Mangelnde Compliance: Beweislast lässt sich trotz schwerer Behandlungsfehler nicht umkehren

Mangelnde Compliance: Beweislast lässt sich trotz schwerer Behandlungsfehler nicht umkehren

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Hält sich ein Patient nicht an ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen, kann das dazu führen, dass selbst ein grober Behandlungsfehler nicht zu einer Umkehr der Beweislast führt.

Der Fall

Ein 45-jähriger Mann war von seinem Hausarzt mit Verdacht auf eine instabile Angina pectoris stationär eingewiesen worden. Der Mann verließ die Klinik nach wenigen Tagen gegen den Rat des Arztes wieder, weil am Wochenende keine weiteren Untersuchungen durchgeführt wurden.
Sein Hausarzt riet ihm danach dringend zur erneuten stationären Behandlung und wies ihn schließlich mit der Diagnose Angina pectoris wieder ein.
In der Klinik vereinbarte der Patient einen Termin zur kardiologischen Abklärung. Eine sofortige stationäre Aufnahme lehnte er ab. Er starb kurz darauf zu Hause. Der Notarzt stellte als Todesursache Herzversagen fest. Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt. Die Ehefrau verlangte daraufhin Schmerzensgeld.

Das entschied das Gericht

Die Haftungsklage der Ehefrau hatte vor dem Landgericht zunächst Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm hob das Urteil jedoch auf (Urteil vom 02.02.2018, 26 U 72/17). Der Sachverständige hatte mehrere, insgesamt als grob zu bewertende Behandlungsfehler bei der Aufnahme und der weiteren Behandlung des Patienten im dem Krankenhaus festgestellt. Nach der Dokumentation des Krankenhauses sei es versäumt worden, bei dem Ehemann, der einen erhöhten Cholesterinwert gehabt habe, das Rauchverhalten und den genauen Zeitpunkt, zu dem der Patient zum zweiten Mal Thorax-Schmerzen verspürt habe, zu erfragen. Dabei sei der Patient fälschlicherweise nicht als Risikopatient eingestuft und die Behandlung nicht darauf ausgerichtet worden. Deswegen sei es neben einer Reihe durchgeführter, gebotener Untersuchungen versäumt worden, den Troponinwert zu bestimmen und ein weiteres EKG zu machen. Hinzu komme die versäumte Gabe von ASS, die dem medizinischen Standard entsprochen hätte.
Im Rahmen der Beweisaufnahme konnte allerdings nicht geklärt werden, ob der Patient überhaupt an einem Herzinfarkt gestorben sei und ob die festgestellten Behandlungsfehler hierfür mitursächlich gewesen seien. „Der fehlende Nachweis geht zu Lasten der Klägerin, weil sie sich trotz der groben Behandlungsfehler nicht auf die Beweislastumkehr berufen kann“, sagt Tim Müller, Rechtsanwalt bei Ecovis in München.

Wann gilt die umgekehrte Beweislast?

Die Beweislastumkehr scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VI ZR 328/03) aus, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet. „Er setzt dadurch eine mögliche Mitursache für seinen Gesundheitsschaden und trägt dazu bei, dass sich der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufklären lässt“, sagt Ecovis-Experte Müller. Im Urteil heißt es: „Letztlich weiß jeder erwachsene Mensch, dass Beschwerden im Brustkorb verbunden mit Luftnot auf ein gefährliches Herzleiden hinweisen können“.
Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München

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