschrittenen Krisensymptomen. Wenn selbst die Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden die Abweichungen vom ursprünglichen Zielpfad des Unternehmens erkennen, besteht die Gefahr, dass die jeweils Besten aus diesen drei Bereichen sich von dem Unternehmen abwenden. In diesem Moment hat die Firma den Wettbewerb jedoch bereits verloren. Wird aber die Krise früh erkannt und reagiert der Betrieb rechtzeitig, steigen die Chancen, dass die Unternehmensführung ihre ursprünglichen Ziele doch erreicht, ganz erheblich.
Fazit
„Je planvoller die Unternehmensführung, desto eher wird eine Abweichung vom Zielpfad als frühes Signal zum Gegensteuern empfunden. Wer von einer Entwicklung nicht überrascht wird, hat immer genug Zeit zum Reagieren und verhindert, dass sich überhaupt eine Krise entwickeln kann.“
Autor: Dr. Holger Fischer, Mittelstandsberater bei ECOVIS Unternehmensberatung in Würzburg, holger.fischer@ecovis.com