Ertragsteuerliche Änderungen für den Betrieb von PV-Anlagen
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27. Juni 2023

Ertragsteuerliche Änderungen für den Betrieb von PV-Anlagen

Kategorien: Allgemein

Die steuerlichen Änderungen bei Photovoltaikanlagen im Zuge des Jahressteuergesetzes 2022 haben für viele Fragen bei unseren Mandant:innen gesorgt. In diesem Beitrag finden Sie wertvolle Informationen zu den ertragsteuerlichen Änderungen beim Betrieb von Photovoltaikanlagen. Es werden die wichtigsten Punkte herausgestellt, die die Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang noch klarstellen muss.

Was bedeutet Einheit beim Betrieb einer PV-Anlage?

Nach § 3 Nr. 72 lit. b) EStG sind sowohl Einnahmen als auch Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis zu 15 Kilowatt-Peak (KWp) je Wohn- oder Gewerbeeinheit steuerfrei. Das Gesetz und die Gesetzesbegründung definieren nicht, was eine Einheit ist. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden. Gerade bei baulich nicht eindeutig abtrennbaren Gebäuden, zum Beispiel große Verkaufsflächen oder Lagerhallen mit mehreren Nutzer:innen ohne klare räumliche Trennung, sind viele Fragen offen. Nach heutigem Verständnis kommt es nicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme an. Vielmehr ist jeweils der Status quo maßgeblich. So können sich bauliche Veränderungen, zum Beispiel Teilung oder Zusammenlegung von Einheiten, positiv oder negativ auf den einzuhaltenden Grenzwert auswirken. 

Betrieb einer PV-Anlage: Gilt eine Freigrenze oder ein Freibetrag?

Für eine Steuerbefreiung müssen zwei Voraussetzungen geprüft werden. Die sachliche und die persönliche Voraussetzung. 

Die sachliche Voraussetzung ist die maximale Leistung der Photovoltaikanlage. Bei der persönlichen Voraussetzung geht es um die Gesamtleistung aller PV-Anlagen, die ein:e Steuerpflichtige:r betreibt. So sind die Einnahmen höchstens bis zu 100 KWp pro Steuerpflichtige:n oder Mitunternehmerschaft steuerfrei. 

Bei den persönlichen Voraussetzungen gibt es mehrere diskussionswürdige Punkte. Es ist nicht geklärt, ob es sich dabei um eine Freigrenze oder einen Freibetrag handelt. Die allgemeine Tendenz geht hier zur Freigrenze. Da die Mitunternehmerschaft neben dem oder der Steuerpflichtigen separat Erwähnung findet, nehmen wir an, dass einem oder einer Steuerpflichtigen für die Freigrenze nicht die Leistungen der Photovoltaikanlagen einer Mitunternehmerschaft, an der er oder sie beteiligt ist, anteilig zuzurechnen ist und umgekehrt.

Daraus können sich Gestaltungen ergeben, bei denen mehrere Mitunternehmerschaften mehrere PV-Anlagen nutzen, die jeweils für sich die Voraussetzungen erfüllen. Der oder die Steuerpflichtige kann so selbst und durch seine oder ihre Mitunternehmerschaften insgesamt Einnahmen weit oberhalb der sachlichen Grenze von 100 KWp steuerfrei vereinnahmen. 

Unklar ist auch die Systematik bei der Ermittlung der Freigrenze von 100 KWp. Sachgerecht wäre es, nur solche PV-Anlagen in die Ermittlung einzubeziehen, die auch die materiellen Voraussetzungen erfüllen. So würde etwa eine Anlage mit einer Leistung über 30 KWp auf einem Einfamilienhaus nicht in die Ermittlung einbezogen. Dies geht weder aus dem Gesetzestext noch aus der Gesetzesbegründung eindeutig hervor. Eine Klarstellung ist erforderlich. Die eingeführte Freigrenze sowie deren Unklarheit führen zu einigen zwangsläufigen Gestaltungsüberlegungen, zum Beispiel hinsichtlich der Übertragung von Anlagen. Hier muss das BMF für mehr Klarheit sorgen. Sonst drohen zahlreiche diskussionswürdige Fälle, die vor Gericht landen. 

Umfang der Steuerbefreiung und Veräußerungspreis von Photovoltaikanlagen

Das Gesetz spricht von Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von PV-Anlagen. Unklar ist, wie ein Veräußerungspreis aus der Veräußerung einer PV-Anlage behandelt werden muss. Es ist sachgerecht und zwingend, auch die Veräußerung entweder im Rahmen der Fortführung des Betriebes (sofern mehrere Anlagen betrieben werden) oder als letzten Akt der betrieblichen Tätigkeit unter die Steuerbefreiung zu subsumieren. Etwas anderes wäre keine Vereinfachung und wegen des Wegfalls der Gewinnermittlungspflicht auch praktisch kaum umsetzbar. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung dieser weiten Auslegung des Einnahmenbegriffs anschließt.

PV-Anlage im Betriebsvermögen mit gemischter Nutzung

Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG gilt lediglich für Einnahmen und Entnahmen in Zusammenhang mit dem Betrieb von PV-Anlagen. Sofern die Anlage also Betriebsvermögen eines Unternehmens darstellt und der produzierte Strom durch das Unternehmen selbst verwendet wird, gibt es mangels Einnahmen keine Grundlage für eine Steuerbefreiung. Die Ausgaben durch die Anlage sind dann uneingeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar. 

Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Großteil des Stroms eigengenutzt wird, jedoch ein kleinerer Teil eingespeist oder veräußert wird. Dieser Teil müsste der Steuerbefreiung unterliegen. Jedoch können die auf diesen Teil entfallenden Aufwendungen nach § 3c Abs. 1 EStG nicht abgezogen werden. Im Ergebnis muss auf eine detaillierte Aufteilung nach verwendeter Strommenge geachtet werden. 

