CSDDD: EU-Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen ab 2027
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU bringt ab 2027 umfassende neue Pflichten im Bereich Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten mit sich. Viele Unternehmen sind unsicher, welche Anforderungen auf sie zukommen. Alexander Waschinger erläutert die wichtigsten Punkte und gibt praxisnahe Tipps zur Vorbereitung.
Hintergrund und Zeitplan
Die CSDDD wurde am 5. Juli 2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und trat am 25. Juli 2024 in Kraft. Sie muss bis zum 26. Juli 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden, was zu Änderungen am deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) führen wird. Die Anwendung der Richtlinie erfolgt in drei Stufen:
- Ab 26. Juli 2027: Für EU-Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz über 1,5 Milliarden Euro
- Ab 26. Juli 2028: Ausweitung auf Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und 900 Millionen Euro Nettoumsatz
- Ab 26. Juli 2029: Vollständige Anwendung auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Nettoumsatz
Wichtig: Auch Unternehmen, die nicht direkt unter den Anwendungsbereich fallen, könne indirekt betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette eines verpflichteten Unternehmens sind.
Kernpunkte der CSDDD im Detail
Die CSDDD verpflichtet Unternehmen zur Einführung umfassender Sorgfaltspflichten in den Bereichen Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette. Dies umfasst:
- Risikoanalyse: Unternehmen müssen tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt systematisch ermitteln und bewerten. Dies betrifft nicht nur die eigene Geschäftstätigkeit, sondern auch die von Tochterunternehmen und Geschäftspartnern in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette.
- Präventions- und Minderungsmaßnahmen: Basierend auf der Risikoanalyse müssen Unternehmen angemessene Maßnahmen ergreifen, um negative Auswirkungen zu verhindern oder zu minimieren. Dies kann die Anpassung von Geschäftspraktiken, die Entwicklung von Präventionsplänen oder die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern zur Verbesserung von Standards umfassen.
- Abhilfemaßnahmen: Wenn ein Unternehmen negative Auswirkungen verursacht oder dazu beigetragen hat, ist es verpflichtet, angemessene Abhilfe zu leisten. Dies kann finanzielle Entschädigung, Wiederherstellungsmaßnahmen oder andere Formen der Wiedergutmachung umfassen.
- Überwachung und Berichterstattung: Unternehmen müssen die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen regelmäßig überprüfen und darüber Bericht erstatten.
Klimaplan
Ein besonderer Fokus der CSDDD liegt auf dem Klimawandel. Unternehmen sind verpflichtet, einen detaillierten Plan zur Minderung der Klimaauswirkungen zu erstellen und umzusetzen. Dieser Plan muss:
- Sicherstellen, dass das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft vereinbar sind
- Mit dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in Einklang stehen
- Konkrete Ziele und Maßnahmen zur Emissionsreduktion enthalten
- Jährlich aktualisiert werden und über erreichte Fortschritte berichten
Die Anforderungen an den Klimaplan orientieren sich am delegierten Rechtsakt ESRS E1, der die klimawandelbezogenen Vorgaben aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) konkretisiert.
Berichterstattung und Transparenz
Die CSDDD sieht umfangreiche Berichterstattungspflichten vor:
- Jährliche Veröffentlichung einer Erklärung über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten
- Bereitstellung der Erklärung auf der Unternehmenswebsite in einer EU-Amtssprache und einer in der internationalen Geschäftswelt gebräuchlichen Sprache
- Einreichung der Berichte in den European Single Access Point (ESAP)
Unternehmen, die bereits nach der CSRD berichten, sind von dieser zusätzlichen Berichtspflicht befreit, um Doppelberichterstattung zu vermeiden.
