Wann eine Gemeinschaftspraxis gewerbesteuerpflichtig ist
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Wann eine Gemeinschaftspraxis gewerbesteuerpflichtig ist

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Handelt es sich bei einer Gesellschafterin einer Gemeinschaftspraxis laut Vertrag eigentlich um eine Angestellte, muss die Praxis für alle Einnahmen Gewerbesteuer zahlen.

Wann Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis von der Gewerbesteuer befreit sind

Ärzte sind als Gesellschafter einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis von der Gewerbesteuer befreit, wenn sie eine „Mitunternehmerstellung“ im steuerlichen Sinne erlangen. Das ist dann der Fall, wenn die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos erfüllt sind:

  • Mitunternehmerinitiative bedeutet die Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie Geschäftsführer, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellte haben.
  • Mitunternehmerrisiko trägt, wer am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven der Praxis einschließlich eines etwaigen Praxiswerts beteiligt ist.

Ärzte sind auch dann freiberuflich tätig, wenn sie mit fachlich vorgebildeten Arbeitskräften zusammenarbeiten. Voraussetzung ist jedoch, dass sie aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sind („Stempeltheorie“).

Sachverhalt: Vertragliche Gestaltung mit Neu-Gesellschafterin

Eine augenärztliche Gemeinschaftspraxis nahm eine Ärztin als Neu-Gesellschafterin auf, die in einer Nebenbetriebsstätte praktizierte. Für die ersten drei Jahre der Kennenlernphase vereinbarten die Gesellschafter folgende vertragliche Gestaltungen:

  • Sie besaß keinen eigenen Geschäftsanteil,
  • war weder an den stillen Reserven
  • noch am Praxiswert und
  • Verlust der Gesellschaft beteiligt.
  • Ihre Berufshaftpflichtversicherung ging zu Lasten der Gemeinschaftspraxis und
  • ihr Widerspruchsrecht fiel bei einem Stimmanteil von 1/100 kaum ins Gewicht.

Aufgrund des Vertragsverhältnisses stellte das Finanzamt die Ärztin mit einer Arbeitnehmerin gleich. Infolge der räumlichen Trennung zwischen Haupt- und Nebenbetriebsstätte war davon auszugehen, dass sie als Angestellte selbstständig leitend und eigenverantwortlich tätig war. Demzufolge traf die Stempeltheorie nicht zu. Das Finanzamt qualifizierte daher alle Einkünfte der Gemeinschaftspraxis als gewerbliche Einkünfte. Dagegen klagte die Praxis.

Urteil: Beschränktes Mitunternehmerrisiko führt zur Gewerbesteuerpflicht

Das Finanzgericht Münster entschied, dass das Mitunternehmerrisiko durch die vertragliche Gestaltung maximal beschränkt war und sich nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative kompensieren ließe. Damit war die Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis gewerblich (Urteil vom 26.11.2021, 1 K 1193/18 G,F).

Darauf sollten Gesellschafter achten

„Altgesellschafter sollten Neugesellschafter von Beginn an wie vollwertige Gesellschafter in die Gemeinschaft aufnehmen“, rät Ecovis-Steuerberaterin Ines Mummert in Erfurt. Denn: Beim Übergang eines freiberuflichen in ein gewerbliches Betriebsvermögen wandelt sich ein vorhandener Praxiswert in einen Geschäftswert um. Dieser ist zwingend über 15 Jahre abzuschreiben. „Unabhängig davon mündet die Umstellung auf Gewerblichkeit in einen erhöhten Beratungsbedarf und entsprechende Mehrkosten wegen aufwendigerer Abschlussarbeiten“, erklärt Ines Mummert.

Ines Mummert, Steuerberaterin bei Ecovis in Erfurt

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