1. April 2020

Erste Praxiserfahrungen mit der Soforthilfe in NRW

Inhaltsverzeichnis

Seit Freitagnachmittag besteht in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, Soforthilfe zu beantragen. Nach den ersten Tagen der Bearbeitung liefern wir Ihnen Praxiserfahrungen mit der Soforthilfe in NRW.

285.000 Anträge sind in den ersten Tagen offenbar bereits eingegangen. Dank des Einsatzes von 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Sonderschichten arbeiten, konnten bereits 256.000 Anträge bewillgt werden. Das Land will laut Ministerpräsident Armin Laschet bereits Ende der Woche die ersten Gelder auszahlen. Gute Neuigkeiten, die den ersten Eindruck unbürokratischer Hilfe scheinbar bestätigen.

Allerdings lässt sich anhand der gemachten Erfahrungen in der Praxis nicht eindeutig ein positives Bild zeichnen.

Ständig wachsender FAQ-Katalog führt zu Unsicherheit

Die Antragsstellung wirkt auf den ersten Blick unbürokratisch. Der Teufel liegt aber im Detail. Ganz so unkompliziert wie suggeriert, funktioniert es oftmals nicht. Das zeigt sich daran, dass auf der Seite des Landes der FAQ-Bereich täglich überarbeitet wird. Das ist zwar nachzuvollziehen, führt aber zu Unsicherheiten auf Seiten der Antragsteller und deren Beratern. Eindeutige und rechtssichere Antworten sind bislang häufig nicht möglich.

Entgegen dem Erscheinungsbild auf der Landing-Page des Landes erfolgt beispielsweise eine nachträgliche Prüfung des Antrages. Das wird dem Antragsteller erst bewusst, wenn er den Bewilligungsbescheid in den Händen hält und die Nebenstimmungen bis zum Ende studiert. Diese Bewilligungsbescheide enthalten weitere Unklarheiten.

Bewilligungsbescheide sorgen immer wieder für Unklarheit

Diese Bescheide liefern lange Erklärungen, die den ersten und unkomplizierten Eindruck relativieren. Zudem sind sie nicht immer eindeutig formuliert. Im Folgenden haben wir beispielhaft zwei Zitate zusammengetragen:

“Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. zum Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf das Konto der Landeskasse […] zurückzuzahlen.”

Laut den Antragsvoraussetzungen reicht zum Beispiel die Annahme eines Umsatzverlustes in Folge der Corona-Krise – eine juristische Fiktion also. Im Nachgang müssen die Finanzierungsengpässe aber tatsächlich eingetreten sein. Ansonsten muss das betreffende Unternehmen die Soforthilfen zurückzahlen. Das wird erst im Bewilligungsbescheid ersichtlich.

“Alle relevanten Unterlagen sind 10 Jahre lang ab der Gewährung dieser Soforthilfe (Datum dieses Bescheides) aufzubewahren.”

Aufrund dieser Formulierungen müssen Unternehmen von einer nachträglichen Prüfung ausgehen. Angaben darüber, wann die betreffende Prüfung stattfindet, gibt es nicht. Ebenso wenig gibt es Angaben darüber, in welcher Detailtiefe geprüft wird. Die Pflicht zur Aufbewahrung aller (möglicherweise) irgendwann einmal relevanten Nachweise zerstreut den Eindruck der unkomplizierten Hilfe erneut.

 Detaillierte Voraussetzungen bleiben unklar

Klar ist, unter welcher Grundvoraussetzung Unternehmen die Soforthilfe erhalten. Sollten die betreffenden Unternehmen bis zum 31.12.2019 keine Schiwerigkeiten gehabt haben, kommen sie für die Beantragung der Soforthilfe in Frage. Darüber hinaus gibt es allerdings keine absolute Klarheit.

Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten werden im Antrag angenommen (Fiktion), wenn eine der vier genannten Voraussetzungen (Aufträge vermindert oder Umsätze vermindert oder behördliche Auflagen oder Nichtdeckung kurzfristiger Verbindlichkeiten) gegeben ist. Allerdings müssen nach den nun vorliegenden Informationen in den Bescheiden die Finanzierungsengpässe tatsächlich vorhanden sein, ansonsten müssen die Soforthilfen (anteilig) zurückgezahlt werden.

Die im Antragsverfahren so nicht ausdrücklich genannte weitere wichtige Voraussetzung ist also, dass vorab alle möglichen Liquiditätsreserven der Unternehmen ausgeschöpft sein müssen. Unseres Erachtens geht das so aus dem Antragsformular und den FAQs nicht hervor. Im FAQ wird zwar folgende Frage beantwortet:

„Müssen private Rücklagen aufgebraucht werden, bevor der Zuschuss beantragt werden kann?“

Diese Frage trifft aber nicht den Kern! Die Frage müsste eher lauten: “Bin ich antragsberechtigt, wenn ich zwar mindestens eines der vier oben genannten Antragskriterien erfülle, aber zum Zeitpunkt der Antragsstellung über liquide Mittel verfüge?” Zur Beantwortung dieser Frage fehlen aus unserer Sicht bis heute klare Definitionen.

Telefonate mit den IHKs zeigen, dass weitere Fragen im Detail unbeantwortet bleiben wie zum Beispiel:

  • Wie sind Umsätze definiert?
  • Welche Details zu Regelungen bei verbundenen Unternehmen gibt es?
  • Wie sind kurzfristige Verbindlichkeiten definiert?

Die Soforthilfe ist kein “Geschenk”

Oftmals erleben wir, dass Unternehmen die Soforthilfe durch die mediale Berichterstattung als “Geschenke” der Behörden ansehen. Das ist falsch und führt in der Beratungspraxis häufig zu Diskussionen. Klar ist, dass es sich bei der Soforthilfe um kein Geschenk handelt und nur krisenbetroffene Unternehmen diese beantragen können.

Machen Sie bewusst falsche Angaben, ist das Subventionserschleichung. Darauf sollte eine seriöse Beratung – nicht nur aus moralischen Gründen – stets hinweisen.

Unsere Einschätzung

Bei der Beantragung sollte also Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Wir helfen Ihnen gerne bei der Analyse, ob Ihr Unternehmen alle Voraussetzungen erfüllt.

Begleiten wir Sie bei Ihrer Antragstellung, raten wir Ihnen: Drucken Sie sich die aktuellen FAQs des Tages aus und nehmen Sie diese zu den Akten. Dokumentieren Sie darüber hinaus Ihre Annahmen für die Antragsvoraussetzungen und stellen Sie bestenfalls einen Liquiditätsplan auf.

Wir unterstützen Sie im gesamten Prozess gerne!

Johannes Dähnert

CSO, CCO, CHRO, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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