2. Juli 2020

So entsteht eine Steuernachzahlung durch Kurzarbeitergeld

Vielen Arbeitnehmern droht eine Steuernachzahlung durch Kurzarbeitergeld. Wir haben zusammengefasst, worauf Sie achten müssen.

Im April haben laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit insgesamt 6,83 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld bezogen – so viele wie noch nie zuvor! Viele Unternehmen verhinderten so betriebsbedingte Kündigungen.

Dennoch haben durch den Bezug von Kurzarbeitergeld viele Menschen deutlich weniger Geld zur Verfügung als bisher. Was ein Großteil der Betroffenen leider nicht weiß: Trotz geringerem Einkommen droht am Ende des Jahres eine Steuernachzahlung durch Kurzarbeitergeld.

Wer muss als Privatperson eine Steuererklärung abgeben?

Bei der Prüfung einer Abgabepflicht ist zwischen der Pflichtveranlagung und Antragsveranlagung zu unterscheiden:

Pflichtveranlagung

Es besteht eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung in beispielsweise folgenden Fällen:

  • Steuerklassenkombination III/V bei Ehegatten, wenn beide Eheleute arbeiten
  • selbständige/gewerbliche Einkünfte sowie Nebeneinkünfte von über 410 Euro
  • im Falle des Erhalts einer Abfindung
  • wenn man von mehreren Arbeitgebern gleichzeitig Arbeitslohn bezogen hat
  • Bezug einer Rente
  • Bezug von Kapitalerträgen, die bisher nicht dem inländischen Steuerabzug unterlagen
  • Erhalt von steuerfreien Einnahmen, die dem sogenannten „Progressionsvorbehalt“ unterliegen. Der Bezug von Kurzarbeitergeld verpflichtet somit zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung.

Diese Liste ist nicht vollständig, sprechen Sie uns zur Einzelfallprüfung gerne an.

Antragsveranlagung

Für Ledige besteht keine Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung in Steuerklasse I, sofern man ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt. Die Abgabe einer Einkommensteuererklärung kann sich lohnen, wenn man Werbungskosten hat.

Für die Abgabe der Einkommensteuererklärung im Falle einer Antragsveranlagung haben Sie vier Jahre lang Zeit.

Abgabefrist Steuererklärung 2020 bei einer Pflichtveranlagung

Steuerpflichtige müssen ihre Einkommensteuererklärung grundsätzlich bis zum 31. Juli des jeweiligen Folgejahres dem Finanzamt einreichen – die Steuererklärung für 2020 müssen Sie also bis zum 31. Juli 2021 abgeben.
Bei Beauftragung eines Steuerberaters verlängert sich die Abgabefrist bis zum 28. Februar des darauffolgenden Jahres – in diesem Fall müssen Sie die Einkommensteuererklärung 2020 bis zum 28. Februar 2022 beim Finanzamt einreichen.

Voraussetzungen und Höhe Kurzarbeitergeld

Voraussetzungen Kurzarbeitergeld

Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung die Voraussetzungen für die Anmeldung von Kurzarbeit gelockert: Nur noch zehn Prozent der Beschäftigten eines Betriebs müssen von einem vorübergehenden Arbeitsausfall betroffen sein – zuvor waren es immerhin noch 30 Prozent.

Höhe Kurzarbeitergeld

Die Höhe des Kurzarbeitergeldes beträgt grundsätzlich 60 Prozent des vorherigen Nettogehalts.

Bei längerem Bezug von Kurzarbeitergeld ist die Höhe des Kurzarbeitergeldes gestaffelt:

  • ab dem vierten Monat 70 Prozent
  • ab dem siebten Monat 80 Prozent

Bei Beschäftigten mit Kindern erhöhen sich die genannten Prozentsätze noch um jeweils sieben Prozent.

Steuerliche Behandlung Kurzarbeitergeld

Kurzarbeitergeld ist gemäß § 3 Nr. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) grundsätzlich steuerfrei, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. a Nr. 1 a EStG).

Was bedeutet Progressionsvorbehalt?

Unter den Progressionsvorbehalt fallen Lohnersatzleistungen, die grundsätzlich steuerfrei sind. Dazu gehören beispielsweise Krankengeld, Arbeitslosengeld, Elterngeld oder eben Kurzarbeitergeld.

Diese Leistungen bleiben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Rahmen der Einkommensteuererklärung auch unberührt. Sie fließen allerdings bei der Berechnung des persönlichen Steuersatzes, der auf das übrige zu versteuernde Einkommen angewandt wird, mit ein.

Einfach gesagt: Durch den Bezug von Kurzarbeitergeld steigt der Steuersatz und damit die Steuerbelastung für das übrige Einkommen.

Beispiel für den Progressionsvorbehalt bei Kurzarbeitergeld

Bezug Bruttoarbeitslohn in 2020: 30.000 Euro

Bezug Kurzarbeitergeld in 2020: 5.000 Euro

Der Einkommensteuer unterliegendes Einkommen: 30.000 Euro

Die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des persönlichen Steuersatzes wird nun so berechnet:

30.000 Euro plus 5.000 Euro gleich 35.000 Euro.

So entsteht die Steuernachzahlung durch Kurzarbeitergeld

Bei Bezug eines Arbeitslohns von 30.000 Euro liegt die Steuerbelastung bei etwa 4.320 Euro.

Bei Bezug eines Arbeitslohns von 30.000 Euro plus Kurzarbeitergeld von 5.000 Euro liegt die Steuerbelastung bei etwa 4.960 Euro.

In diesem Beispiel bedeutet das wegen des Progressionsvorbehalts eine Nachzahlung von 640 Euro.

Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei um eine stark vereinfachte Berechnung handelt. Das zu versteuernde Einkommen kann noch durch diverse andere Positionen vermindert werden. Dazu gehören unter anderem:

  • Fahrtkosten für die Wege zur Arbeit
  • Aufwendungen für Arbeitsmittel
  • Versicherungsbeiträge
  • geleistete Spenden oder
  • Krankheitskosten

Unsere Einschätzung

Da die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer schon durch das zum Teil monatlich deutlich geringere Einkommen massiv getroffen sind, wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber für das Jahr 2020 eine Sonderregelung für den Progressionsvorbehalt treffen würde.

So könnte beispielsweise das Kurzarbeitergeld für das Jahr 2020 nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Dies würde zu einer Entlastung der Arbeitnehmer in Kurzarbeit führen. Bezüglich etwaiger Änderungen halten wir Sie auf dem Laufenden.

Arbeitgeber sollten ihre von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer unbedingt auf die durch den Progressionsvorbehalt möglicherweise entstehende Nachzahlung hinweisen. Arbeitnehmer sollten monatlich Geld zurücklegen, um eine eventuelle Nachzahlung leisten zu können.

Wenn ledige Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum ausschließlich Kurzarbeitergeld und keinen zusätzlichen Arbeitslohn erzielt haben, sollten sie am Ende des Jahres vermutlich sogar eine Einkommensteuererstattung erhalten. Zumindest unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Einkünfte vorliegen. Bei verheirateten Arbeitnehmern kann dies je nach Steuerklassenkombination schon wieder anders aussehen. Eine pauschale Aussage lässt sich jedoch nicht treffen, da die Steuerberechnung einzelfallabhängig ist.

Sprechen Sie uns bei Fragen jederzeit an.

Stefanie Anders

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin Gesundheitswesen (IBG/ HS Bremerhaven), Fachberaterin für Controlling und Finanzwirtschaft (DStV e.V.)

Expert:innen zu diesem Thema

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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