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Aktuelles aus Steuern und Recht
Steuerbarkeit einer „Nutzungsentschädigung“
06.09.2024Zahlt eine Bank auf Grundlage einer Vergleichsvereinbarung eine Nutzungsentschädigung, gelten diese Zahlungen für den Empfänger weder als Kapitaleinkünfte noch als sonstige Einkünfte. Die Details zu dem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs kennt Markus Willenborg, Wirtschaftsprüfer bei Ecovis in Vechta.
Der Fall
Ein verheiratetes Ehepaar schloss mit seiner Bank einen Vertrag über die Gewährung mehrerer Darlehen zur Finanzierung einer selbst genutzten Wohnimmobilie ab. Vier Jahre später widerriefen sie ihre Willenserklärung für zwei der Darlehensverträge aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen.
Es kam zu einem zivilgerichtlichen Rechtsstreit zwischen dem Ehepaar und der Bank. Das Ergebnis war ein gerichtlicher Vergleich, in dem die Bank sich verpflichtete, an die Kläger einen Nutzungsersatz zu bezahlen. Außerdem vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Bank die aus dem Betrag des Nutzungsersatzes anfallende Kapitalertragsteuer, den Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer an das Finanzamt abführt und den Klägern eine entsprechende Bescheinigung ausstellt.
Unter Vorlage der Steuerbescheinigung reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärungen ein und verwiesen dabei auch darauf, dass sie wegen einer nicht korrekten Darlehenswiderrufsbelehrung einem Vergleich mit der Bank zugestimmt haben.
Das Finanzamt berücksichtigte den Betrag bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des Paragrafen 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und zog bei beiden Eheleuten jeweils den Sparerpauschbetrag in Höhe von 801 Euro ab.
Den Vergleich zwischen Klägern und der Bank legte das Finanzamt so aus, dass die als Nutzungsentschädigung bezeichnete Zahlung als Nutzungsersatz zu betrachten ist. Dieser Nutzungsersatz bezieht sich auf Zins- und Tilgungsleistungen nach Rückabwicklungsgrundsätzen, die die Kläger ohne rechtliche Grundlage gezahlt haben.
Dagegen haben die Kläger erfolgreich Einspruch eingelegt.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs
Anders als das Finanzamt sah das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg in dem Vergleich einen vereinbarten entgeltlichen Rechtsverzicht der Kläger auf ihre Rechte aus dem zuvor erklärten Widerruf der Darlehensverträge. Dieser Argumentation schloss sich der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 22. Mai 2024 an (VIII R 3/22). Da der Verzicht nicht im Rahmen einer auf Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit erklärt worden sei, unterliege die Zahlung nicht der Einkommensteuer.
Das FG Münster vertrat die Auffassung, dass der aufgrund des gerichtlichen Vergleichs der Bank an die Kläger geleistete Betrag bei den Klägern nicht zu einem steuerbaren Kapitalertrag und auch nicht zu Einkünften aus Leistungen nach dem EStG führt. Der zwischen den Klägern und der Bank geschlossene Vergleich ist so auszulegen, dass die Darlehensverträge nicht rückabgewickelt wurden. In beiden Fällen führt die Zahlung der Bank nicht zu einem steuerbaren Kapitalertrag bei den Klägern.
„Eine Entschädigung für einen Rechtsverzicht führt beim Verzichtenden nicht zu steuerbaren Einkünften, wenn sie nicht als Ergebnis einer Erwerbstätigkeit anzusehen ist“, sagt Markus Willenborg. „Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt, denn die Entschädigungszahlung war nicht im Sinne eines leistungsbezogenen Entgelts durch das Verhalten der Kläger wirtschaftlich veranlasst“, erklärt der Steuerberater.
Eine Zahlung als Nutzungsersatzleistung im Rahmen einer reinen Rückabwicklung der Darlehensverträge ist auch kein steuerbarer Kapitalertrag nach Paragraf 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Bei der Rückabwicklung eines Darlehensvertrags handelt es sich nämlich nicht um einen Leistungsaustausch in der Erwerbssphäre.
Beiräte: Externe Expertise gewinnbringend einsetzen
05.09.2024Immer mehr mittelständische Unternehmen richten Beiräte ein. Sie sollen bei der Suche nach Nachfolgern helfen, bei der Lösung strategischer Fragen beraten oder mit Expertenwissen den Betrieb bereichern.
Immer mehr mittelständische Unternehmen vertrauen auf einen Beirat. Ein Grund dafür ist der Generationswechsel. Laut Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) stehen in Deutschland allein zwischen 2022 und 2026 etwa 190.000 Unternehmensnachfolgen an. Andere Unternehmen suchen Expertise von außen, etwa für eine Expansion ins Ausland oder für Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und Cybersicherheit. „Für Unternehmen kann es durchaus gewinnbringend sein, einen Beirat einzurichten, auch wenn das zuerst einmal mit ein wenig Aufwand verbunden ist“, sagt Thomas Schinhärl, Rechtsanwalt bei Ecovis in Regensburg.
Will ein Unternehmen einen Beirat installieren, muss es im Vorfeld klären, welche Befugnisse er haben soll. „Wichtig sind klare Regelungen in Form einer Beiratsordnung oder im Gesellschaftervertrag“, sagt Schinhärl. „Darin sollte nicht nur die Frage der Kompetenzen des Gremiums geklärt sein, sondern auch, ob zusammen mit der Geschäftsführung getagt wird und ob diese ein Stimmrecht hat.“
Was Beiräte beitragen können
Beiräte können eine rein beratende Funktion haben. Sie können aber auch umfangreiche Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse haben, ähnlich wie Aufsichts- oder Verwaltungsräte. Dann reden sie etwa bei großen Investitionsentscheidungen, Strategiefragen, der Kontrolle oder sogar bei der Bestellung des Geschäftsführers mit. „Das ist ihr schärfstes Schwert“, sagt Andreas Zängerle, Ecovis-Steuerberater in Memmingen, „und das muss in der Beiratsordnung geregelt sein“, ergänzt Schinhärl.
