Umsatzsteuer: Versteuern oder nicht – das ist hier die Frage

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München – Der deutsche Fiskus nimmt ärztliche Leistungen immer genauer unter die Lupe, denn nicht alle Behandlungen sind von der Umsatzsteuer befreit.
Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) scheint es, als wenn die Finanzverwaltung immer mehr ärztliche Leistungen, die keine direkten Heilbehandlungen darstellen, der Umsatzsteuer unterwerfen will. Auch die Gerichtsbarkeit stellt hohe Anforderungen an die Umsatzsteuerbefreiung. Die Gesetzeslage ist aber alles andere als eindeutig – das geht auch aus einem Urteil des Bundesfinanzhofs hervor (BFH-Urteil, 18. März 2015, XI R 15/11).
Der verhandelte Fall
Eine freiberuflich tätige Anästhesistin betrieb ein OP-Zentrum und stellte dieses anderen Ärzten für ambulante Operationen, an denen sie selbst als Anästhesistin mitwirkte, zur Verfügung. Auf Basis mündlich abgeschlossener Verträge erhielt sie von den Operateuren für die Überlassung der Räume einschließlich der notwendigen Ausstattung einen Teil der Vergütungen der Krankenkassen, die diese zur Abdeckung des Aufwands für die Nutzung des OP-Raums zahlten.
Die Anästhesistin und spätere Klägerin behandelte dieses Entgelt nicht als steuerpflichtigen Umsatz. Das sah das Finanzamt anders. Auch das Finanzgericht (FG) schloss sich dessen Ansicht an und wies die Klage ab. Begründung: Die Überlassung der Infrastruktur sei keine Heilbehandlung im Sinne der Befreiungsvorschrift. Eine Berufung auf eine EU-Vorschrift zur Befreiung von eng verbundenen Umsätzen greife nicht, und auch eine steuerfreie Vermietungsleistung liege nicht vor.
Die Sicht des BFH
Für den BFH allerdings war das nicht ganz so klar. Er gab der Klage statt, hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück mit dem Auftrag, die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Operateur sowie zwischen diesen und dem Patienten genau zu ergründen und zu werten.
„Die Überlassung der Operationsräume an sich ist keine steuerfreie Heilbehandlung“, sagt Michael Tippelt, Steuerberater. Wenn die Verträge jedoch so gestaltet sind, dass eine für den Patienten einheitliche Leistung vorliegt, sähe es anders aus. Für den BFH war ein Zusammenhang zwischen Anästhesieleistung der Klägerin, chirurgischer Leistung des Operateurs und der gemeinsamen Nutzung der Räume und technischen Ausstattung unverkennbar. Wenn nun auch der Behandlungsvertrag zwischen Anästhesistin und Patienten die Leistungen des OP-Zentrums umfasste, läge eine einheitliche und damit begünstigte Leistung vor.
Im Verfahren wurde eine zweite Möglichkeit zur Befreiung der Umsätze für die Überlassung der OP-Räume aufgezeigt. Bei entsprechender Vertragsgestaltung wären mit der Heilbehandlung eng verbundene Umsätze anderer Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung begünstigt. „Betroffene sollten darauf achten, dass aus den abgeschlossenen Verträgen hervorgeht, dass es sich um eine einheitliche (Heilbehandlungs-)Leistung handelt“, empfiehlt Steuerberater Mathias Parbs.
„Um in den Genuss der Umsatzsteuerfreiheit zu kommen, sollten Sie ein besonderes Augenmerk auf die Vertragsgestaltung legen und im Zweifelsfall frühzeitig Rat einholen.“
Mathias Parbs, Steuerberater bei Ecovis in Rostock
 

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