29. April 2020

Was die Corona-Krise für Stiftungskapital bedeuten kann

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Die Corona-Krise trifft Gesellschaft und Wirtschaft hart. Selbstverständlich sorgen sich auch viele Stiftungen um ihre Zukunft. Wir erklären, was die Corona-Krise für Stiftungskapital bedeuten kann und liefern eine Einschätzung der Lage.

Das Vermögen einer Stiftung besteht aus Grundstock, Rücklagen und Erträgen. Stiftungen  fördern ihren Zweck vornehmlich durch den Einsatz ihres Vermögens.

Die Leitung einer Stiftung steht dabei vor besonderen Herausforderungen, denn die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Finanzmärkte führen auch zu einer unangenehmen Situation bei Stiftungen. Die Verantwortlichen müssen einen festgestellten Vermögensverlust ihrer Anlagen rechtlich bewerten.

Erhaltungspflicht des Grundstocks

Für den Grundstock haben Stiftungen Erhaltungspflichten. Sie müssen unter bestimmten Voraussetzungen Rücklagen bilden. Diese Gelder unterliegen einer Verwendungssperre. Erträge sind notwendigerweise zu generieren, damit die Stiftung ihren satzungsgemäßen Zweck erfüllen und den Kapitalerhalt sicherstellen kann.

Stiftungsleitungen haben viele rechtliche Rahmen zu beachten

Stiftungsleitungen bewegen sich beim Vermögensmanagement innerhalb eines umfangreichen rechtlichen Rahmens, den sie beachten müssen. Der Aufwand wird häufig unterschätzt, ergibt sich aber schon allein aus der Fülle an Normen, die sie beachten müssen.

  • Bundesrecht § 80 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Steuerrecht § 55 ff. Abgabenordnung (AO)
  • Landesstiftungsgesetze
  • Stiftungssatzung (Annex: Anlagerichtlinie, soweit vorhanden)
  • Richtlinien des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW)

Das BGB fordert, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks sicherzustellen.

Die Landesstiftungsgesetze gehen hinsichtlich ihrer Vorgaben weiter. Das Stiftungsgesetz NRW sieht – neben anderen Landesstiftungsgesetzen – ein Substanzerhaltungsgebot vor (§ 4 Abs. 2 StiftG NRW, Art. 6 BayStG).

Hieraus ist die Pflicht zur Risikominimierung abzuleiten (Diversifikation). Zugleich ist die Vermögensumschichtung zulässig. Dies wird in den Stiftungsgesetzen mit dem Verweis auf die Regeln ordentlicher Geschäftsführung verbunden (ordentliches, gewissenhaftes und wirtschaftliches Handeln).

Eine weitere Leitlinie geben die Stiftungsgesetze (z. B. § 4 Abs. 1 StiftG NRW, Art. 6 BayStG) in der Form vor, dass Stiftungsorgane die Stiftung so verwalten müssen, wie es die dauernde und nachhaltige Verwirklichung des Stiftungszwecks im Sinne der Satzung oder – hilfsweise – des mutmaßlichen Willens des Stifters erfordert. Sieht die Satzung keine weitere Verwendung vor, sind die Erträge des Stiftungsvermögens sowie Zuwendungen Dritter, die nicht ausdrücklich zur Erhöhung des Stiftungsvermögens bestimmt sind, zur Verwirklichung des Stiftungszwecks und zur Deckung der Verwaltungskosten zu verwenden. Ein Beispiel dafür finden Sie in § 4 Absatz 3 und § 6 des Hessischen Stiftungsgesetzes.

Neben den vorgenannten Normen kann die Satzung Richtlinien hinsichtlich der Vermögensverwaltung vorgeben. Beachtet eine gemeinnützige Stiftung diese nicht, kann das zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen. Denn: In derartigen Fällen entspricht die tatsächliche Geschäftsführung nicht den Satzungsvorgaben.

Haftung der Stiftungsorgane

Gerade im Hinblick auf die Haftung der Stiftungsorgane, stellt sich immer häufiger die Frage nach der Rechtssicherheit im Rahmen der Anlagepolitik.

So sieht zum Beispiel das bayerische Stiftungsgesetz in Artikel 7 vor, dass Mitglieder der Stiftungsorgane zur gewissenhaften und sparsamen Verwaltung der Stiftung verpflichtet sind.

Soweit die Stiftungssatzung nichts anderes vorsieht, sind ehrenamtlich tätige Organmitglieder nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung ihrer Obliegenheiten der Stiftung zum Schadenersatz verpflichtet. Sind für den entstehenden Schaden mehrere Organmitglieder nebeneinander verantwortlich, haften sie als Gesamtschuldner.

Stiftungsleitungen sind zum Kapitalerhalt verpflichtet

Eine Ausnahme bilden Verbrauchstiftungen, oder die Stiftungssatzung gestattet einen teilweisen Verbrauch.

Aber welche Form der Werterhaltung ist geboten?