Ein Beirat hat oft eine Mittlerfunktion zwischen den Generationen, zwischen Geschwistern oder Fremdgeschäftsführern und Gesellschaftern. Auch im Fall einer Nachfolge innerhalb einer Familie auf die nächste Generation ist ein Beirat oft hilfreich. Er kann dazu beitragen, einen Übergang fließend zu gestalten und etwa der Elterngeneration Einfluss zu sichern. Fachleute raten, rechtzeitig zu handeln. Denn wenn beispielsweise ein Geschäftsführer, der die Nachfolge nicht vorbereitet hat, plötzlich ausfällt, ist es zu spät.
Schinhärl bringt häufig einen Beirat ins Spiel, wenn es 50:50-Konstellationen zwischen Gesellschaftern gibt: „Damit ist eine Pattsituation ausgeschlossen. Der Beirat ist dann das Zünglein an der Waage. Wenn Gesellschafter an verschiedenen Orten leben oder wenn es sehr viele Gesellschafter gibt, wie in manchen landwirtschaftlichen Gesellschaften, empfiehlt sich ein Beirat mit Mitbestimmungsbefugnissen“, meint er.
Branchenfremde Beiräte als Ideengeber
An Bedeutung gewinnen auch Beiräte, die die Geschäftsführung mit ihrem Know-how aus anderen Branchen, aus Kundensicht oder mit Expertise etwa bei Digitalisierung, Cybersicherheit oder Produktmarketing beraten. Das muss sich folglich in der Zusammensetzung des Gremiums widerspiegeln. „Dann braucht es einen Experten in diesem Sektor. In vielen Fällen ist jemand aus Steuer- und Rechtsberatung dabei. Häufig sind auch Unternehmensberater, Unternehmer mit internationaler Erfahrung oder Hochschulprofessoren mit unternehmerischem Hintergrund darunter“, berichtet Zängerle.
Einig sind sich Experten, dass der Nutzen eines guten Beirats seine Kosten übersteigt. Das bedeutet laut Anja Hausmann, Steuerberaterin bei Ecovis in Rostock, „dass Unternehmen gute und qualifizierte Persönlichkeiten finden müssen, die eine entsprechende Vergütung erhalten sollten“. Denn die Tätigkeit kann aufwendig sein. Je nach Befugnissen, die dem Beitrag eingeräumt sind, finden Tagessitzungen in etwa dreimonatigem Abstand statt. Dazu kommen unter Umständen kurzfristige Sitzungen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Zudem sind häufig Unterlagen durchzuarbeiten.
Pattsituationen sollten Unternehmen vermeiden
In der Praxis setzen sich die Beiräte häufig aus drei Mitgliedern zusammen – um Pattsituationen zu vermeiden. Da es bei Beiräten, die Entscheidungsbefugnisse haben, auch Haftungsfragen zu berücksichtigen gibt, bietet sich laut Hausmann für sie eine entsprechende D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung, auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) an, ähnlich wie die der Geschäftsführer. „Man sollte sich zumindest Gedanken machen, um eine persönliche Haftung zu vermeiden. Bei Geschäftsführern ist der Haftungsbereich aber deutlich größer“, sagt Schinhärl.
Wenn es darum geht, geeignete Kandidaten für Beiräte zu finden, dann sprechen Mandanten häufig ihre Ecovis-Rechtsanwälte oder -Steuerberater an. Mit ihnen haben viele Geschäftsführer ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut. Außerdem wissen die Ecovis-Berater, was für ihre Mandanten sinnvoll ist. „Wir sind sehr oft Ansprechpartner, wenn Unternehmen einen Beirat einrichten wollen“, berichtet Zängerle.
Sozialabgaben: Starker Anstieg in den nächsten Jahren?
05.09.2024In den nächsten zehn Jahren könnte die Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch Sozialabgaben aufgrund der demografischen Entwicklung stark ansteigen. Steuert die Regierung nicht gegen, droht laut Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES Institut) in Berlin bis 2035 ein Anstieg des Gesamtbeitrags der Sozialversicherung um 7,5 Prozentpunkte auf 48,6 Prozent. Die Auswirkungen kennt Anja Hausmann, Steuerberaterin bei Ecovis in Rostock.
Die Sozialversicherung setzt sich aus verschiedenen Teilversicherungen zusammen. Der Gesamtbeitrag von aktuell 40,8 Prozent setzt sich wie folgt zusammen:
Krankenversicherung | 14,6 % |
Zuschlag für Krankenversicherung
(individuell nach Krankenversicherung; im Durchschnitt) |
1,6 % |
Rentenversicherung | 18,6 % |
Pflegeversicherung | 3,4 % |
Arbeitslosenversicherung | 2,6 % |
Die Gesellschaft altert und setzt die Sozialsysteme massiv unter Druck. Laut Bundesfinanzminister Christian Lindner ist die derzeitige Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in ihrer jetzigen Form bereits heute kaum noch finanzierbar. Analysen der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK-Gesundheit) zufolge sollen die Beiträge zur Krankenversicherung schon im Jahr 2025 um 0,6 Prozentpunkte auf dann 16,9 Prozent steigen. Dieser Prozentsatz setzt sich zusammen aus dem Beitragssatz von 14,6 Prozent und dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz, den die Kassen selbst festlegen können, von 2,3 Prozent.
