Praxisgemeinschaft: Fehler bei der Zusammenarbeit vermeiden
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Praxisgemeinschaft: Fehler bei der Zusammenarbeit vermeiden

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Schließen sich Ärzte zu einer Praxisgemeinschaft zusammen, müssen sie das Kooperationsmodell auch leben. Sonst kann das zu Honorarrückforderungen durch die Kassenärztliche Vereinigung führen. Um dem zu entgehen, sollten sich die Beteiligten exakt an die Spielregeln halten.

Bei einer Praxisgemeinschaft spricht man auch von einer Organisationsgemeinschaft. Ärztinnen und Ärzte schließen sich zusammen mit dem Ziel, Räume, Geräte und Personal gemeinsam zu nutzen. Das ist vertraglich genau zu regeln. Die Berufsausübung erfolgt im Gegensatz zur Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) nicht gemeinsam. Die Kriterien einer Praxisgemeinschaft sind:

  • Jeder der beteiligten Ärzte führt seine Praxis wirtschaftlich selbstständig.
  • Jeder Arzt rechnet selbst gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ab.
  • Jede Praxis erhält von der KV eine eigene Abrechnungsnummer.

Spielregeln für Vertretungen beachten

Auch bei einer Praxisgemeinschaft ist eine gegenseitige Vertretung möglich, soweit es die gesetzlichen Vorschriften zulassen. Aber Vorsicht: Über 20 Prozent Patientenidentität bei einer fachgleichen Praxisgemeinschaft und über 30 Prozent Patientenidentität in einer fachübergreifenden Praxisgemeinschaft kann nach den Grundsätzen des Bundessozialgerichts für eine gemeinsame Praxisführung und somit für eine BAG sprechen.

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 9. Juni 2021, Aktenzeichen L 7 KA 13/19) zeigt, dass sich Ärzte bei einer Patientenidentität von unter 20 Prozent aber nicht in Sicherheit wiegen können. „Das Gericht hob hervor, dass es nicht darauf ankomme, einen bestimmten prozentualen Anteil identischer Patienten zu erreichen“, erklärt Daniela Groove, Rechtsanwältin bei Ecovis in München. Wurde lediglich nach außen der Eindruck einer Praxisgemeinschaft erweckt, kann die KV auch bei einer Patientenidentit.t von unter 20 Prozent das Honorar des einzelnen Arztes kürzen. Im vorliegenden Fall hatten sich die Fachärzte für Anästhesie der Praxisgemeinschaft gegenseitig vertreten. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Vertretungen nach der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) lag aber nicht vor. Eine Vertretung ist nur möglich, wenn der Vertragsarzt

  • aufgrund einer Erkrankung,
  • während der Urlaubszeit,
  • bei Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildung oder
  • wegen einer Wehrübung

an der Ausübung seiner Tätigkeit in der Praxis verhindert ist. Das heißt: Er ist nicht nur stundenweise abwesend, und die Praxis bleibt insgesamt geschlossen.

Das ist der Unterschied zu einer Berufsausübungsgemeinschaft: Wird die Leistung eines Arztes durch die anderen Ärzte der BAG aufgefangen, beispielsweise während einer krankheitsbedingten Abwesenheit, liegt nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2011 (Aktenzeichen B 6 KA 31/10 R) keine Vertretung vor. Im Fall des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg waren beide Ärzte während der Untersuchung des Patienten am gleichen Tag in ihrer Praxis anwesend und es wurde auch kein Vertreterschein genutzt.

Gewinnpooling unbedingt vermeiden

Ein weiteres Indiz für eine Schein-Praxisgemeinschaft kann das Gewinnpooling sein. Darunter ist die gemeinsame Realisierung von Gewinnen und Verlusten zu verstehen, die die Ärzte anhand eines Verteilungsschlüssels untereinander aufteilen. Damit kann der Verdacht entstehen, dass die Ärzte die Organisationsform der Praxisgemeinschaft nur gewählt haben, um die Fallzahlen der Einzelpraxen zu erhöhen oder die für eine BAG vorgesehene Abrechnungsbeschränkung im Honorarverteilungsmaßstab zu umgehen.

„Aufgrund der neueren Rechtsprechung ist es anzuraten, die Kooperationsform Praxisgemeinschaft auf den Prüfstand zu stellen“, empfiehlt Groove. Weist die Kooperationsform mehr Merkmale einer BAG auf, sollten die Ärzte die Kooperationsform wechseln und eine BAG gründen. Diese ist zuvor vom Zulassungsausschuss zu genehmigen. Beide Organisationsformen haben Vor- und Nachteile. Deshalb sollten Heilberufler genau schauen, wie und in welchem Umfang sie zusammenarbeiten und gemeinsame Patienten behandeln wollen. „Es kann besser sein, neu zu gründen, als bei einer Einzelfallprüfung der KV dann massive Honorarrückforderungen bezahlen zu müssen“, sagt Groove.

Sie planen eine Praxisgemeinschaft?

Sie planen, eine Praxisgemeinschaft zu gründen, oder wollen nochmals prüfen, ob Sie mit Ihrer bestehenden Praxisgemeinschaft rechtlich auf der sicheren Seite sind? Dann lesen Sie hier: https://www.ecovis.com/medizin/gesellschaftervertrag-in-derpraxisgemeinschaft-gute-vertraege-fuer-gute-zusammenarbeit/

Daniela Groove, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München

 

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