Folgen für den Auftraggeber bei Scheinselbständigkeit von Auftragnehmern und mögliche Risikominimierung durch den Auftraggeber

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Für den Auftraggeber hat die Feststellung von Scheinselbständigkeit eines „freien Mitarbeiters“ im Rahmen einer Betriebsprüfung seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund weitreichende finanzielle und auch rechtliche Folgen. Der vermeintlich bisher „freie Mitarbeiter“ wird nachträglich zum Arbeitnehmer. Der bisherige Auftraggeber zum Arbeitgeber mit allen dazugehörigen Haftungs- und somit vor allem Zahlungsverpflichtungen. Nachfolgend die Merkmale für Scheinselbstständigkeit, eine kurze Übersicht der Folgen für den Auftraggeber und Möglichkeiten zur Risikominimierung für den Auftraggeber:
Merkmale von Scheinselbständigkeit
Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn ein Auftragnehmer nach Vertrag eine selbständige Dienst- oder Werkleistung für einen fremden Auftraggeber erbringt, tatsächlich jedoch Arbeiten wie in einem Arbeitsverhältnis leistet. Im Unterschied zu einem wirklichen Selbständigen hat jedoch der Scheinselbständige nur einen Auftraggeber. Eine selbständige Tätigkeit wird vom Bundessozialgericht seit einem Grundsatzurteil aus 2003 wie folgt beurteilt: Der Selbständige trägt selbst ein unternehmerisches Risiko und arbeitet in einer eigenen Betriebsstätte, mit eigenen Betriebsmitteln. Er kann über seine Arbeitskraft frei verfügen, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst festlegen. Selbständig oder abhängig beschäftigt? Laut Bundessozialgericht kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen – entscheidend dabei ist das Gesamtbild der erbrachten Arbeitsleistung und wird in jedem Einzelfall seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund geprüft. Wesentliche Prüfungsmerkmale hierzu finden Sie im letzten Abschnitt unter „wie kann der Auftraggeber dieses Risiko minimieren“.
Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen
Der Auftraggeber kann rückwirkend für bis zu vier Kalenderjahre als Haftungsschuldner für die Sozialversicherungsabgaben herangezogen werden. Dabei übernimmt der Arbeitgeber (vormals Auftraggeber) neben den Arbeitgeber- auch die Arbeitnehmeranteile. Die Arbeitnehmeranteile für die vergangenen drei Monate kann er mit dem „künftigen Gehalt“ seines „Arbeitnehmers“ verrechnen. Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der jeweiligen Beitragshöhe ist das gezahlte Honorar, das von Seiten der Betriebsprüfer als Nettogehalt betrachtet wird.
Umsatzsteuerliche Folgen
Wird auch umsatzsteuerlich die Unternehmereigenschaft des „freien Mitarbeiters“ seitens der Betriebsprüfer verneint, so war er nicht zum Ausweis von Umsatzsteuer in seinen Rechnungen berechtigt. Folglich war und ist der bisher erfolgte Vorsteuerabzug für den Auftraggeber unzulässig. Die abgezogenen Vorsteuerbeträge müssen für alle noch nicht veranlagten Kalenderjahre berichtigt und zurückgezahlt werden.
Haftung für Einkommensteuerschulden
Wird im Rahmen der Betriebsprüfung auch einkommensteuerlich die Unternehmereigenschaft des „freien Mitarbeiters“ verneint und bestehen evtl. aus diesen Jahren Einkommensteuerschulden, so haftet vom Prinzip der Auftraggeber auch für diese Beträge. Haftungshöhe ist die Höhe der jeweiligen Lohnsteuerbeträge, die er monatlich an das Finanzamt hätte einbehalten und abführen müssen, wenn er den Scheinselbständigen als Arbeitnehmer berücksichtigt hätte. Die Nachversteuerung kann aber auch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erfolgen, wenn die Daten der Finanzamtszugehörigkeit vollständig zum Prüfungszeitraum bekannt sind.
Arbeitsrechtliche Folgen
Wird auch arbeitsrechtlich die Arbeitnehmereigenschaft des „freien Mitarbeiters“ festgestellt, so hat der Scheinselbständige ab dem Zeitraum dieser Feststellung alle Rechte eines Arbeitnehmers, inklusive Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch sowie Lohnfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfall. Der „neue“ Arbeitnehmer hat ein Anrecht auf laufende Nettogehaltszahlungen in der Höhe des bisherigen Honorars.

Wie kann der Auftraggeber dieses Risiko minimieren?

Prüfung von wichtigen Unternehmereigenschaften bei neuen Auftragnehmern

  • Liegt eine Gewerbeanmeldung bei der Stadt oder Gemeinde des Auftragnehmers vor?
  • Tritt der Auftragnehmer als Unternehmer auf und betreibt er Eigenwerbung?
  • Setzt er eigenes Kapital, eigene Arbeitsmittel ein und arbeitet er auf unternehmerisches Risiko, indem er Aufträge ablehnen und mehrere Aufträge gleichzeitig annehmen kann?
  • Erfüllt er seine Aufträge selber oder erfolgt die Beschäftigung von Arbeitnehmern?
  • Ist der freie Mitarbeiter in das Unternehmen des Auftraggebers eingegliedert und erbringt er dort ähnliche Leistungen wie beim Auftraggeber angestellte Beschäftigte?
  • Hat er eine Firmenniederlassung oder eigene Büroräume?
  • Sind seine Rechnungsnummern nicht fortlaufend und lassen so auf weitere Auftraggeber schließen?
  • Wie ist die Vereinbarung bei verursachten Schäden oder Minderqualität durch den Auftragnehmer und hat der Auftraggeber eine Unfall- und Haftpflichtversicherung abgeschlossen?

Natürlich ist dies nur eine kleine Auswahl der Prüfungskriterien die seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund in diesen Fällen erfolgen. Diese Punkte und Kriterien werden in Fragebögen durch den Auftragnehmer erklärt und durch Kopien von Rechnungen bzw. Kopien von Vertragsvereinbarungen belegt. Weitere und vor allem ausführlichere Hinweise hierzu finden Sie im Internet unter www.deutsche-rentenversicherung.de.
Versicherungspflicht für die Vergangenheit vermeiden

  • Die Versicherungspflicht für die Vergangenheit kann vermieden werden, wenn innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit der Statusfeststellungsantrag an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt wurde, der Beschäftigte/Auftragnehmer dieser Entscheidung zustimmt und er in der Vergangenheit eine gleichwertige Vorsorge entsprechend der gesetzlichen Rentenversicherung getroffen hat.
  • innerhalb der ersten drei Monate nach Aufnahme der Tätigkeit der Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die ersten drei Jahre seiner Selbständigkeit an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt wurde.
  • der Beschäftigte der Entscheidung der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund zustimmt, er eine gleichwertige Vorsorge in der Vergangenheit getroffen hatte und wenn er oder sein Arbeitgeber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind.

Wir empfehlen jedem Auftraggeber ausdrücklich eine Beratung von Fachleuten hierzu in Anspruch zu nehmen, um so eine falsche Feststellung seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund und die damit verbundenen Konsequenzen zu vermeiden.

Trotz größtmöglicher Sorgfalt übernehmen wir keine Haftung!