Ab 1. Januar 2025 steigen zudem die Beitragsbemessungsgrenzen an. Hintergrund ist, dass Sozialversicherungsbeiträge nur bis zu einem bestimmten Einkommen zu zahlen sind. Steigt diese Grenze an, steigt damit auch die Last für diejenigen, deren Einkommen darüber liegt. Auch wenn diese Grenze im ersten Moment ungerecht klingt, erhalten Gutverdiener auch nur begrenzte Leistungen, zum Beispiel bei der Rente. Außerdem steigt der Einkommensteuersatz bei einem hohen Einkommen stark an. Zusätzlich wirken Sozialversicherungsbeiträge teilweise steuermindernd, sodass kein wirklicher Vorteil besteht.
Zum Vergleich: Im Jahr 1970 betrug der Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung 26,5 Prozent.
Ab dem kommenden Jahr gelten dann erstmalig einheitliche Werte in den neuen und alten Bundesländern.
Die Lösungsmöglichkeiten
Eine Stabilisierung der Beitragssätze auf dem heutigen Niveau von etwa 40 Prozent durch zusätzliche Bundeszuschüsse ist kaum möglich. Allein in der gesetzlichen Krankenversicherung droht in den nächsten zehn Jahren demnach ein Beitragssprung von 16,3 auf 19,3 Prozent.
Alternativ könnte die Regierung einen Anstieg der Besteuerung zum Beispiel durch Erhöhung der Einkommen- oder Umsatzsteuer vorsehen. Ein Argument gegen diese Steuerfinanzierung ist, dass bestehende Lasten dadurch nur anders verteilt, aber nicht verringert würden. Das Ziel, die Beiträge der Sozialversicherungen stabil zu halten, würde also nicht erreicht. In anderen Worten hieße das, dass die Beiträge einfach von jemand anderem übernommen werden. „Eine Stabilisierung der Beitragssätze wäre keine gute Idee“, sagt Ecovis-Expertin Anja Hausmann in Rostock. „Die Steuererhöhungen, die dafür notwendig sind, wären einfach zu groß.“
Stabilitätspakt für die gesetzliche Krankenversicherung
Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit, fordert daher einen Stabilitätspakt für die gesetzliche Krankenversicherung. Dieser soll Folgendes beinhalten:
- Die Regierung soll den Kassen die Ausgaben für die Versicherung von Menschen mit Bürgergeld vom Bund erstatten.
- Der Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung soll jährlich steigen.
- Die Koppelung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen an die durchschnittliche Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen soll wie eine „dynamische Ausgabendeckelung“ wirken und könnte den Beitragsanstieg bis 2035 um etwa zwei Prozent reduzieren.
In der Arbeitslosenversicherung (ALV) wird der Beitragssatz laut IGES-Projektion zunächst bis 2027 von aktuell 2,6 Prozent auf 2,5 Prozent zurückgehen. Bis 2035 ist dann mit einem Anstieg auf drei Prozent zu rechnen.
In der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach mittelfristiger Finanzplanung und dem geplanten „Rentenpaket II“ mit einem Beitragsanstieg von derzeit 18,6 Prozent auf 20,6 Prozent im Jahr 2030 zu rechnen. Bis 2035 ist ein weiterer Anstieg der Rentenbeiträge auf 22,3 Prozent zu erwarten. In der Pflege könnte der Beitragssatz bereits 2030 einen Wert von 4,1 Prozent erreichen.
„Tut die Politik nichts, wird der Trend des historisch hohen Beitragsanstiegs der GKV weiter anhalten“, sagt Steuerberaterin Anja Hausmann. „Die Regierung muss die Maßnahmen, die dem steten Anstieg entgegensteuern, nach der Bundestagswahl so bald wie möglich angehen“, rät Hausmann. Das betrifft neben steigenden Arbeitgeberbeiträgen natürlich auch Unternehmer, denn bei steigenden Sozialversicherungsbeiträgen verbleibt dem Arbeitnehmer am Ende weniger Netto. Im aktuellen Arbeitsmarktumfeld wird das zu noch stärker steigenden Löhnen führen. Die zahlt am Ende der Arbeitgeber.
Entbürokratisierung des Steuerrechts: Bürgernahe Einkommensteuer und vereinfachte Unternehmensteuer
03.09.2024Das Bundesfinanzministerium will die Interaktion zwischen Bürgern, Staat und Finanzverwaltung bürgerfreundlicher machen. Dafür hat sie die Expertenkommissionen „Bürgernahe Einkommensteuer“ und „Vereinfachte Unternehmensteuer“ ins Leben gerufen. Was die Kommissionen leisten sollen, erklärt Ecovis-Steuerberater Stefan Lange in Erfurt.
Am 21. Juli 2023 ernannte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in einem Schreiben die Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“. Sie hat den Auftrag, ein weniger komplexes und zukunftsfähiges Steuerrecht auszuarbeiten, das sich gleichzeitig auch realistisch umsetzen lässt. Konkret soll die Anwendung des Rechts ressourcenschonender, nachweisärmer und digitaler werden.
Zeitgleich erarbeitet die Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ Reformvorschläge für die Besteuerung von Unternehmen. Schnittmengen ergeben sich vor allem in der Besteuerung von betrieblichen Aktivitäten.
„Vereinfachte Unternehmensteuer“ reduziert Bürokratieaufwand
Am 12. Juli 2024 legte die Kommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ ihren Bericht vor, in dem sie Vorschläge zur Verbesserung der Besteuerung von Unternehmen formuliert hat. Ziel ist eine Strukturreform des geltenden Unternehmensteuerrechts. Dieses ist laut BMF derzeit noch zu ineffizient und überbürokratisch. Nach Ansicht der Experten ist ein Steuerrecht notwendig, das die Innovationskraft und die Risikobereitschaft der Unternehmen unterstützt. Das soll für kleine Familienbetriebe genauso gelten wie für Start-ups oder große DAX-Konzerne. Außerdem sollen Digitalisierung, Risikomanagement und kooperative Verfahrensregeln für Veranlagung und Betriebsprüfung die Unternehmen und die Finanzverwaltung entlasten.
