Grunderwerbsteuer bei einheitlichem Erwerbsgegenstand
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20. März 2023

Grunderwerbsteuer bei einheitlichem Erwerbsgegenstand

Kategorien: Allgemein

Im Rahmen des Erwerbs von Grundstücken und Immobilien entstehen neben dem Kaufpreis weitere Nebenkosten, wie die Grunderwerbsteuer. Letztere kann bei einem Immobilienerwerb mehrere tausend Euro betragen und sollte daher bei der Budgetplanung berücksichtigt werden. In diesem Beitrag wird erläutert, was die Grunderwerbsteuer ist, wie sie berechnet wird und wir gehen insbesondere auf die Steuerfalle “Einheitlicher Erwerbsgegenstand” ein, die zu unerwartet hohen Grunderwerbsteuerzahlungen führen kann.

Was ist die Grunderwerbsteuer?

Die Bundesländer in Deutschland erheben die Grunderwerbsteuer. Diese wird beim Erwerb von Grundstücken, Gebäuden oder grundstücksgleichen Rechten wie Erbbaurechten fällig. In der Regel muss der Käufer bzw. die Käuferin der Immobilie die Steuer zahlen, nachdem der Kaufvertrag notariell beurkundet wurde. Verkäufer:innen sollten jedoch wissen, dass sie ebenfalls Steuerschuldner:innen der Grunderwerbsteuer sind. Die Höhe der Steuer hängt üblicherweise vom Kaufpreis der Immobilie ab und variiert je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent der Bemessungsgrundlage (in der Regel des Kaufpreises). Nach der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags wird die Steuer vom Finanzamt berechnet und festgesetzt. Der bzw. die Steuerpflichtige erhält dann einen Grunderwerbsteuerbescheid, in dem die festgesetzte Steuer und eine Zahlungsaufforderung enthalten sind.

Der „Einheitliche Erwerbsgegenstand“ als Steuerfalle

Im Grunderwerbsteuerrecht gibt es eine Steuerfalle, die für Grundstückskäufer:innen zu einer erheblichen Erhöhung der Grunderwerbsteuerbelastung führen kann: Den “einheitlichen Erwerbsgegenstand” bzw. das “einheitliche Vertragswerk”. Schließt ein:e Käufer:in neben dem Kaufvertrag für ein unbebautes Grundstück auch einen Bauvertrag über die Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück ab, kann die Grunderwerbsteuer nicht nur auf den Kaufpreis für das Grundstück, sondern auch auf die Baukosten erhoben werden. Dies kann im Einzelfall zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung führen.

Die vertraglichen Vereinbarungen über den “einheitlichen Kaufgegenstand” müssen sorgfältig formuliert werden. Vereinbaren die Parteien in einem Vertrag, dass das Grundstück zusammen mit einem noch zu errichtenden Gebäude zu einem Gesamtkaufpreis verkauft werden soll, so gilt das bebaute Grundstück als Kaufgegenstand.

Wenn kein Zusammenhang zwischen Grundstücksveräußerer und Bauleister angenommen werden kann oder das Gebäude vom Käufer oder der Käuferin selbst errichtet wird, ist diese Bauleistung für die Grunderwerbsteuer unbeachtlich.

Es wird in der Regel davon ausgegangen, dass ein einheitliches Vertragswerk vorliegt, wenn ein Grundstückskaufvertrag und ein Bauvertrag in einer Urkunde niedergelegt sind und dies dem Parteiwillen entspricht. Die Vermutung kann in solchen Fällen nur schwer widerlegt werden.

In der Praxis werden aber oft Vertragskonstellationen gewählt, bei denen der Grundstückskaufvertrag und der Bauvertrag getrennt voneinander abgeschlossen werden. Der Bundesfinanzhof bejaht in solchen Fällen das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerks, wenn zwischen den Verträgen eine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung besteht.

Eine rechtliche Verknüpfung zwischen einem Grundstückskaufvertrag und einem Bauvertrag wird angenommen, wenn:

  • entweder eine ausdrückliche Bestandsverknüpfung zwischen beiden Verträgen vereinbart wird oder
  • wenn die Parteien beabsichtigen, die Verträge so miteinander zu verknüpfen, dass sie als ein einheitliches Vertragswerk anzusehen sind und nicht unabhängig voneinander abgeschlossen werden können.

