Umsatzsteuer: Erleichterung für Privatkliniken

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München – Im Streit um die Umsatzsteuerfreiheit hat ein Urteil Klarheit gebracht und zeigt, dass die nationale Steuerbefreiung nicht im Einklang mit dem EU-Mehrwertsteuersystem steht.

Nach den Regelungen des deutschen Umsatzsteuergesetzes gelten die Steuerbefreiungen grundsätzlich nur für Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, und es bestehen hinsichtlich der Steuerbefreiung von Privatkliniken erhebliche Einschränkungen. Diese können nach nationalem Verständnis ihre Leistungen nur steuerfrei erbringen, wenn sie als Hochschulklinik anerkannt sind, in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen worden sind oder wenn sie einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen geschlossen haben.

Die Steuerfreiheit für erbrachte Heilbehandlungen steht damit unter Bedarfsvorbehalt, denn Kassenverbände dürfen nur dann Versorgungsverträge abschließen, wenn dies für die bedarfsgerechte Versorgung gesetzlich Versicherter notwendig ist. Dieser Bedarfsvorbehalt ist aber, so der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 23. Oktober 2014 (Az. V R 20/14), mit der für den nationalen Gesetzgeber verbindlichen Vorgabe des Unionsrechts im Bereich Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) nicht vereinbar. Laut Unionsrecht hat der nationale Gesetzgeber keine Befugnis, Steuerbefreiungen zu kontingentieren.

Damit sich ein Betreiber eines Privatkrankenhauses auf das günstigere Unionsrecht berufen kann – auch wenn er keinen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat –, müssen die Heil- und Krankenhausbehandlungsleistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbracht werden wie von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder solchen, die nach Paragraph 108 SGB V zugelassen sind. Die Vergleichbarkeit ergibt sich zum Beispiel daraus, dass die Ausstattung des Privatkrankenhauses der Regelausstattung einer öffentlich- rechtlichen Klinik entspricht oder dass in erheblichem Umfang auch gesetzlich Versicherte behandelt werden. Die Privatklinik muss also im Gemeinwohlinteresse handeln. Ob diese Voraussetzungen zur Berufung auf das günstige Unionsrecht erfüllt sind, muss in einer individuellen Prüfung im Einzelfall festgestellt werden.

Die Steuerfreiheit birgt jedoch nicht nur Vorteile. Denn besonders bei großen Investitionen und Anschaffungen geht mit der Steuerfreiheit auch die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs verloren, und somit muss die – in den Eingangsleistungen enthaltene – Umsatzsteuer ebenfalls finanziert werden. So können sich beim Wechsel von der bisherigen Steuerpflicht zur Steuerbefreiung nach Unionsrecht auch Nachteile ergeben, denn die bisher vom Finanzamt erstatteten Vorsteuerbeträge können unter Umständen anteilig bis zu zehn Jahre zurückgefordert werden.

Fazit:

Die derzeitigen Regeln der Steuerbefreiungen im deutschen Umsatzsteuerrecht sind für den medizinischen Bereich zu eng gefasst und stehen nicht im Einklang mit dem europäischen Mehrwertsteuersystem.

Helmut Reitberger, Steuerberater bei Ecovis in Erding, helmut.reitberger@ecovis.com

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