Die Expertenkommission hat in ihrem Bericht konkrete Reformforderungen definiert. Unter anderem sollen Steuerpflichtige durch das „Once-Only“-Prinzip jede Information nur noch einmal den staatlichen Instanzen übermitteln müssen. Alle zuständigen Stellen haben dann Zugriff darauf. „Allein durch diese Maßnahme könnte das Bundesfinanzministerium den Bürokratieaufwand erheblich reduzieren“, sagt Ecovis-Steuerberater Stefan Lange. „Eigentlich ist die Umsetzung auch kein großer Aufwand. Ob die Politik jedoch den Mut hat, sich der Aufgabe einer grundlegenden Reform des Unternehmensteuerrechts zu stellen, bleibt offen.“
Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“
Aufgrund der schlechten Datenlage und der engen zeitlichen Vorgaben konnten die Experten der Kommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ nur punktuelle Verbesserungsvorschläge entwickeln. Jedoch fordern sie den Einsatz einer umfassenden Steuerreformkommission. Die Themenvorschläge der Expertenkommission umfassen unter anderem:
- Subventionen und steuerliche Lenkung: Laut den Experten sind die derzeitigen Subventions- und Lenkungsnormen häufig wenig zielführend, in ihren Finanzwirkungen kaum bestimmbar und meist sehr verwaltungs- und beratungsintensiv. Sie sollen – wenn überhaupt – zurückhaltend im Einkommensteuergesetz verankert werden. Bei bestehenden Normen wäre zu prüfen, ob diese noch notwendig sind.
- Gewinnpauschalierung bei Kleinunternehmern: Durch die Einführung von Pauschalierungsmethoden bei der Gewinnermittlung ließe sich der administrative Aufwand durch Aufzeichnungs- und Belegaufbewahrungspflichten deutlich verringern. Das wäre zum Beispiel durch eine Orientierung an der derzeitigen Kleinunternehmerregelung (Paragraph 19, Umsatzsteuergesetz, UStG) möglich. Demnach behandelt die Finanzverwaltung Unternehmer, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro nicht übersteigt, umsatzsteuerlich als Nichtunternehmer. Dieser Schwellenwert ließe sich auf 85.000 Euro anheben. Damit profitieren mehr Unternehmer von der Kleinunternehmerregelung. Auch ein pauschalierter Betriebsausgabenabzug in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Betriebseinnahmen würde Kleinunternehmer bei der Dokumentation ihrer Erwerbsaufwendungen sowie der Umsatzsteuer entlasten.
- Digitalisierung: Der Zustand der steuerlichen IT-Landschaft auf Ebene der Finanzverwaltung von Bund und Ländern ist bereits seit vielen Jahren nicht mehr marktgerecht. Großes Entbürokratisierungs- und Digitalisierungspotenzial gibt es beispielsweise bei der Übertragung und Verarbeitung von Steuerbescheiden. Der flächendeckende Einsatz digitaler Bescheide, verbunden mit deren verpflichtenden Bereitstellung in strukturierter Form, wäre für die Praxis eine erhebliche Erleichterung.
- Gewerbesteuer: Eine einheitliche Einkunftsart der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit könnte die Besteuerung der Gewinneinkunftsarten deutlich vereinfachen. Die unterschiedliche Steuerbelastung von selbstständigen und gewerblichen Einkünften ist für viele Steuerpflichtige nicht vollziehbar, da in der ökonomischen Betätigung zwischen den unterschiedlichen Gewinneinkunftsarten eher geringe Unterschiede bestehen. Schon lange fordern Unternehmen, die Gewerbesteuer durch eine andere mit Hebesatzrecht versehene wirtschaftsbezogene Steuerquelle zu ersetzen.
- Verzicht auf die Besteuerung von Arbeitszimmern: Bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit soll eine als Werbungskosten abzugsfähige Arbeitspauschale eingeführt werden (Paragraph 19, Abs. 1, Nr. 1 Einkommensteuergesetz, EStG). Mit dieser Pauschale sollen sowohl die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte sowie Kosten für das Homeoffice steuerlich abgegolten sein. Wegen diverser möglicher Konstellationen ist der Verwaltungsaufwand insbesondere für die Finanzverwaltung extrem hoch. Daher lohnt sich eine pauschalisierende Vereinfachung. Detaillierte Abgrenzungsfragen zum Arbeitszimmer und dessen Behandlung würden sich weitgehend erübrigen.
„Viele der bislang bekannten Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Es bleibt spannend, was der Gesetzgeber davon umsetzen wird“, sagt Ecovis-Experte Stefan Lange.
Leasingraten: Wie Unternehmer Kosten für das Leasing von Fahrzeugen richtig absetzen
01.09.2024Wer ein Leasingfahrzeug sowohl privat als auch betrieblich nutzt, der kann die Fahrzeugkosten anteilig als Betriebsausgaben abziehen. „Aber Vorsicht“, sagt Julius Behr, Steuerberater bei Ecovis in Marktheidenfeld: „Welches Verfahren dabei zur Anwendung kommen kann, hängt auch davon ab, wie das Fahrzeug überwiegend genutzt wird.“ Das hat ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) jetzt klargestellt.
Wie lassen sich Leasingraten steuermindernd absetzen?
Grundsätzlich können die Kosten für Leasingfahrzeuge anteilig als Betriebsausgaben abgesetzt werden. „Wird das Leasingauto mehrheitlich betrieblich genutzt, wird es wie ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens betrachtet“, erklärt Ecovis-Steuerberater Behr. Die Privatfahrten mit einem firmeneigenen Fahrzeug – ob geleast oder gekauft – sind dagegen als geldwerter Vorteil zu versteuern.