Stakeholder-Einbindung und Beschwerdeverfahren
Zudem bezieht die CSDDD die Stakeholder mit ein:
- Unternehmen müssen relevante Stakeholder (z.B. Arbeitnehmer, Gewerkschaften, lokale Gemeinschaften) in ihre Sorgfaltsprozesse einbeziehen
- Es muss ein wirksames Beschwerdeverfahren eingerichtet werden, das allen potenziell Betroffenen offensteht
- Das Beschwerdeverfahren muss fair, öffentlich zugänglich, transparent und berechenbar sein
Zivilrechtliche Haftung und Sanktionen
Die CSDDD sieht scharfe Konsequenzen bei Nichteinhaltung vor:
- Unternehmen haften zivilrechtlich für Schäden, die durch Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten entstehen
- Die Mitgliedstaaten müssen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festlegen
- Zwangsgelder können bis zu 5% des weltweiten Nettoumsatzes betragen
- Bei Nichtzahlung von Zwangsgeldern erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung des Verstoßes
Praxistipps zur Vorbereitung auf die CSDDD
1. Ganzheitliche Risikoanalyse durchführen
- Kartieren Sie Ihre gesamte Wertschöpfungskette
- Identifizieren Sie Hochrisikobereiche für Menschenrechte und Umwelt
- Nutzen Sie externe Datenbanken und Experteneinschätzungen zur Risikobewertung
2. Integriertes Managementsystem aufbauen
- Entwickeln Sie ein unternehmensweites System zur Erfassung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken
- Integrieren Sie CSDDD-Anforderungen in bestehende Prozesse (z.B. Einkauf, Produktentwicklung, Compliance)
- Implementieren Sie KPIs zur Messung der Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen
3. Stakeholder-Engagement verstärken
- Identifizieren Sie relevante Stakeholder-Gruppen
- Entwickeln Sie Formate für regelmäßigen Dialog und Konsultation
- Schulen Sie Mitarbeiter in Stakeholder-Management und interkultureller Kommunikation
4. Robustes Beschwerdeverfahren einrichten
- Gestalten Sie einen niedrigschwelligen, mehrsprachigen Zugang zum Beschwerdeverfahren
- Stellen Sie Ressourcen für die effektive Bearbeitung von Beschwerden bereit
- Etablieren Sie Prozesse zur Analyse von Beschwerdemustern und kontinuierlichen Verbesserung
5. Umfassende Klimastrategie entwickeln
- Führen Sie eine detaillierte Analyse Ihrer Treibhausgasemissionen durch (Scope 1, 2 und 3)
- Setzen Sie wissenschaftsbasierte Reduktionsziele (Science Based Targets)
- Entwickeln Sie einen konkreten Fahrplan zur Emissionsreduktion mit Meilensteinen und Verantwortlichkeiten
6. Berichterstattung optimieren
- Überprüfen Sie Ihre aktuellen Berichtsprozesse auf Lücken gegenüber CSDDD-Anforderungen
- Investieren Sie in Datenmanagement-Systeme zur effizienten Erfassung und Aufbereitung relevanter Informationen
- Schulen Sie Mitarbeiter in integrierten Berichtsstandards (z.B. GRI, SASB)
7. Lieferkettenmanagement stärken
- Überarbeiten Sie Lieferantenverträge und -kodizes im Hinblick auf CSDDD-Anforderungen
- Entwickeln Sie Schulungs- und Unterstützungsprogramme für Lieferanten
- Implementieren Sie ein Lieferanten-Audit-Programm mit Fokus auf Menschenrechte und Umweltschutz
8. Interne Kapazitäten aufbauen
- Bilden Sie ein interdisziplinäres CSDDD-Implementierungsteam
- Führen Sie umfassende Schulungen für Mitarbeiter in Schlüsselfunktionen durch
- Integrieren Sie CSDDD-relevante Ziele in Leistungsbeurteilungen und Vergütungssysteme
9. Rechtliche Absicherung
- Lassen Sie Ihre Verträge und Geschäftspraktiken auf CSDDD-Konformität prüfen
- Entwickeln Sie Strategien zum Umgang mit potenziellen Haftungsrisiken
- Prüfen Sie Ihre Versicherungspolicen auf Deckung von CSDDD-relevanten Risiken
10. Kontinuierliche Verbesserung etablieren
- Führen Sie regelmäßige interne und externe Audits Ihrer Sorgfaltsprozesse durch
- Etablieren Sie ein systematisches Lernen aus Best Practices und Fehlern
- Bleiben Sie über regulatorische Entwicklungen und Branchenstandards informiert
Fazit und Ausblick
Die CSDDD stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, bietet aber auch Chancen für eine nachhaltigere und resilientere Unternehmensführung. Unternehmen, die jetzt handeln und Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten in den Kern ihrer Geschäftsstrategie integrieren, werden gut positioniert sein, um die Herausforderungen der CSDDD zu meistern und die Chancen einer nachhaltigen Transformation zu nutzen.
Das könnte Sie ebenfalls interessieren: Warum ESG für den Mittelstand immer wichtiger wird (ecovis.com)
Ansprechpartner
Newsletter für Unternehmer
Sie wollten keine Neuigkeiten mehr verpassen? Alles, was aktuell wichtig ist, stellen die ECOVIS Unternehmensberater für Sie im monatlichen Newsletter kompakt zusammen.