Folgen für den Auftraggeber bei Scheinselbstständigkeit von Auftragnehmern und mögliche Risikominimierung durch den Auftraggeber

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Für den Auftraggeber hat die Feststellung von Scheinselbständigkeit eines „freien Mitarbeiters“ im Rahmen einer Betriebsprüfung Seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund (DTRVB) weitreichende rechtliche und vor allem aber finanzielle Folgen, die oft unterschätzt werden.
Der bisher „freie Mitarbeiter“ wird nachträglich zum „Arbeitnehmer“. Der bisherige „Auftraggeber“ zum „Arbeitgeber“ mit allen dazugehörigen Haftungs- und somit vor allem Zahlungsverpflichtungen. Nachfolgend werden die Merkmale für eine Scheinselbstständigkeit, eine kurze Übersicht der Folgen für den Auftraggeber und Möglichkeiten zur Risikominimierung für den Auftraggeber, sowie der Neudefinition „Hauptberuflich Selbstständig“ ab dem 01.01.2011 im Sozialversicherungsrecht erläutert.
 

Merkmale von Scheinselbstständigkeit

Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn ein Auftragnehmer nach Vertrag eine selbständige Dienst- oder Werksleistungen für einen fremden Auftraggeber erbringt, tatsächlich jedoch Arbeiten wie in einem Arbeitsverhältnis leistet. Im Unterschied zu einem wirklichen Selbstständigen hat jedoch der
Scheinselbstständige nur einen Auftraggeber. Eine selbstständige Tätigkeit wird vom Bundes-Sozialgericht seit einem Grundsatzurteil aus 2003 wie folgt beurteilt: Der Selbstständige trägt selbst ein unternehmerisches Risiko und arbeitet in einer eigenen Betriebsstätte, mit eigenen Betriebsmitteln. Er kann über seine Arbeitskraft frei verfügen, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst festlegen. Selbstständig oder abhängig beschäftigt? Laut Bundessozialgericht kommt es darauf an, welche Merkmale hierbei überwiegen. Entscheidend dabei ist das Gesamtbild der erbrachten Arbeitsleistung und wird in jedem Einzelfall Seitens DTRVB geprüft.
Wesentliche Prüfungsmerkmale hierzu finden Sie im letzten Abschnitt unter „wie kann der Auftrag-geber dieses Risiko minimieren“.
 

Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträge

Der Auftraggeber wird zum Haftungsschuldner für die Sozialversicherungsabgaben rückwirkend bis
zu 4 Kalenderjahren. Das heißt, der Arbeitgeber (vormals Auftraggeber) trägt neben den Arbeitgeber- auch die Arbeitnehmeranteile.
Ausnahmen: Die Arbeitnehmeranteile für die vergangenen 3 Monate kann er jedoch mit dem
„künftigen Gehalt“ seines „Arbeitnehmers“ verrechnen. Berechnungsgrundlage für die Ermittlung
der jeweiligen Beitragshöhe ist das gezahlte Honorar, das von Seiten der Betriebsprüfer nunmehr
als Nettogehalt betrachtet wird.
 

Umsatzsteuerliche Folgen

Wird auch umsatzsteuerlich die Unternehmereigenschaft des „freien Mitarbeiters“ Seitens der
Betriebsprüfer verneint, so war er nicht zum Ausweis von Umsatzsteuer in seinen Rechnungen
berechtigt. Folglich war und ist der bisher erfolgte Vorsteuerabzug für den Auftraggeber unzulässig. Die abgezogenen Vorsteuerbeträge müssen für alle noch nicht veranlagten Kalenderjahre berichtigt und zurückgezahlt werden.
 

Haftung für Einkommenssteuerschulden

Bestehen evtl. aus diesen Jahren Einkommenssteuerschulden, so gilt das Haftungsprinzip des
Auftraggebers auch für diese Beträge.
Eine Nachversteuerung kann aber auch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erfolgen, wenn die Daten der Finanzamtszugehörigkeit vollständig zum Prüfungszeitraum bekannt sind.
 

