Gewerbesteuer: Der Fluch der steuerlichen Abfärberegel

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München – Selbstständig tätige Ärzte sind nicht gewerbesteuerpflichtig. Ob das allerdings auch für Ärzte in medizinischen Versorgungszentren gilt, ist mehr als fraglich.

Der freie Beruf des Arztes unterliegt grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer. Werden jedoch in einer Gemeinschaftspraxis sonstige Tätigkeiten ausgeführt, beispielsweise der Verkauf von Hilfsmitteln, Massagekissen, Kontaktlinsen oder medizinischen Fachbüchern, kann eine Gewerbesteuerpflicht eintreten. Die gewerbliche Tätigkeit färbt dann auf die freiberufliche Tätigkeit ab, und der Gesamtgewinn der Praxis wird gewerbesteuerpflichtig.

In medizinischen Versorgungszentren (MVZ) – einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft von Ärzten verschiedener Fachrichtungen – tritt noch eine weitere Problematik auf. Durch die Anstellung eines Arztes aus einer anderen Fachrichtung stellt sich die Frage, ob die Ärzte, die das MVZ gegründet haben, diesen „fachfremden“ Arzt genügend überwachen können und überhaupt noch eine eigenverantwortliche ärztliche Tätigkeit ausüben. Wenn Letzteres nicht der Fall wäre, so läge auch hier eine gewerbliche Tätigkeit des MVZ vor, die auf die Gesamtpraxis abfärbt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 16. Juli 2014 zu diesem Thema Stellung bezogen (BFH VIII R 41/12) und entschieden, dass selbstständige Ärzte ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich ausüben, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals patientenbezogen Einfluss nehmen, sodass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt. Führt ein selbstständiger Arzt die anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durch und legt er für den Einzelfall die Behandlungsmethode fest, so ist die Erbringung der ärztlichen Leistung durch angestellte Ärzte regelmäßig als Ausübung leitender eigenverantwortlicher freiberuflicher Tätigkeit des selbstständigen Arztes anzusehen.

Ob dieses Urteil im MVZ angewendet werden kann, bleibt äußerst umstritten, zumal durch die Anstellung eines fachfremden Arztes das Kriterium der Fachkenntnisse in diversen Konstellationen fraglich bleiben wird. Dies trifft beispielsweise zu, wenn Urologen einen Internisten oder Orthopäden einen Chirurgen im MVZ anstellen. Der „Stempel der persönlichen Leistungserbringung“ durch die Urologen oder Orthopäden wird in diesem Fall nicht aufgedrückt werden können.

Durch das Urteil des BFH ist die Problematik der angestellten fachfremden Ärzte in einem MVZ aus Ecovis-Sicht nicht entschärft worden, vielmehr fehlt es weiterhin an der eigenverantwortlichen Tätigkeit durch die MVZ-Gründer. Diskussionen mit der Betriebsprüfung sind daher schon jetzt vorprogrammiert, und die Gewerbesteuerpflicht für das ganze MVZ kann eintreten.

Durch die bereits 2001 eingeführte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer wurde die Problematik zwar teilweise entschärft, die entstehenden Gewerbesteuernachzahlungen können in vielen Fällen aber nicht vollständig durch die Anrechnung bei der Einkommensteuer ausgeglichen werden. Zudem kommt es in Gemeinden mit hohen Gewerbesteuerhebesätzen nach wie vor nicht zu einer Vollanrechnung der Gewerbesteuer, sodass eine definitive Steuerlast verbleibt.

FAZIT:

Wenn Sie Ihr Dienstleistungsspektrum erweitern und neue Partner in das von Ihnen gegründete MVZ aufnehmen wollen, sollten Sie die Situation unbedingt im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen analysieren und steuerlichen sowie rechtlichen Rat einholen.

Gerhard Schapperer, Steuerberater bei Ecovis in München, gerhard.schapperer@ecovis.com

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