Neue Rechtsprechung: Nachweis von Krankheitskosten zur Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen

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Entstehen Mehraufwendungen „zwangsläufig“ – d. h. Aufwendungen, denen man sich aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann –, können diese im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht werden. Berücksichtigungsfähig sind Kosten, soweit diese nicht z. B. von einer Versicherung oder Krankenkasse erstattet werden und eine sog. zumutbare Belastung (zwischen 1 % und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte) übersteigen (siehe § 33 EStG).
„Echte“ Krankheitskosten gelten ohne Rücksicht auf die Art und Ursache der Erkrankung regelmäßig als „zwangsläufig“ im Sinne dieser Vorschrift. Bei Aufwendungen für vorbeugende Maßnahmen (z. B. Badekuren, Frischzellen- oder Ayurveda-Behandlung) oder Maßnahmen, die nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können (z. B. Fettabsaugung, Schadstoffvermeidung durch Asbestbeseitigung an Gebäuden oder neue Möbel wegen Formaldehydemission), gelten strengere Anforderungen. Für die Anerkennung derartiger Aufwendungen verlangten Rechtsprechung und Finanzverwaltung bislang, dass die medizinische Notwendigkeit durch ein vor Beginn der Maßnahme einzuholendes amts- oder vertrauens- ärztliches Gutachten bzw. eines Attests durch einen öffentlich-rechtlichen Träger nachgewiesen wird.*
An diesen strengen Nachweisanforderungen hält der Bundesfinanzhof** nicht mehr fest. Nach Auffassung des Gerichts kann der Nachweis nicht nur durch ein „amtsärztliches“ Gutachten geführt werden; ebenso wenig muss dieses „vor“ Beginn der Behandlung eingeholt werden. Das bedeutet, dass die Anerkennung entsprechender Aufwendungen nicht mehr nur deshalb versagt werden kann, weil diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Bundesfinanzhof weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Beurteilung, ob „begünstigte“ Krankheitskosten vorliegen, durch die Beweiswürdigung der Finanzämter bzw. Finanzgerichte zu erfolgen hat. Der Steuerpflichtige hat dafür entsprechende Nachweise zu erbringen; er kann dies auch später und mit Hilfe „aller geeigneter“ Beweismittel tun. Das Gericht stellt aber auch klar, dass weder Finanzamt noch Finanzgericht über entsprechende Sachkunde verfügen, sodass im Zweifel nur ein von Amts wegen in Auftrag gegebenes Gutachten über die medizinische Indikation der Maßnahme entscheiden kann.
Der Bundesfinanzhof schränkt mit dieser Entscheidung den Formalismus der Finanzverwaltung ein. Man darf gespannt sein, wie diese die Vorgaben des Gerichts praktisch umsetzen wird.
 
* Siehe dazu R 33.4 Abs. 1 EStR, H 33.1-33.4 EStH
**Urteile vom 11. November 2010 VI R 17/09 (Aufwendungen zur Behandlung einer Legasthenie) und VI R 16/09 (Anschaffung neuer Möbel wegen Asthmabeschwerden).