Arbeitsrechtliche Folgen

Wird auch arbeitsrechtlich die Arbeitnehmereigenschaft des „freien Mitarbeiters“ festgestellt so hat der Scheinselbständige ab dem Zeitraum dieser Feststellung alle Rechte eines Arbeitnehmers, inklusive Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch sowie Lohnfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfall.
Der „neue“ Arbeitnehmer hat ein Anrecht auf laufende Nettogehaltszahlungen in der Höhe des
bisherigen Honorars.
 

Wie kann der Auftraggeber dieses Risiko minimieren?

Prüfung von wichtigen Unternehmereigenschaften bei neuen Auftragnehmern

  • Liegt eine Gewerbeanmeldung bei der Stadt oder Gemeinde des Auftragnehmers vor?
  • Tritt der Auftragnehmer als Unternehmer auf und betreibt er Eigenwerbung?
  • Setzt er eigenes Kapital, eigene Arbeitsmittel ein und arbeitet er auf unternehmerischen Risiko indem er Aufträge ablehnen und mehrere Aufträge gleichzeitig annehmen kann?
  • Erfüllt er seine Aufträge selber oder erfolgt die Beschäftigung von Arbeitnehmern?
  • Ist der freie Mitarbeiter in das Unternehmen des Auftraggebers eingegliedert und erbringt er dort ähnliche Leistungen wie beim Auftraggeber angestellte Beschäftigte?
  • Hat er eine Firmenniederlassung oder eigene Büroräume?
  • Sind seine Rechnungsnummern nicht fortlaufend und lassen so auf weitere Auftraggeber schließen?
  • Wie ist die Vereinbarung bei verursachten Schäden oder Minderqualität durch den Auftragnehmer und hat der Auftraggeber eine Unfall- und Haftpflichtversicherung abgeschlossen?

Dies nur eine kleine Auswahl der Prüfungskriterien die Seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund (DTRVB), die in diesen Fällen erfolgen. Diese Punkte und Kriterien werden in Fragebögen durch den Auftragnehmer (V027) erklärt und durch Kopien von Rechnungen oder Kopien von Vertrags-vereinbarungen belegt. Weitere und vor allem ausführlichere Hinweise hierzu finden Sie im Internet unter www.deutsche-rentenversicherung.de.
 

Versicherungspflicht für die Vergangenheit vermeiden

Die Versicherungspflicht für die Vergangenheit kann vermieden werden, wenn

  • innerhalb 1 Monats nach Aufnahme der Tätigkeit der Statusfeststellungsantrag an die Clearingstelle der DTRVB gestellt wird, der Beschäftigte/ Auftragnehmer dieser Entscheidung zustimmt und er in der Vergangenheit eine gleichwertige Vorsorge wie die zu der gesetzlichen Rentenversicherung getroffen hat.
  • innerhalb der ersten 3 Monate nach Aufnahme der Tätigkeit der Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die ersten 3 Jahre seiner Selbstständigkeit an die Clearingstelle der DTRVB gestellt wird.

 

Neudefinition ab 01.01.2011 für „Hauptberuflich Selbstständige“

Nach den neuen Regelungen ist bei allen Neubeurteilungen ab dem 01.01.2011 zu verfahren.
Hierzu hat der GKV-Spitzenverband neue Entscheidungshilfen in 12.2010 erarbeitet und dazu einen einheitlichen Begriff der „hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit“ näher definiert.
Wurde eine selbstständige Tätigkeit vor dem 01.01.2011 aufgenommen so ist bei der nächsten Prüfung des Versicherungsverhältnisses oder aber bei eine Änderung der Verhältnisse, die für die Versicherungspflicht erheblich sind, nach den neuen Grundsätzen zu verfahren.
Eine Neubeurteilung ist jederzeit auf Verlangen des Selbstständigen möglich.
Für alle bisher erfolgten Einordnungen für Hauptberuflich Selbstständige, die jedoch grenzwertig
waren, empfehlen wir daher diese Neubeurteilung Seitens der Sozialträger in die Wege zu leiten.