Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Was Ärzte davon halten
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Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Was Ärzte davon halten

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Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das gilt auch für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Ihr Einsatz gilt als kompliziert und technisch mangelhaft. Kommen wird die eAU aber auf jeden Fall für alle Beteiligten im Gesundheitswesen.

Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) sollte längst überall in den Arztpraxen, bei den Krankenkassen und den Arbeitgebern umgesetzt sein. Geplant war der Start im Januar 2021. Für die Arztpraxen ist der Versand der eAU seit 1. Oktober 2021 verpflichtend. Die Übergangsfrist lief am 30. Juni 2022 für die Praxen aus, bei denen es technische Hindernisse gab. Die Krankenkassen müssen ab 1. Januar 2023 in der Lage sein, die eAU an die Arbeitgeber zu schicken. Der Testbetrieb dazu sollte Mitte 2022 enden. Bis Ende 2022 soll dann auch die Pilotphase für Arbeitgeber abgeschlossen sein. Dann müssen alle Beteiligten (Ärzte, Krankenhäuser, Patienten, Kassen, Steuerberater, Datev und Co.) den Einsatz beherrschen. Aktuell gibt es allerdings auf allen Seiten noch große technische Probleme in der Umsetzung und viel Kritik.

Lastenverteilung zuungunsten der Ärzteschaft

Mit dem Prozess der eAU geht eine nicht unumstrittene Neuverteilung der Aufgaben einher. Sie entlastet die Versicherten und die Krankenkassen. „Denn mit der Einführung der eAU sind die ärztlichen Praxen dafür zuständig, dass die eAU-Daten an die Kasse gehen“, erklärt Larissa von Paulgerg, Zertifizierte Datenschutzbeauftragte bei Ecovis in München. Die Arbeitgeber wiederum sind in der Eigenverantwortung, die eAU ihrer Mitarbeitenden aktiv bei den Kassen abzurufen. Für Versicherte bleibt nur die Pflicht, sich wie gewohnt zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber abzumelden und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit anzugeben.

So läuft der Ausbau der eAU

Der Ausbau ist aufgrund seiner Komplexität und der Vielzahl der Beteiligten in zwei Stufen vorgesehen.

Stufe 1: Ärzte verschicken Krankmeldung elektronisch an Krankenkassen

Nicht mehr der Arbeitnehmer informiert seine Versicherung über eine Krankschreibung, sondern die Vertragsärzte übernehmen dies für ihre Patienten. Dazu sollen sie die Telematikinfrastruktur (TI) nutzen, direkt aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS) heraus mithilfe eines KIM-Dienstes (Kommunikation im Gesundheitswesen). Der Patient erhält jeweils einen Ausdruck für sich und den Arbeitgeber. Die Aufgabe, den Ausdruck an den Arbeitgeber zu schicken, bleibt zunächst Aufgabe der Versicherten.

Stufe 2: Die Krankenkassen versenden an Arbeitgeber

Ab 1. Januar 2023 soll auch der Versand der Daten an den Arbeitgeber nur noch digital erfolgen. Diese Aufgabe übernehmen die Krankenkassen, die dem Arbeitgeber die AU-Informationen elektronisch zur Verfügung stellen. Vertragsärzte sind weiterhin verpflichtet, ihren Patienten eine einfache AU-Bescheinigung auf Papier auszudrucken und auf Wunsch auch ein Exemplar für den Arbeitgeber.

Alle nicht gesetzlich Versicherten (dazu gehören alle bei sonstigen Kostenträgern und privat Versicherte) sind zunächst von der eAU ausgenommen. „Das bedeutet für Ärzte in der Praxis, dass das bisherige System mit drei Ausdrucken parallel zur eAU bestehen bleibt“, sagt von Paulgerg.

Wie funktioniert die eAU bei Hausbesuchen

Bei Hausbesuchen müssen Ärzte zukünftig Blanko-eAU-Ausdrucke aus dem PVS verwenden, die sie dann von Hand – wie bisher auch – ausfüllen. Zusätzlich sind die Daten im Anschluss an den Hausbesuch ins PVS zu übernehmen. Für AUs, die Ärzte bei Hausbesuchen ausstellen, muss die digitale Übermittlung der Daten an die Krankenkasse spätestens bis Ende des nachfolgenden Werktags erfolgen.

Was Praxisvertreter beachten müssen

Praxisvertreter benötigen einen eigenen elektronischen Heilberufeausweis (eHBA) für das Ausstellen einer eAU. Ärzte, die sich vertreten lassen wollen, müssen bei der Wahl ihrer Praxisvertretung daran denken, dass sie mit dem eHBA eine digitale Unterschrift leisten. Denn jeder Arzt benötigt einen eigenen digitalen Arztausweis, damit er alle vertragsärztlichen Tätigkeiten ausführen kann, die eine elektronische Signatur mittels eHBA erfordern. Hierzu zählen neben der eAU zum Beispiel auch das eRezept oder die Aktualisierung eines Notfalldatensatzes.

Die Unzufriedenheit der Ärzteschaft mit der eAU

„Ziel von Digitalisierungsprozessen sollte die Vereinfachung von Arbeitsprozessen auch in den Praxen sein“, sagt von Paulgerg. Der vorgesehene Prozess scheint aus heutiger Sicht allerdings nicht zu weniger Verwaltungsaufwand in den Arztpraxen zu führen. Die Ärzteschaft kritisiert, dass die Einführung der eAU die Patienten und vor allem die Krankenkassen entlastet, mit dem Ergebnis der weiteren Belastung der Arztpraxen (siehe auch Ergebnisse der KBV-Umfrage).

Check: Ist Ihre Praxis bereit für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?

Damit Sie mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durchstarten können, müssen diese technischen Voraussetzungen in Ihrer Praxis erfüllt sein:

  • Anschluss an die Telematikinfrastruktur
  • eHealth- oder ePA-Konnektor (elektronische Patientenakte, ePA)
  • Anschluss an einen KIM-Dienst und eine KIM-Adresse (Kommunikation im Gesundheitswesen, KIM)
  • Einen elektronischen Heilberufeausweis (eHBA), mindestens der Generation 2.0
  • Ein Praxisverwaltungssystem (PVS) mit dem Update für die eAU

Larissa von Paulgerg, Zertifizierte Datenschutzbeauftragte bei Ecovis in München

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