  • Beim Nominalwertprinzip wird das Kapital rein nominal erhalten. Bei einer nominellen Erhaltung spielt die Inflation eine große Rolle, die sukzessive das Kapital der Stiftung entwertet. Wird diese Form der Kapitalerhaltung gewählt und wird hier nicht durch Bildung von Rücklagen entgegengesteuert, ist die Handlungsunfähigkeit der Stiftung aufgrund eines immer weiter entwerteten Kapitalstocks unausweichlich.
  • Bei der realen Werterhaltung ist der Werterhalt an einen Index gekoppelt. So wirkt man der Entwertung durch die Inflation entgegen. In der Praxis ist jedoch die Ermittlung des Preissteigerungsindex problematisch. Für die Auswahl eines passenden Index sind neben Finanzpolitik auch volkswirtschaftliche Kenntnisse erforderlich. Daneben sollten Datenquellen für die Ermittlung vorgegeben werden, zum Beispiel des Statistischen Bundesamtes.
  • Die Substanzwerterhaltung sieht dagegen eine Erhaltung der Menge oder der Substanz vor.

Stiftungsrecht gibt keine genaue Erhaltungsform vor

In der Praxis können Sie den Satzungen oftmals keine eindeutigen Hinweise auf die Art der Vermögenserhaltung entnehmen. Das Stiftungsrecht gibt ebenfalls keine genaue Erhaltungsform vor.

Da Stiftungen regelmäßig auf Dauer angelegt sind, scheidet das Nominalprinzip wegen der permanenten Entwertung in Form der Inflation aus. Daher sollten Stiftungen, sofern keine Vorgaben existieren, die reale wertmäßige Vermögenserhaltung wählen, um ein dauerhaftes Bestehen der Stiftung und ihrer Stiftungsleistung zu sichern.

In der Rechnungslegung der Stiftung kann die Werterhaltung durch Werterhaltungsrücklagen dargestellt werden. Diese werden aus den Erträgen gebildet. Hierbei ist zu beachten, dass bei gemeinnützigen Stiftungen Rücklagen nur begrenzt gebildet werden dürfen. Für Rücklagen dürfen nur Mittel verwendet werden, die nicht der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen.

Finanzgericht Münster: Anlagestrategie muss unter Berücksichtigung der aktuellen Lage der Finanzmärkte neu beurteilt werden

Das Finanzgericht Münster hat am 11.12.14 (3 K 323/12) entschieden, dass die Anlagestrategie unter Berücksichtigung der aktuellen Lage der Finanzmärkte neu beurteilt werden müsse.

Eine kapitalerhaltende Strategie müsse demnach darauf ausgerichtet sein, ausreichend Erträge zu erzielen, sodass vor dem Hintergrund des abnehmenden Zinsniveaus – insbesondere bei den sogenannten mündelsicheren Anlagemöglichkeiten – Alternativen zu suchen sind, denen regelmäßig ein höheres Risiko anhaftet.

Das Urteil war für Stiftungen richtungweisend, da das Finanzgericht von der bisherigen konservativen Auffassung der Finanzverwaltung abweicht. Nach dessen Auffassung habe sich die Ansicht der Finanzverwaltung an die aktuelle Lage anzupassen. Das Finanzgericht München (15.1.16, 7 V 2906/15) sieht gemeinnützige Einrichtungen – und damit in der Regel auch Stiftungen – in der Pflicht, mindestens eine laufende Rendite zu erwirtschaften. Ein Verlust im Bereich der Vermögensverwaltung kann als Mittelfehlverwendung beurteilt werden.

Unsere Einschätzung

Die Rechtsprechung der Finanzgerichte verdeutlicht, in welchem Spannungsfeld sich gerade gemeinnützige Stiftungen bewegen. Die sollten beachten:

  • Stiftungsleitungen sollten darlegen können, dass sie bei der Auswahl der Anlagemöglichkeiten, insbesondere der Bewertung der möglichen Risiken, besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben. Hierzu sind in der Satzung entsprechende Anlagerichtlinien von Vorteil, da sie in Krisenzeiten mehr Flexibilität als eine in der Satzung festgelegte Anlagestrategie bieten.
  • Die Verlustsituation ist gerade dann schädlich, wenn das Verlustrisiko von Anfang an erkennbar war.
  • Ruhe bewahren, denn eine vorschnelle Umschichtung des Vermögens kann zu Krisenzeiten irrationaler sein als die Geduld zur Werterholung.

Die Corona-Krise stellt die Wirtschaft unter erhöhten Druck, was sich auch an der Börse widerspiegelt. Eine strategische und angemessene Anlage- sowie Vermögensverwaltungspolitik ist empfehlenswert.

Dokumentieren Sie die Erfüllung ihrer Vorsorge- und Sorgfaltspflichten. Ein Stiftungsvermögen kann nur erhalten werden, wenn das Management wirtschaftlich und rechtlich das gleiche Maß an Sorgfalt walten lässt. Die Stiftungsleitung sollte hinsichtlich der Wertentwicklung wachsam sein und die Möglichkeiten zur Optimierung der eigenen Vermögensverwaltung nutzen.

Dabei unterstützen wir Sie gerne.

Wilhelm Kollenbroich

Partner, Steuerberater, Zertifizierter Stiftungsberater und –manager (FS), Diplom-Kaufmann (FH)

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Wilhelm Kollenbroich

Partner, Steuerberater, Zertifizierter Stiftungsberater und –manager (FS), Diplom-Kaufmann (FH)

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