Medizinisches Cannabis: „Drogen“ auf Kosten der Krankenkassen

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München – Bei bestimmten Erkrankungen können Patienten künftig auf Cannabisprodukte zurückgreifen, deren Kosten die Krankenkassen übernehmen müssen. Für Heilberufler ergeben sich neue Therapiemöglichkeiten, allerdings auch neue Haftungsrisiken.
Cannabis und der darin enthaltene, medizinisch wirksame Inhaltsstoff  (THC) werden schon heute offiziell bei vielen Erkrankungen eingesetzt. So dürfen bereits seit 1983 der synthetische Ableger Nabilon und seit 1998 der natürliche Wirkstoff Dronabinol verschrieben werden. Zudem ist davon auszugehen, dass viele Patienten Cannabisprodukte auch inoffiziell zur Linderung und Behandlung diverser Symptome ohne ärztliche Rücksprache anwenden.
Mittlerweile verschließen der Gesetzgeber und die Rechtsprechung die Augen nicht mehr vor der Realität und reagieren mit der Nachbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Um auf dem Laufenden zu bleiben sollten sich Heilberuf er daher mit der Thematik beschäftigen und auch die hierfür maßgeschneiderten Beratungsleistungen in Anspruch nehmen.
Oftmals begegnen behandelnden Ärzten und auch Apothekern Patienten im Alltag, bei denen eine Behandlung unter Verwendung von Cannabisprodukten nicht nur eine ergänzende oder begleitende Alternative zu langjährig etablierten Verfahren sein kann. In Betracht kommt hierbei beispielsweise eine Therapie bei chronischen Schmerzerkrankungen und neurologischen Indikationen wie multipler Sklerose oder Querschnittslähmung. Aber auch onkologische Patienten könnten laut Studien zur Reduzierung von Nebenwirkungen der Krebstherapie wie Übelkeit und Erbrechen mit Cannabisprodukten behandelt werden. Während Cannabis gesellschaftlich immer noch höchst kontrovers diskutiert wird, verändert sich die medizinische und rechtliche Handhabung fortlaufend hin zu einer objektiven Bewertung mit einem verantwortungsvollen Umgang zum Wohl der Patienten. So hat jüngst der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2016 (Az. BVerwG 3 C 10.14) hin entschieden, dass der Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken sogar im öffentlichen Interesse liegt, wenn der Patient an einer schweren Erkrankung leidet und ihm zur Behandlung der Krankheit keine gleich wirksame und für ihn erschwingliche Alternative zur Verfügung steht.
Diese Entscheidung basiert auf dem Grundprinzip des Grundgesetzes (Art. 2 Abs. 2 Satz 1), dass jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. Demnach dürfen Betroffene sogar privat Cannabis anbauen, wenn ihnen dieses nicht wirtschaftlich vertretbar auf andere Weise zur Verfügung gestellt werden kann. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hat also Klartext gesprochen: Wenn das Gesundheitssystem Cannabis nicht in bestimmten Fällen dem Einzelnen zur Verfügung stellen kann, ohne hierfür horrende Preise zu verlangen, dann darf sich ein Betroffener durch Eigenanbau selbst helfen, sofern keine Versagungsgründe vorliegen. Dies wären beispielsweise, dass der vorgesehene Verantwortliche nicht die erforderliche Sachkenntnis hat, die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht ständig erfüllen kann oder dass Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Verantwortlichen ergeben.
Das Urteil des BVerwG mag auf der einen Seite wegweisend sein, eröffnet aber insbesondere für Ärzte auch eine Vielzahl von Fragestellungen und Haftungsrisiken. Es stellt sich nicht nur die Frage, wann eine Therapie mit Cannabisprodukten nicht möglich ist, vielmehr könnte der behandelnde Arzt auch in eine Situation geraten, in der eine solche Verordnung zwingend medizinisch notwendig sein könnte. So legte das Bundesgesundheitsministerium bereits einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor, nach dem die gesetzlichen Krankenkassen in Zukunft für die Kosten einer Cannabistherapie aufkommen müssen.
Industrie und Landwirtschaf bereiten sich deshalb schon auf diesen Tag vor. Landwirte beantragen Lizenzen für den Anbau von Cannabis, Start-ups entwickeln Equipment zur Aufbereitung und Verwendung der Cannabisprodukte. Heilberuf er sollten sich schon deshalb frühzeitig mit der rechtlichen Lage und den damit einhergehenden Möglichkeiten sowie Pflichten zur verantwortungsvollen Verbesserung der Patientenversorgung beschäftigen. Deutschland ist mit seiner Entscheidung spät dran. Beispiel USA: Bei den jüngsten Wahlen haben viele nur das Duell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump zur Kenntnis genommen. Dabei haben einige US-Bundesstaaten auch über die Legalisierung von Cannabis abgestimmt. Und der wahrscheinlich sonnigste und bekannteste US-Bundesstaat Kalifornien hat mit Ja gestimmt.
Wann Cannabisarzneimittel künftig von der Krankenkasse bezahlt werden
Damit die Krankenversicherung die Kosten für Cannabisarzneimittel übernimmt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss sich um eine schwerwiegende Erkrankung handeln.
  • Es gibt keine Alternative zur Behandlung mit Cannabisarzneimitteln.
  • Es besteht die Aussicht auf eine spürbare positive Beeinflussung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome.
  • Der Patient nimmt an einer anonymisierten Begleitforschung teil. Damit sind keine über die Therapie hinausgehenden Untersuchungen oder Interventionen verbunden.

Quelle: Bundesgesundheitsministerium

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