Internet und Social Media: Fluch oder Segen für Mediziner?

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München – Internet und soziale Medien beeinflussen heute nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Dabei sind auch die heilenden Berufsgruppen fester Bestandteil der globalen Vernetzung und weltweiter Informationsflüsse.

Patientinnen und Patienten können und möchten sich über Smartphone und Co über Krankheiten und Heilungsmöglichkeiten von überall aus informieren. Für viele Berufsträger ist dieser Trend aber Fluch und Segen zugleich. Man muss sich positionieren, darf dabei jedoch nicht die besonderen Pflichten übersehen, die sich aus dem gewählten Beruf ergeben. So ist auch bei der Nutzung sozialer Medien das strenge und oftmals nicht den aktuellen digitalen Gegebenheiten angepasste Standes- und Berufsrecht zu beachten, um sich nicht beispielsweise dem Vorwurf eines unangemessenen Auftretens in der Öffentlichkeit zulasten der gesamten Berufsgruppe auszusetzen.
Zudem werden insbesondere Bewertungsportale für Arztpraxen immer stärker genutzt und zur Steigerung des Bekanntheitsgrads sowie zur Bindung von Patienten eingesetzt. Hierauf spezialisierte lokale Marketingagenturen und auch Platzhirsche wie Google oder n-tv.de kontaktieren Praxisinhaber offensiv, um diese auf die wirtschaftlichen und kostenpflichtigen Möglichkeiten der Digitalisierung aufmerksam zu machen. Dabei wird häufig der Slogan verwendet „Wer nicht im Netz ganz oben steht, der ist nirgendwo“. Die Angebote und Möglichkeiten klingen meistens attraktiv und wirtschaftlich vertretbar. „Auf der anderen Seite sind Arzt und Zahnarzt aber auch mit der steigenden sogenannten digitalen Bekanntheit vermehrt den Gefahren anonymer Falschbewertungen, Schmähkritik und unwahren Tatsachenbehauptungen ausgesetzt“, sagt Rechtsanwalt Benjamin Ruhlmann.
Das Internet ist nicht nur eine Einbahnstraße, die es ermöglicht, günstige Inhalte ohne Reaktion zu platzieren. Vielmehr haben die einzelnen Zielgruppen, insbesondere die Patienten, die Möglichkeit, eigene Inhalte über ihre Erfahrung in einer Praxis publik zu machen und somit die Wahrnehmung des Einzelnen in der Öffentlichkeit massiv zu beeinflussen. Auch wenn die überwiegende Mehrheit der Bewertungsplattformen hierzu behauptet, neben den vorgeschriebenen gesetzlichen Bestimmungen auch selbst gesetzte Richtlinien und deren Einhaltung für „Sachlichkeit im Netz“ zu forcieren, zeichnet die Realität jedoch regelmäßig ein anderes Bild.
Ärztinnen und Ärzte werden beleidigt, oder gesetzlich Versicherte machen ihrem Frust gegenüber einer angeblichen Bevorzugung von Privatpatientinnen und -patienten Luft. Stehen solche negativen Bewertungen erst einmal im Raum, so sind diese nur durch aktives Eingreifen korrigierbar. Grundsätzlich ist hierzu eine regelmäßige Kontrolle zu empfehlen, um negative Netzinhalte zeitnah zu sichten und auf deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. „Die jüngste Häufung gerichtlicher Urteile zu diesem Themenbereich zeigt, dass die geschäftlich orientierten Plattformen im Internet von einer Art der Narrenfreiheit ausgehen und oftmals außerhalb der Gerichtssäle nicht zu einer sachlichen Aufarbeitung und Klärung des Einzelfalls bereit sind“, sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Tim Müller.
Der wirtschaftliche Aufwand würde das Geschäftsmodell und somit die Ertragschancen schlicht uninteressant machen. Dabei möchten sich die Betreiber von Bewertungsplattformen oftmals durch die Berufung auf das deutsche Telemediengesetz – insbesondere Paragraph 12 Abs. 2 TMG – zu Beschützern der Anonymität des Einzelnen im Internet aufschwingen und interpretieren jüngste höchstrichterliche Urteile hierzu einseitig und allein in ihrem Sinne, beispielsweise das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1. März 2016 (Az. VI ZR 34/15). Um ungerechtfertigte Nachteile für die betroffenen Ärztinnen, Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte zu vermeiden, ist ein frühes Tätigwerden angezeigt, um der Eigendynamik des Internets von Anfang an vorzugreifen. Hierbei sollte man auch die gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung der eigenen Individualrechte nicht ausschließen.
„Entstehen durch Portalbewertungen ungerechtfertigte Nachteile für Ärzte, sollte rechtzeitig eingegriffen und über eine gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung der eigenen Individualrechte nachgedacht werden.“
Benjamin Ruhlmann, MBA-HSG, Rechtsanwalt bei Ecovis in München, benjamin.ruhlmann@ecovis.com
 

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