Selbstständige Tätigkeit in fremden Praxisräumen ist erlaubt

Selbstständige Tätigkeit in fremden Praxisräumen ist erlaubt

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Und wieder entschied ein Gericht zugunsten einer selbstständigen Physiotherapeutin. Wenn sie Patienten in der Praxis einer Berufskollegin behandelt, dann kann sie sozialversicherungsrechtlich selbstständig sein.

Sachverhalt

Die Inhaberin einer Physiotherapiepraxis stellte zunächst eine weitere Physiotherapeutin als geringfügig Beschäftigte ein. Ein wenig später schloss sie mit dieser Angestellten einen „Vertrag über freie Mitarbeit“. Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens gelangte die Krankenkasse jedoch zu der Überzeugung, dass es sich weiterhin um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handele. Deshalb sei die Mitarbeiterin komplett sozialversicherungspflichtig.

Urteil

Die Praxisinhaberin klagte dagegen. Das Sozialgericht Konstanz entschied, dass die Physiotherapeutin tatsächlich selbständig tätig gewesen sei. Gegen dieses Urteil legte die Krankenkasse Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ein, welches die Entscheidung des Sozialgericht Konstanz (Urteil vom 19.07.2018, L 7 1319/17) bekräftigte. Für eine Selbstständigkeit sprach vor allem, dass die Physiotherapeutin

  • die Terminierung ihrer Patienten und den Erstkontakt zu diesen selbst übernahm,
  • eine eigene Patientenkartei führte und weitere Behandlungstermine allein vereinbarte,
  • über einen eigenen Behandlungsraum verfügte und selbst bestimmte, wann behandelt wird,
  • Abwesenheitszeiten selbst festlegen konnte und keine Patienten der Praxisinhaberin behandelte,
  • nach außen eigenverantwortlich auftrat (eigenes Namensschild am Praxiseingang),
  • eigene Visitenkarten und einen eigenen Aufsteller an der Theke hatte,
  • nicht in die Arbeitsabläufe und die Organisationsstruktur der Praxis eingebunden war,
  • sich im Krankheitsfall nicht krankmelden musste (keine Vertretung bei Krankheit),
  • ihre Arbeitskraft eingesetzt hat, um größere Verdienstchancen zu haben (= Verdienstrisiko),
  • eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abschließen und
  • für ihre soziale Absicherung selbst sorgen musste.

Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Physiotherapeutin nicht mit den Krankenkassen direkt abrechnen konnte, sondern dies über die Praxisinhaberin vorzunehmen hatte.

Fazit

„Wie auch im Urteil des Sozialgerichts Landshut, hat das Gericht in diesem Fall zugunsten eines/r Physiotherapeuten/in entschieden“, sagt Stefan Wirth, Steuerberater bei Ecovis in Wismar. Physiotherapeuten/innen, die in der Praxis eines anderen Physiotherapeuten/in gegen ein Honorar tätig sind und nicht selbst mit der Krankenkasse abrechnen, müssen nun nicht mehr befürchten, als Scheinselbständige eingestuft zu werden.
Stefan Wirth, Steuerberater bei Ecovis in Wismar

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