Praxisvertretung zunehmend sozialversicherungspflichtig
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Praxisvertretung zunehmend sozialversicherungspflichtig

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Gerichte betrachten eine Praxisvertretung immer öfter als sozialversicherungspflichtiges Anstellungsverhältnis.  Das macht die Vertragsgestaltung schwierig.

Braucht ein Arzt einen Vertreter in der Praxis, wollen beide Seiten häufig kein Anstellungsverhältnis. Sie vereinbaren meist eine Vertretung auf Honorarbasis und der Vertreter arbeitet selbstständig. Für seine Arbeitszeit stellt er eine Rechnung, der vertretene Arzt bezahlt sie und macht die Kosten als Betriebsausgaben geltend. Sozialabgaben führt keine Seite ab. Warum auch? Der Vertreter ist meist in der Ärzteversorgung, oft privat krankenversichert, und auf die Idee, Arbeitslosengeld zu verlangen, käme er sowieso nicht.

Abhängig beschäftigt oder nicht?

Die Deutsche Rentenversicherung Bund kommt bei der nachgelagerten Betriebsprüfung immer häufiger zu dem Ergebnis, dass keine selbstständige Vertretertätigkeit, sondern ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorgelegen hat. Für die Prüfung, ob die Vertretung als selbstständige oder abhängige Tätigkeit eingestuft wird, ist der geschlossene Vertrag heranzuziehen. „Häufig liegt aber kein Vertrag vor. Oft einigen sich Ärztinnen und Ärzte mündlich lediglich über den Vertretungszeitraum und den Stunden- oder Tagessatz“, weiß Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München.

So urteilen die Gerichte

Die Rechtsprechung hebt aber darauf ab, inwieweit der Praxisvertreter in die Betriebsorganisation des Vertretenen eingebunden ist, ob er fachlichen und organisatorischen Weisungen Dritter unterliegt und ob er selbst weisungsbefugt ist. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist das Gesamtbild der Tätigkeit, wie Ärzte diese tatsächlich leben. Und das muss mit möglicherweise vorhandenen vertraglichen Regelungen nicht unbedingt übereinstimmen. Wenn Merkmale einer abhängigen und einer selbstständigen Tätigkeit gleichzeitig vorliegen, kommt es darauf an, welche Merkmale bei der Leistungserbringung überwiegen. „Die Tendenz in der Rechtsprechung geht dahin, dass Fremdbestimmung und damit eine abhängige Beschäftigung vorliegt, wenn Ärzte in eine fremde Organisation eingebunden sind“, erklärt Müller. Für Kliniken ist das durchgestritten: Die selbstständige Honorarärztin ist dort ebenso Geschichte wie der freiberufliche Vertretungsarzt

Das sollte in Verträgen stehen

In der Arztpraxis ist eine selbstständige Vertretung noch möglich, wenn Vertreterin oder Vertreter tatsächlich anstelle des vertretenen Arztes tritt. Dabei sind diese Punkte zu beachten:

  • Ein schriftlicher Praxisvertretervertrag ist zu Dokumentationszwecken zu schließen.
  • Der Vertrag ist so zu leben, wie Ärzte ihn geschlossen haben.
  • Der Vertreter muss weisungsfrei, seinerseits aber weisungsbefugt gegenüber dem Praxispersonal sein, auch gegenüber nachgeordneten Ärzten.
  • Der Vertreter muss in seiner Zeiteinteilung grundsätzlich frei sein, aber natürlich seinen Versorgungsauftrag erfüllen.
  • Urlaubsansprüche und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall müssen ausdrücklich ausgeschlossen sein.
  • Es empfiehlt sich eine unternehmerähnliche erfolgsabhängige Vergütung.

Tim Müller Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München

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