Wie berechnet sich der Privatanteil?
Grundsätzlich gibt es dafür zwei Wege:
- Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch, aus denen sich der prozentuale Anteil der Privatfahrten ergibt oder
- die Ein-Prozent-Regelung, also eine pauschale Besteuerung.
Wer die Privatfahrten pauschal versteuert, muss dabei anstatt der Anschaffungskosten den Bruttolistenpreis des Fahrzeugs zugrunde legen.
Worum ging es im aktuellen Fall?
Ein selbstständiger Unternehmer machte im Jahr der Anschaffung seines Leasingfahrzeugs einen Großteil der Leasingsonderzahlung als Betriebsausgabe geltend. Über die Gesamtnutzungsdauer von 36 Monaten betrug die betriebliche Nutzung des Fahrzeugs jedoch weniger als 50 Prozent der gefahrenen Gesamtstrecke. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die absetzbaren Kosten für die Leasingsonderzahlung auf die Gesamtdauer der Nutzung – in diesem Fall 36 Monate – verteilt werden müssen – und kürzte den Betriebsausgabenabzug entsprechend. Der Leasingnehmer ging dagegen gerichtlich vor. Der Fall landete schließlich vor dem BFH.
Was hat der BFH jetzt entschieden?
Der BFH bestätigte die Auffassung des Finanzamts. Ein Leasingfahrzeug wird aufgrund des fehlenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums am Fahrzeug nur dann dem notwendigen Betriebsvermögen zugeordnet, wenn das Fahrzeug dauerhaft in einem Umfang von über 50 Prozent betrieblich genutzt wird. „Ist das nicht der Fall, müssen die Kosten der betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs als sogenannte Nutzungseinlage erfasst werden“, sagt Steuerberater Julius Behr. Der Leasingvertrag ist dann privat. Die betrieblichen Fahrten sind aufzuzeichnen und den anteiligen Kosten oder pauschal mit 30 Cent pro Kilometer der betrieblich veranlassten Fahrten zu bewerten.
Tipp: Was sollten Sie jetzt tun?
- Behalten Sie Leasingsonderzahlungen genau im Blick!
- Prüfen Sie, ob ein betrieblicher Nutzungsanteil von mehr als 50 Prozent erreicht wird.
- Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater, um zu klären, welche Zahlungen im Rahmen des Leasings wann und in welchem Umfang abgesetzt werden können.
Kryptowährungen: Was Unternehmen bei der Steuer beachten müssen
29.08.2024Die Digitalisierung ist auch im internationalen Zahlungsverkehr angekommen. Aber: Sind Kryptowährungen für Unternehmen eine gute Lösung? Was ist buchhalterisch zu beachten? Welche Vorteile bieten Bitcoin und Co und welche Nachteile haben sie?
Unternehmen, die regelmäßig Geschäfte außerhalb des Euro-Raums tätigen oder künftig verstärkt mit ausländischen Unternehmen zusammenarbeiten wollen, erleichtert ein Fremdwährungskonto die tägliche Arbeit. Statt sich auf eine ausländische Währung festzulegen, spielen auch immer mehr Betriebe mit dem Gedanken, ein Kryptowährungskonto anzulegen. Aber was müssen Unternehmen dabei beachten?
Was sind die Vorteile digitaler Währungen?
Grundsätzlich lassen sich mit solchen Konten ein- und ausgehende Zahlungen in Bitcoin und Co abwickeln. „Der Vorteil liegt auf der Hand“, sagt Jeannette Olivie, Steuerberaterin bei Ecovis in Berlin: „Unternehmen können weltweit Zahlungen in Kryptowährungen von Kunden erhalten, unabhängig von deren Standort.“
Wer als Unternehmen Kryptowährungen akzeptieren möchte, muss eine Wallet, also eine geeignete Krypto-Brieftasche wählen. Aus dieser Wallet lassen sich dann über eine Krypto-Börse, die Kryptowährungen für Unternehmen akzeptiert, Bitcoin und Co in Euro auszahlen. Bei vielen Online-Plattformen ist das inzwischen mithilfe dieser Wallets auch in verschiedenen Kryptowährungen möglich. Und moderne Lösungen bieten zunehmend die Möglichkeit, Kryptowährungen in US-Dollar, Euro oder andere Währungen unkompliziert auf das Geschäftskonto auszuzahlen. Unternehmen können so ihren Kundenkreis erweitern und gleichzeitig einen reibungslosen Zahlungsverkehr sicherstellen.
Was sollten Unternehmen unbedingt beachten?
Allerdings haben diese Lösungen auch ihren Preis. „Achten Sie beim Vergleich verschiedener Krypto-Wallets aber in erster Linie auf Sicherheit, Kontrolle und Nutzerfreundlichkeit in der Handhabung“, rät Olivie. „Bedenken Sie zudem das nicht unerhebliche Wechselkursrisiko. Wer mit Kryptowährung zahlt oder bezahlen lassen will, muss ebenso wie bei einem Fremdwährungskonto immer ein Auge auf die Kurse haben.“ Das bedeutet auch, dass die Kurse tagesaktuell in der Buchhaltung abgebildet werden müssen und zum Jahresende die Konten zu bewerten sind – ähnlich eben wie bei einem Fremdwährungskonto. Im betrieblichen Bereich sind Kursgewinne zudem immer steuerpflichtig. „Ob sich also die Einrichtung eines Krypto-Kontos für Sie als Unternehmerin oder Unternehmer lohnt, hängt maßgeblich davon ab, ob die Vorteile etwa durch eine Erweiterung des Kundenstamms die Kosten eines solchen Kryptowährungskontos überwiegen“, resümiert Ecovis-Steuerberaterin Olivie.
