Arzthaftung: Droht jetzt eine Klagewelle?

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München – Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes 2013 sind Ärzte zur wirtschaftlichen Aufklärung der Patienten in Schriftform verpflichtet – auch wenn nicht alle Details geregelt sind.

Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, die Position der Patienten gegenüber den Leistungserbringern und Krankenkassen zu stärken. Nachdem jahrelang die Arzthaftung insbesondere durch die Rechtsprechung der obersten Gerichte geprägt und weiterentwickelt wurde, ist diese nunmehr im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, Paragraphen 630a bis 630h) verankert.

Mittlerweile werden Ärzte und ihr Handeln zunehmend hinterfragt – das Anspruchsdenken der Patienten und die Informationsmöglichkeiten via Internet nehmen stark zu. Werden die hochgesetzten Erwartungen der Patienten nicht erfüllt, ist der Weg zu den Gerichten nicht weit, und das spiegelt sich in den gestiegenen Arzthaftungsprozessen wider. Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes ist auch eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Behandlers geregelt. So heißt es im Gesetzestext des BGB: „Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist, oder ergeben sich nach den Umständen hier für hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren.“

Versicherte vor finanzieller Belastung schützen

Der Gesetzgeber möchte mit seiner Neuregelung insbesondere die gesetzlich Versicherten vor überraschenden finanziellen Belastungen schützen, da der behandelnde Arzt wegen seines täglichen Umgangs mit Abrechnungen und dem Leistungskatalog – insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung – ein überlegenes Wissen hat. Schließlich nimmt er die Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung vor und ist somit regelmäßig darüber im Bild, welche Behandlungen zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und damit erstattungsfähig sind.

Privatpatienten sind zwar aufgrund des privat abgeschlossenen Versicherungsvertrags mehr über Inhalt und Umfang der erstattungsfähigen Leistungen informiert, sind jedoch auch schutzwürdig. Besonders im Fokus dieser Regelung stehen die IGeL-Leistungen – sie dürften deshalb Hauptanwendungsfall zukünftiger möglicher Klageverfahren wegen mangelnder wirtschaftlicher Aufklärung sein. Werden IGeL-Leistungen bzw. Leistungen geplant, bei denen der behandelnde Arzt Anhaltspunkte dafür sieht, dass die Krankenversicherung des Patienten die Behandlungskosten nicht oder nur teilweise übernimmt, muss er den Patienten schriftlich darüber aufklären.

Aufklärungsumfang noch ungeklärt

Wie weit die wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Behandlers im Einzelfall geht, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen und ist bisher mangels entsprechender Rechtsprechung noch ungeklärt. Jedenfalls müssen Ärzte ihre Patienten sowohl über die Kostenentstehung als auch über die Höhe aufklären. Oft können über exakte Behandlungskosten vor Behandlungsbeginn keine präzisen Angaben gemacht werden. Hier dürfte also eine Schätzung ausreichen. Ungeklärt ist auch, ob der Arzt dem Patienten eine fiktive GOÄ-Abrechnung erstellen oder nur einen voraussichtlichen Endbetrag nennen muss. Da der Gesetzgeber nicht auf die GOÄ verweist, dürfte es genügen, die voraussichtlichen Behandlungskosten in Euro anzugeben.

Bei unterbliebener oder unzureichender wirtschaftlicher Aufklärung, insbesondere im Hinblick auf die vom Gesetzgeber geforderte Schriftform, kann der Patient die Zahlung der Behandlungskosten verweigern. Ärzte, die nicht richtig aufklären, laufen Gefahr, dass sie Teile ihrer Honorarforderung nicht durchsetzen können. Mediziner sollten daher ihrer wirtschaftlichen Aufklärungspflicht penibel nachkommen, diese entsprechend dokumentieren und sich die erfolgte wirtschaftliche Aufklärung mittels Unterschrift des Patienten auf einem schriftlichen Aufklärungsformular bestätigen lassen.

Aufklärungspflicht im Notfall

Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht ist in Fällen der unaufschiebbaren Behandlung nicht notwendig, also insbesondere in Notfällen. Darüber hinaus kann der Patient auch ausdrücklich auf die wirtschaftliche Aufklärung verzichten. Diesen Verzicht sollte sich der behandelnde Arzt aber unbedingt schriftlich bestätigen lassen. Strafrechtlich dürfte ein „wirtschaftlicher Aufklärungsfehler“ keine Auswirkungen haben. Dogmatisch ordnet der Gesetzgeber die wirtschaftliche Aufklärung zwar auf der Ebene der Einwilligung zur Behandlung ein und eröffnet somit grundsätzlich den Tatbestand der Körperverletzung bei unzureichender Aufklärung wegen fehlender Einwilligung. Jedoch wird die Norm nach Sinn und Zweck so auszulegen sein, dass der Patient nur nicht in die „finanzielle Belastung“ eingewilligt hat, aber doch in die Durchführung der Behandlung selbst.

Eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht soll den Behandler nach der Gesetzesbegründung vor allem in folgenden Fällen treffen:

  1. Bei der Erbringung ärztlicher Leistungen gegenüber gesetzlich Versicherten die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und derzeit nicht erstattungsfähig sind.
  2. Bei den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL-Leistungen) sowohl gegenüber den gesetzlich Versicherten als auch den Privatpatienten.
  3. Bei Behandlungen, bei denen die Privatkassen regelmäßig im Rahmen der Kostenübernahme Probleme bereiten

FAZIT:

Damit Ärzte nicht auf den Kosten einer Behandlung sitzen bleiben, müssen sie die wirtschaftliche Aufklärung dem Patienten schriftlich übergeben und sich den Empfang am besten ebenfalls schriftlich bestätigen lassen.

Autorin: Isabel Wildfeuer, Rechtsanwältin bei Ecovis in München, isabel.wildfeuer@ecovis.com

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