Die Zuordnung von Vertragsgestaltungen ohne rechtliche Verknüpfung ist schwieriger und wird durch die Rechtsprechung anhand der tatsächlichen Verknüpfung hergeleitet. 

Diese Fälle führen in der Praxis häufig zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung. Eine tatsächliche Verknüpfung setzt den Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauvertrag voraus.
Ein solcher Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und Bauvertrag liegt vor, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags der Erwerber oder die Erwerberin keine freie Entscheidungsmöglichkeit mehr darüber hat, ob und wie die Baumaßnahme durchgeführt werden soll. Das bedeutet, dass bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertrags feststeht, in welchem bestimmten bebauten Zustand das Grundstück erworben wird.

Beispiel: BFH Beschluss vom 07.02.2022 II B 6/21 zur Grunderwerbsteuer

Am 11. September 2017 erwarben die Kläger ein unbebautes Grundstück jeweils zur Hälfte mit einer Bauverpflichtung. Zuvor hatte eine Projektierungsgesellschaft das Grundstück für die Verkäuferin vermarktet. Dabei wurden verschiedene Haustypen unter Angabe von Architekten bzw. Bauunternehmern vorgestellt. Änderungen und individuelle Entwürfe mussten über die Projektierungsgesellschaft genehmigt werden. Die Kläger einigten sich bereits im Juli 2016 mit der Gesellschaft über eine Reservierungsvereinbarung des Grundstücks. In dieser war die Errichtung eines bestimmten Haustyps durch einen dritten Bauträger geplant. Dieser Bauträger stellte den Bauantrag für die Kläger.  Ende 2017 schlossen sie den Bauvertrag mit ihm ab, auf dessen Grundlage das Haus errichtet wurde. Das Finanzamt berechnete die Grunderwerbsteuer und bezog die Baukosten in die Bemessungsgrundlage ein. Die Kläger legten daraufhin Einspruch, Klage und Nichtzulassungsbeschwerde ein, jedoch ohne Erfolg.

Das Gericht stellte fest (BFH Beschluss vom 07.02.2022 II B 6/21), dass der Zusammenhang zwischen dem Kauf- und dem Bauvertrag zum Zeitpunkt des Kaufvertrags bestehen muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Bauvertrag zu diesem Zeitpunkt tatsächlich abgeschlossen und die Bauverpflichtung rechtswirksam begründet sein muss. Ein vorhandenes Angebot muss auch keine rechtlichen Mindestvoraussetzungen erfüllen, insbesondere nicht rechtswirksam und damit auch nicht verbindlich sein.

Unsere Einschätzung

Wenn jemand ein unbebautes Grundstück erwirbt und gleichzeitig oder zeitnah einen Vertrag über den Bau eines Gebäudes darauf abschließt, kann dies zu einer höheren Grunderwerbsteuerzahlung führen. Das kann für beide Vertragsparteien ein erhöhtes Risiko bedeuten: Wenn der/die Käufer:in nicht mehr zahlen kann, muss der/die Verkäufer:in die Grunderwerbsteuer übernehmen, nicht nur für das von ihm verkaufte Grundstück, sondern auch für die Baukosten. Es ist deshalb wichtig,  klare und eindeutige Verträge abzuschließen, um Risiken zu vermeiden oder die Höhe der Steuern korrekt zu kalkulieren. Die Annahme eines einheitlichen Vertragswerks wird zwar vielfach kritisiert, aber vom Bundesfinanzhof bestätigt und kann für Bauträger eine erhebliche Herausforderung darstellen. Es ist wichtig, sich im Vorfeld über die steuerlichen Konsequenzen zu informieren und gegebenenfalls fachkundigen Rat einzuholen, um unerwartete Probleme zu vermeiden.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Unsicherheiten aufklären möchten oder Unterstützung für steuerliche Regelungen in Grundstückskaufverträgen benötigen. 

Julian Heesemann

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für die Umstrukturierung von Unternehmen (IFU /ISM gGmbH), Diplom-Finanzwirt, LL.M.

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