Altersfreizeit: Müssen Unternehmen Rückstellungen bilden?
29.08.2024Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn sie Beschäftigten Arbeitsfreizeit gewähren, die an betriebliche Umstände gekoppelt ist. Das entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 5. Juni 2024. Die Details erklärt Ecovis-Steuerberaterin Nicole Berner aus Leipzig.
Was Altersfreizeit und Altersteilzeit unterscheidet
Altersfreizeit bedeutet eine Arbeitszeitverkürzung bei Entgeltfortzahlung für Arbeitnehmer, die ein bestimmtes Alter erreicht haben. Dabei gibt es zum einen die Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren oder zusätzlichen Urlaub zu nehmen. Auch eine Kombination aus beiden Modellen ist möglich.
Im Gegensatz zur Altersteilzeit ist die Altersfreizeit nicht in einem Gesetz geregelt, sondern beruht meist auf einer Betriebsvereinbarung oder auf Tarifverträgen. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind steuerlich nur unter bestimmten Voraussetzungen zu bilden:
- Es handelt sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung.
- Die Verpflichtung ist bereits vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht.
- Es gibt eine realistische Erwartung, dass die der Begünstigte die Verbindlichkeit in Anspruch nimmt. Wann und wie hoch die Schuld sein wird, ist noch unklar.
- Die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren sind keine Anschaffungs‑ oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut.
Bei schwebenden Geschäften liegt eine ungewisse Verbindlichkeit nur dann vor, wenn ein Erfüllungsrückstand besteht. Das bedeutet, dass der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet. Er hat also weniger geleistet, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte.
Der vor Gericht zu klärende Fall
In dem Verfahren klagte eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer OHG. Den Arbeitnehmern der OHG stand zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu. Das galt, wenn sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten.
Für die Altersfreizeit bildete die Klägerin in der Steuerbilanz eine Rückstellung als Passivposten. Das Finanzamt akzeptierte das nicht, denn seiner Ansicht nach lag kein Erfüllungsrückstand seitens der Klägerin gegenüber den Arbeitnehmern vor. Die Beschäftigten hätten keine Mehrleistungen erbracht wie beispielsweise in der Ansparphase im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs
Im Streitfall sah der Bundesfinanzhof (BFH) die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung als erfüllt an (BFH-Urteil vom 5. Juni 2024, IV R 22/22). So bestand eine Verbindlichkeit der OHG auf Gewährung von Altersfreizeit, wenn die betroffenen Arbeitnehmer bereits das Merkmal der mindestens zehnjährigen Betriebszugehörigkeit erfüllt und das 60. Lebensjahr vollendet haben. Anders als das Finanzamt sah der BFH die Verbindlichkeit als bereits wirtschaftlich verursacht an, da der Anspruch der Arbeitnehmer durch ihre Arbeitsleistung und die Vollendung des 60. Lebensjahres entstanden und damit realisiert sei. Der BFH ließ eine Rückstellungsbildung also auch zu, wenn die Voraussetzungen im Tarifvertrag noch nicht vollständig erfüllt waren. „Wirtschaftlich gesehen soll Altersfreizeit die vergangenen Arbeitsleistungen abgelten. Sie ist also gegenseitig bedingt und lässt sich zeitlich zuordnen“, erklärt Steuerberaterin Nicole Berner.
Da die Gewährung der Altersfreizeit von der Betriebszugehörigkeit abhängig ist, handelt es sich bei ihr um ein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen während dieser Zeit sowie dafür, dass der Mitarbeitende nicht gekündigt hat. Die Arbeitnehmer haben folglich eine Vorleistung erbracht. Die OHG muss ihre Gegenleistung, also die Altersfreizeit, erst noch erbringen. Sie hat am Bilanzstichtag weniger geleistet als sie nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist. Sie befindet sich somit in einem Erfüllungsrückstand. Ist die Höhe des Erfüllungsrückstands sicher, muss der Arbeitgeber die Verbindlichkeit ausweisen. In diesem Fall ist die noch zu erfüllende Leistung der Höhe nach ungewiss und es ist eine Rückstellung zu bilden.
„Nicht viele Betriebe bilden Rückstellungen für Altersfreizeit. Aber auch Rückstellungen zum Beispiel für Zuwendungen aus Anlass eines Arbeitnehmer- oder Firmenjubiläums sollten aus den aus dem BFH-Urteil hervorgehenden Gründen gebildet werden“, sagt Nicole Berner, Steuerberaterin bei Ecovis in Leipzig.
Neue Wohngemeinnützigkeit: Steuerentlastung für soziale Unternehmen, Vereine und Stiftungen
27.08.2024Mit der neuen Wohngemeinnützigkeit will die Bundesregierung bezahlbares Wohnen mithilfe von Steuerbegünstigungen für soziale Unternehmen, Vereine und Stiftungen fördern. Nach der angelegten Bemessungsgrundlage sollen etwa 60 Prozent der Bevölkerung von den günstigeren Mieten profitieren können. Die Details kennt Ecovis-Steuerberater Michael Sabisch aus Volkach.
Steuervorteile sollen Wohnungsnot lindern
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 setzte die Regierung eine lang erwartete und im Koalitionsvertrag angekündigte Maßnahme um: Steuerbefreiungen sollen es sozialen Unternehmen, Vereinen und Stiftungen ermöglichen, dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und so die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt entschärfen. Voraussetzung für die Förderung ist eine Miete unter dem ortsüblichen Niveau. Genauer definiert ist diese Vorschrift jedoch nicht. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen schätzt die Steuerentlastung für die Vermieter pro Wohnung auf 1.000 bis 2.000 Euro im Jahr.
