Pflegekräfte nach Tarif bezahlen: Gehaltsanpassung ab sofort Pflicht
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Pflegekräfte nach Tarif bezahlen: Gehaltsanpassung ab sofort Pflicht

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Seit dem 1. September 2022 sind nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif oder kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen oder mindestens in Höhe eines Tarifvertrags oder einer kirchenarbeitsrechtlichen Regelung bezahlen. Dieses Vorgehen wurde im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) bereits im Sommer 2021 im Bundestag verabschiedet.

Nur Pflegeeinrichtungen mit tariflicher oder vergleichbarer Vergütung sind zugelassen

Die neue Regelung schlägt sich in Paragraph 72 Absatz 3a bis 3f Sozialgesetzbuch (SGB) XI nieder. Dort ist geregelt, dass die Landesverbände der Pflegekassen seit dem 1. September 2022 Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abschließen dürfen, die bei der Vergütung ihrer Pflegekräfte tarifgebunden sind.

Sind Pflegeeinrichtungen nicht tarifgebunden, dürfen die Pflegekassen mit ihnen nur noch Versorgungsverträge abschließen, wenn sie ihren Pflege- und Betreuungskräften eine Vergütung zahlen, die

  • die Höhe der Entlohnung eines einschlägigen Tarifvertrags nicht unterschreitet, oder
  • die Höhe der Entlohnung eines einschlägigen Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen fachlicher Geltungsbereich mindestens eine andere Pflegeeinrichtung in der Region erfasst, in der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, oder
  • die an das jeweilige regional übliche Entlohnungsniveau angepasst ist.

Wie können nicht tarifgebundene Pflegebetriebe diese Voraussetzungen erfüllen?

Damit Pflegekassen nach den gesetzlichen Neuregelungen weiterhin Versorgungsverträge abschließen können, stehen Pflegebetrieben, die nicht tarifgebunden sind und ungebunden bleiben möchten, grundsätzlich zwei Wege offen:

1. „Durchschnittsanwender“: Die Pflegeeinrichtung stellt sicher, dass sie bei der Bezahlung ihrer Beschäftigten in der Pflege oder Betreuung

  • das aktuell veröffentlichte regional übliche Entlohnungsniveau jeweils im Durchschnitt für die betreffende Beschäftigtengruppe sowie
  • das jeweils veröffentlichte regional übliche Niveau der pflegetypischen Zuschläge

nicht unterschreitet. Diese Regelung gilt für diese drei Beschäftigtengruppen (Qualifikationsgruppen):

  • Pflege- und Betreuungskräfte ohne mindestens einjährige Berufsausbildung
  • Pflege- und Betreuungskräfte mit mindestens einjähriger Berufsausbildung
  • Fachkräfte in den Bereichen Pflege und Betreuung mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung

oder

2. „Tarifanwender“: Die Pflegeeinrichtung stellt sicher, dass sie ihre Beschäftigten in der Pflege oder Betreuung mindestens entsprechend eines regional anwendbaren Tarifvertrags oder kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen in der jeweiligen aktuell gültigen Fassung bezahlt.

Damit Pflegeeinrichtungen diese Vorgabe korrekt umsetzen können, müssen sie weitere Voraussetzungen beachten. So ist beispielsweise

  • das Lohngefüge des jeweiligen Tarifvertragswerks unter Mindesteinhaltung der jeweiligen Erfahrungsstufen sowie
  • die Einhaltung der Eingruppierungsgrundsätze und
  • die gesetzlich erforderlichen Entlohnungsbestandteile zu beachten.

Die Lohnhöhe des maßgebenden Tarifvertragswerks dürfen die Pflegeeinrichtungen mit der Bezahlung aber nicht überschreiten.

Eine vollumfängliche Anwendung des Tarifvertrags, also zum Beispiel hinsichtlich nichtpflegetypischer Zulagen, Urlaubsregelungen oder Kündigungsfristen, ist mit dieser Lösung nicht verbunden. Denn diese Regelungen sind nicht Bestandteil der Entlohnung im Sinne des neuen Gesetzes.

Was Pflegeeinrichtungen jetzt tun müssen

Pflegeeinrichtungen müssen unbedingt auf die neue Gesetzeslage reagieren und die Vorschriften zur Einhaltung der gesetzlichen Tariflöhne beachten. „Zudem müssen sie ihre Arbeitsverträge mit den Pflegekräften entsprechend ändern. Da die Regelungen sehr komplex sind, empfehlen wir rechtliche Unterstützung bei der Umsetzung in Anspruch zu nehmen“, sagt Anne-Franziska Weber, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Ecovis in München.

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