„Freie“ Anästhesistin ist scheinselbstständig
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„Freie“ Anästhesistin ist scheinselbstständig

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Eine in die Organisationsabläufe der Klinik eingebundene „freie“ Anästhesistin ist abhängig beschäftigt und damit scheinselbstständig. Das hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschieden.

Hintergrund

Eine Fachärztin für Anästhesie schloss mit einem Krankenhaus einen Vertrag als Honorarärztin in der Abteilung für Anästhesie. Sie sollte die Aufgaben eines Facharztes übernehmen und am Bereitschaftsdienst teilnehmen. Laut Vertrag verpflichtete sie sich, ihre Aufgaben persönlich wahrzunehmen und mit dem leitenden Arzt der Abteilung und dem übrigen Personal der Abteilung und der Klinik zusammenzuarbeiten. Die Beteiligten waren sich einig, dass ein Angestelltenverhältnis ausdrücklich nicht begründet werden sollte.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV Bund) gelangte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens allerdings zu der Auffassung, dass eine abhängige Beschäftigung vorliege. Für ein Angestelltenverhältnis spreche, dass die Anästhesistin

  • in einem Dienstplan eingetragen war,
  • ausschließlich Patienten des Krankenhauses behandelte,
  • die Funktion eines Klinikarztes ausfüllte und
  • keine eigenen Patienten behandelte.
  • Sie konnte gegenüber dem Personal des Krankenhauses Weisungen erteilen,
  • war selbst gegenüber Chef- und Oberärzten weisungsgebunden,
  • hatte feste Arbeitszeiten einzuhalten und
  • erhielt einen Stundenlohn vergütet.
  • Außerdem setzte sie kein eigenes Kapital ein,
  • erhielt im Krankenhaus kostenfreie Verpflegung und Unterkunft und
  • die Rechnungsstellung wurde durch eine gegengezeichnete Stundesaufstellung ergänzt.

Die Anästhesistin hat demnach in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation gearbeitet. Für eine selbstständige Tätigkeit sprach lediglich, dass sie eine eigeneBerufshaftpflichtversicherung unterhielt und Aufträge auch ablehnen konnte.

Urteil des Gerichts

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass die Anästhesistin zu dem Krankenhaus in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Urteil vom 18.01.2018, L 1 KR 441/15). Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliege, richte sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen. Die Einstufung als abhängige Beschäftigung basierte im Wesentlichen auf denselben Argumenten und Indizien wie sie die DRV Bund bereits im Widerspruchsverfahren vorgebracht hatte.
Besonders schwer wog die Tatsache, dass sie ihre Tätigkeit im Rahmen der organisatorischen Vorgaben und Strukturen des Krankenhauses zu bewältigen hatte. Letztlich ist die Tätigkeit eines Anästhesisten in einem OP-Saal schon vom Zusammenwirken im Team geprägt, das das Krankenhaus zusammenstellt.

Praxishinweis

„Die Entscheidung des Gerichtes kam nicht überraschend, denn damit reiht es sich in unzählige bereits in der Vergangenheit ergangene Urteile zum Thema Honorarärzte im Gesundheitswesen ein“, sagt Martin Fries, Steuerberater bei Ecovis in Aschaffenburg. Diese Urteile sind: Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.01.2013, L 7 R 78/11; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2013, L 5 R 3755/11; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 16.12.2015, L 2 R 515/14 und L 2 R 516/14; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.02.2017, L 8 R 850/14; Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 10.08.2017,  L 1 KR 394/15).
Martin Fries, Steuerberater bei Ecovis in Aschaffenburg

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