Welche steuerlichen Vorteile gibt es?
Unternehmerinnen und Unternehmer können von mehreren steuerlichen Vorteilen profitieren.
Dazu gehören:
- eine Gewerbesteuer- und Körperschaftssteuerbefreiung für Körperschaften und Personenvereinigungen, die nach der Satzung oder dem Stiftungsgeschäft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen, zum Beispiel der Förderung von sozialem Wohnungsbau, und
- ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von sieben Prozent.
Damit eine Organisation als gemeinnützig gilt und somit von den Steuererleichterungen profitieren kann, muss sie sich selbstlos dafür einsetzen, das Wohl der Allgemeinheit zu verbessern. Das bedeutet: Die Unterstützung muss der breiten Öffentlichkeit helfen und nicht nur auf begrenzte Gruppen wie Familien oder Belegschaften beschränkt sein.
Regelsätze der neuen Wohngemeinnützigkeit
Bezahlbare Wohnungen sollen insbesondere Personen mit geringen Einkommen unterstützen. Die Einkommensgrenze bezieht sich auf die Regelsätze der Sozialhilfe, die in der folgenden Tabelle dargestellt sind. Für die Berechnung wurden Multiplikatoren eingeführt, um den steigenden Mieten und Lebenshaltungskosten zu entsprechen.
gültig ab | RBS 11 | RBS 22 | RBS 33 | RBS 44 | RBS 55 | RBS 66 |
1. Januar 2023 | 502 € | 451 € | 402 € | 420 € | 348 € | 318 € |
1. Januar 2024 | 563 € | 506 € | 451 € | 471 € | 390 € | 357 € |
1 RBS=Regelbedarfsstufe 1: Alleinstehende und alleinerziehende Erwachsene, die in einer Wohnung leben
2 RBS=Regelbedarfsstufe 2: Erwachsene, die mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenleben
3 RBS=Regelbedarfsstufe 3: Erwachsene unter 25 Jahre, die im Haushalt der Eltern leben
4 RBS=Regelbedarfsstufe 4: Jugendliche von 14 bis 17 Jahren
5 RBS=Regelbedarfsstufe 5: Kinder von sechs bis 13 Jahren
6 RBS=Regelbedarfsstufe 6: Kinder bis fünf Jahre
Quelle: Anlage Paragraph 28 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII)
Mieter, die unter Regelbedarfsstufe (RBS) 1 fallen, dürfen das sechsfache der Bezüge verdienen, um von der Wohngemeinnützigkeit zu profitieren, alle anderen das fünffache. Auf diese Weise profitieren rund 60 Prozent der deutschen Haushalte.
Beispielrechnungen: Wie viel darf eine Familie verdienen, um für eine Wohnung mit verminderter Miete in Frage zu kommen?
Bei der Berechnung der Einkommensgrenze sind alle Haushaltsmitglieder miteinzubeziehen. Die geltende RBS für jedes Haushaltsmitglied wird addiert und dann mit dem entsprechenden Multiplikator verrechnet.
Beispiel 1: Alleinerziehender Elternteil und zwei Kinder (jeweils 14 Jahre)
Der Elternteil fällt unter die RBS 1 mit einem Regelsatz von 563 Euro. Beide Kinder haben die RBS 4 mit einem Regelsatz von 471 Euro. Für den Regelsatz der ersten Stufe wird der Multiplikator von sechs angewendet, für alle anderen Stufen gilt der Multiplikator fünf.
Für die Berechnung des Einkommens bedeutet dies:
563 € x 6 = 3.378 €
471 € x 5 = 2.355 €
471 € x 5 = 2.355 €
3.378 € + 2.355 € + 2.355 € = 8.088 €
Der Haushalt darf also maximal ein monatliches Einkommen von 8.088 Euro brutto erwirtschaften, um für eine vergünstigte Wohnung in Frage zu kommen.
Beispiel 2: Zwei Elternteile und zwei Kinder (sechs und 15 Jahre)
Beide Elternteile fallen unter die RBS 2 mit einem Regelsatz von 506 Euro, das sechsjährige Kind fällt unter die RBS 5 mit einem Regelsatz von 390 Euro und das 15-jährige Kind fällt unter RBS 4 mit einem Regelsatz von 471 Euro. Für alle Beteiligten gilt der Multiplikator von fünf.
Für die Berechnung des Einkommens bedeutet dies:
506 € x 5 = 2.530 €
506 € x 5 = 2.530 €
471 € x 5 = 2.355 €
390 € x 5 = 1.950 €
2.530 € + 2.530 € + 2.355 € + 1.950 € = 9.365 €
Der Haushalt darf also maximal ein monatliches Einkommen von 9.365 Euro brutto erwirtschaften, um für eine vergünstigte Wohnung in Frage zu kommen.
Was Unternehmerinnen und Unternehmer beachten sollten
„Vermieter müssen beachten, dass sie die Miete dauerhaft unter der ortsüblichen Miete ansetzen. Das ist bei Mietbeginn und bei Mieterhöhungen zu prüfen“, sagt Ecovis-Steuerberater Michael Sabisch. „Und auch die Hilfebedürftigkeit der Mieter ist zu prüfen. Zu erfolgen hat dies nur zu Beginn des Mietverhältnisses, um administrativen Aufwand und das Verlieren der Gemeinnützigkeit ohne eigenes Verschulden zu verhindern“, erklärt Sabisch.
