Schwangerschaftsabbrüche: Mediziner dürfen offen und umfassend informieren
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Schwangerschaftsabbrüche: Mediziner dürfen offen und umfassend informieren

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Werbung für Schwangerschaftsabbrüche soll bald möglich sein. Denn das Bundeskabinett hat jetzt die Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen beschlossen. Paragraph 219a Strafgesetzbuch (StGB) entfällt.

Hintergrund zum Paragraph 219a Strafgesetzbuch

Wer sich über einen Schwangerschaftsabbruch informieren wollte, kam bisher kaum an Informationen über den Ablauf und die Methoden dieses Eingriffs. Ebenso war es nicht leicht, eine geeignete Ärztin oder einen geeigneten Arzt zu finden. Mediziner, die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und aufgrund ihres fachlichen Wissens umfassend Auskunft geben wollten, mussten mit einem strafrechtlichen Verfahren rechnen, wenn sie offen darüber informierten. Das war bereits dann der Fall, wenn sie sachliche Informationen etwa auf ihrer Homepage bereitstellten. Bisher durften sie dort allenfalls Angaben dazu machen, ob sie einen Schwangerschaftsabbruch medikamentös oder operativ vornehmen. Hintergrund war Paragraph 219a Strafgesetzbuch (StGB), der jegliche Werbung für den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt.

„Die alte Gesetzeslage behinderte den Zugang zu einer fachgerechten medizinischen Versorgung sowie die freie Arztwahl. Überdies beeinträchtige sie das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen“, sagt Daniela Groove, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München.

Der Bundestag hat jetzt eine Neuregelung auf den Weg gebracht: In seiner ersten Lesung am 13.05.2022 hat er über den Gesetzesentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches beraten. Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche soll fallen (§ 219a StGB). Zudem will der Gesetzgeber das Heilmittelwerbegesetz ändern.

Welche Spielräume bieten die Neuregelungen?

„Eine uneingeschränkte Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist auch künftig nicht erlaubt“, sagt Rechtsanwältin Groove. Die Werbung muss sich in den Grenzen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) bewegen. Durch die Abschaffung des Paragraphen 219a StGB darf es nicht zu einer unsachlichen oder gar anpreisenden Werbung kommen. Das Bundeskabinett erweiterte daher den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes: Dieser umfasst demnach jede Werbung für alle Arten von Schwangerschaftsabbrüchen – also auch für jene ohne Krankheitsbezug.

Das sollten Sie beachten

  • Eine irreführende Werbung bleibt also grundsätzlich verboten. So wäre beispielsweise eine Werbebotschaft, wie „ein vollkommen komplikationsloser Eingriff“ irreführend.
  • Eine missbräuchliche, abstoßende oder irreführende Wiedergabe von Behandlungsverläufen ist untersagt.
  • Eine übertriebene, unsachliche Wiedergabe der Krankheitsgeschichte und des Behandlungsablaufs kann gegen die Vorschrift des Paragraphen 11 HWG verstoßen. Dieser enthält eine lange Liste weiterer Vorgaben zu unerlaubten Werbemitteln. Ausgeschlossen ist etwa unangemessene missbräuchliche Werbung mit Empfehlungen bekannter Wissenschaftler, mit irreführenden bildlichen Darstellungen oder mit Äußerungen Dritter.

Für Ärztinnen und Ärzte gelten zudem noch die Vorschriften der von der zuständigen Landesärztekammer erlassenen Berufsordnungen. So ist hiernach eine berufswidrige Werbung untersagt, also Werbung, die anpreisend, irreführend oder vergleichend ist. Werbung wäre etwa berufswidrig, wenn sie in Fragen der Schwangerschaftsabbrüche einer Praxis ein Alleinstellungsmerkmal attestiert.

Noch eine weitere Neuerung bringt das Gesetz: Strafgerichtliche Urteile gegen Ärztinnen und Ärzte, die seit dem 3. Oktober 1990 ergangen sind sowie laufende Verfahren wegen Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch, heben die Gerichte demnächst auf oder stellen sie ein.

„Unterm Strich beinhaltet der Vorstoß für die betroffenen Mediziner eine deutliche Verbesserung. Jetzt können sie ihre Patienten umfassend aufklären“, fasst die Fachanwältin für Medizinrecht Daniela Groove zusammen. Allerdings dürfen Ärztinnen und Ärzte auch weiterhin nicht im eigenen Interesse offensiv für ihre Leistungen werben. „Welche Formulierungen Ärzte auf der Homepage verwenden dürfen und welche besser nicht, sollte auf jeden Fall ein Experte prüfen“, rät Groove.

Daniela Groove, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München

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