Offen bleibt jedoch die Frage, wie sich die ortsübliche Miete bestimmen lässt. In Großstädten, wo vergleichbare Objekte vorhanden sind, ist in der Regel eine Schätzung möglich. Doch wie sieht es in kleineren Städten und auf dem Land aus? Das ist noch nicht geklärt, möglicherweise müssen Vermieter sich in diesen Fällen ans Finanzamt wenden, um eine Einschätzung der ortsüblichen Mieten zu bekommen.
„Experten schätzen, dass die Maßnahme eher einen Placebo-Effekt hat und vor allem bereits gemeinnützigen Unternehmen helfen wird. Die jetzigen steuerlichen Anreize werden Vermieter kaum dazu anregen, günstiger zu vermieten. Und: Niedrige Mieten sind bei den derzeitigen hohen Baukosten und gestiegenen Zinsen nicht realisierbar“, erklärt Michael Sabisch, Steuerberater bei Ecovis in Volkach.
Ist die Einkommensanrechnung beim Grundrentenzuschlag bei Ehepaaren verfassungswidrig?
26.08.2024Trotz Anspruch auf einen Grundrentenzuschlag erfolgt bei Ehepaaren in vielen Fällen keine Auszahlung. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat jedoch entschieden, dass die Anrechnung des Einkommens der Ehepartner rechtmäßig ist.
Was ist der Grundrentenzuschlag?
Seit dem 1. Januar 2021 können Rentner unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschlag zu ihrer Rente erhalten, wenn sie mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten vorweisen können. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Durchschnittswert der Entgeltpunkte aus den Grundrentenbewertungszeiten unterhalb bestimmter Höchstgrenzen liegen muss.
Der Zuschlag zur Grundrente wird zusätzlich zur Altersrente gezahlt. Die Deutsche Rentenversicherung prüft bei allen Rentnern automatisch, ob die Voraussetzungen erfüllt sind und berechnet die Höhe des Zuschlags individuell. Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erhalten rund 1,3 Millionen Menschen einen Zuschlag zur Grundsicherung im Alter in Höhe von durchschnittlich 86 Euro monatlich.
Wann kürzt die Deutsche Rentenversicherung den Grundrentenzuschlag?
Das Einkommen wird auf den Grundrentenzuschlag angerechnet. Eine Kürzung des Grundrentenzuschlags erfolgt, wenn bestimmte Freibeträge überschritten sind. Bei Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften ist das Einkommen beider Partner zu berücksichtigen. Daher kürzt die Deutsche Rentenversicherung den Zuschlag zur Grundrente in vielen Fällen oder es kommt gar nicht zur Auszahlung.
Beispiel für die Kürzung mit den seit 1. Januar 2024 geltenden Freibeträgen
Bei einem monatlichen Einkommen von bis zu 1.375 Euro für Alleinstehende und bis zu 2.145 Euro bei Ehepaaren zahlt die Rentenversicherung den Grundrentenzuschlag in voller Höhe. Übersteigt das Einkommen den Freibetrag, werden 60 Prozent des darüber liegenden Einkommens angerechnet.
Liegt das Einkommen bei Alleinstehenden über 1.759 Euro und bei Ehepaaren über 2.530 Euro monatlich, wird der übersteigende Teil in voller Höhe angerechnet.
Welches Einkommen ist bei der Anrechnung zu berücksichtigen?
Bei der Einkommensanrechnung ist das zu versteuernde Einkommen laut Steuerbescheid zu berücksichtigen. Zusätzlich lassen sich Kapitalerträge bei Überschreiten des Sparerfreibetrags sowie der steuerfreie Teil der Rente berücksichtigen.
Urteil des Landessozialgerichts
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat bestätigt, dass die Anrechnung des Ehegatteneinkommens verfassungsgemäß ist. Geklagt hatte eine Frau, die im Grundrentenzuschlag einen Verstoß gegen das Grundgesetz sah, da Verheiratete und Unverheiratete ungleich behandelt würden. Das LSG entschied zwar, dass die Frau grundsätzlich einen Anspruch auf den Grundrentenzuschlag hat, dieser aber aufgrund des Einkommens ihres Ehemannes nicht ausgezahlt wird (Urteil vom 30.01.2024, L 18 R 707/22).
Das Ziel des Gesetzgebers sei es, neben der Anerkennung der Lebensarbeitsleistung auch die bessere finanzielle Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen. Da das Einkommen beider Ehegatten über dem Grundsicherungsbedarf liegt, ist die Kürzung des Grundrentenzuschlags rechtmäßig. Nach Auffassung des Gesetzgebers sind Ehegatten aufgrund ihrer gegenseitigen Unterhaltspflicht bessergestellt als Alleinstehende.
Wichtiger Hinweis für Neu-Rentnerinnen und -Rentner
Das Finanzamt übermittelt die steuerpflichtigen Einkünfte auf Anforderung an die Deutsche Rentenversicherung. Rentnerinnen und Rentnern selbst müssen nur die Kapitalerträge oberhalb des Sparer-Pauschbetrags an die Deutsche Rentenversicherung übermitteln, wenn diese nicht bereits im zu versteuernden Einkommen enthalten sind.
Beim Grundrentenzuschlag kommt es auf das Einkommen des vorletzten Jahres an oder – falls es dem Finanzamt noch nicht bekannt ist – sogar auf das Einkommen des vorvorletzten Jahres. Wenn ein bis zuletzt berufstätiger Neu-Rentner seine Rente beantragt, kann es daher sein, dass er im schlechtesten Fall erst nach drei Jahren den Grundrentenzuschlag in Anspruch nehmen kann.
Andreas Islinger, Leiter der Rentenberatung bei Ecovis München rät daher: „Es kann durchaus von Vorteil sein, wenn Rentner und Rentnerinnen mit Anspruch auf einen Grundrentenzuschlag möglichst schnell ihre Steuererklärungen abgeben. So lassen sich die höheren Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit im Einzelfall schneller ausblenden.“