Spannend ist die Frage der Zuordnung im Falle der Veräußerung. Da § 3 Nr. 72 EStG jeweils auf die aktuelle Nutzung abstellt, könnte im Falle einer beabsichtigten Veräußerung erwogen werden, den gesamten erzeugten Strom im Jahr vor der Veräußerung zu veräußern. Der auf die PV-Anlage entfallende Veräußerungspreis wäre dann vollständig steuerfrei, obwohl zuvor anteilig Betriebsausgaben, insbesondere Abschreibungen, steuerwirksam angefallen sind. Auch bei größeren Erhaltungsmaßnahmen würde sich ein Gestaltungsspielraum ergeben. Unseres Erachtens ist nicht klar, ob der Gesetzgeber diesen Gestaltungsspielraum gewollt bzw. berücksichtigt hat. Wir rechnen daher hier mit Einschränkungen.

Risiken im Zusammenhang mit der Abfärbung

Mit der Einführung des § 3 Nr. 72 EStG wurde auch die üblicherweise eintretende Abfärbung der gewerblichen Einkünfte durch den Betrieb von PV-Anlagen auf vermögensverwaltende Tätigkeiten im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aufgehoben. Dies gilt, sofern die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen. 

Sofern eine ansonsten vermögensverwaltende Personengesellschaft bisher durch den Betrieb einer PV-Anlage gewerblich geprägt war und der Betrieb dieser Anlage nunmehr unter die Steuerbefreiung fällt, würde die Prägung entfallen und die stillen Reserven wären aufzudecken. Diese Konsequenz darf eigentlich nicht durch eine Gesetzesänderung eintreten, schon gar nicht, wenn diese rückwirkend in Kraft tritt. Gegen diese Rückwirkung bestehen daher berechtigte verfassungsrechtliche Bedenken. Zumindest ist hier eine Übergangsregelung zwingend erforderlich, die es aber nach derzeitigem Stand nicht gibt.

 Relevant wird die Abfärbung auch im Falle der Umwandlung von Wohn- und/oder Gewerbeeinheiten i.S.d. § 3 Nr. 72 lit. b) EStG, wodurch entweder die Steuerbefreiung greift (und damit die Abfärbung entfällt und die stillen Reserven aufgedeckt werden) oder nicht mehr greift (und damit die gewerbliche Prägung ausgelöst wird).

Gewerbeanmeldung und Fragebogen zur steuerlichen Erfassung

Update vom 27.06.2023: Trotz neuer Vorschriften gelten Betreiber:innen von Photovoltaik-Anlagen in der Regel als Gewerbetreibende. Gemäß § 138 Abs. 1 und Abs. 1a der Abgabenordnung müssen sie eine Gewerbeanmeldung einreichen und einen steuerlichen Erfassungsbogen ausfüllen.

Am 12.06.2023 hat das Bundesministerium der Finanzen jedoch eine Vereinfachung eingeführt. Diese Maßnahme dient der Reduzierung von Bürokratie und der Verbesserung der Verwaltungsökonomie.

Betreiber:innen einer Photovoltaik-Anlage, deren Tätigkeit ausschließlich auf den Betrieb von solchen Anlagen gemäß § 3 Nr. 72 EStG und § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 UStG ausgerichtet ist, profitieren von dieser Änderung. Ebenso profitieren jene, die eine steuerfreie Vermietung und Verpachtung gemäß § 4 Nr. 12a UStG durchführen und die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG anwenden.

Diese Betreiber:innen sind von den genannten Pflichten befreit.

Unsere Einschätzung

Wir begrüßen die Gesetzesänderungen im Hinblick auf Photovoltaikanlagen. Daran ändern auch die ersten Unklarheiten und Probleme nichts. Die steuerlichen Vereinfachungen auch auf die formellen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang auszuweiten, ist nur konsequent. Je intensiver wir uns mit den Anwendungsfällen, verschiedenen Fallstricken und Gestaltungsüberlegungen beschäftigen, desto deutlicher wird der notwendige Anpassungs- und Erläuterungsbedarf. Die Finanzverwaltung ist gefragt. Die hier geschilderten Unklarheiten sind die aus unserer Sicht relevantesten. 

Aufgrund der Rückwirkung für ertragsteuerliche Zwecke ab dem 01.01.2022 ist eine baldige Klarstellung der wesentlichen bestehenden Unklarheiten seitens des BMF zwingend. Hier sind zu viele Fragen offen. Seitens der Steuerpflichtigen oder der steuerlichen Berater:innen ist eine rechtssichere Einschätzung der ertragsteuerlichen Situation für 2022 in vielen Fällen nicht möglich. Spätestens mit der Erstellung der ersten Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2022 müssen die wichtigsten Fragen geregelt sein.  

  • Wie ist das Verständnis der Freigrenze? 
  • Was ist die Definition von Einheit? 
  • Wie ist der Umfang der Steuerbefreiung geregelt?

Wir hoffen auf ein baldiges BMF-Schreiben, damit der Umgang mit den Neuerungen rechtssicher möglich wird.  Sollten Sie Fragen zu den Änderungen haben, kommen Sie gerne auf uns zu. Wir beraten Sie.

In unseren vorherigen Beiträgen finden Sie die im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 geplanten umsatz- und ertragsteuerlichen Änderungen für Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) sowie die finalen Gesetzesänderungen. Nächste Woche folgt ein zweiter Beitrag zu den umsatzsteuerlichen Änderungen und aktuellen Entwicklungen.

Wenn sie weitere Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an!

Lars Rinkewitz

Prokurist, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

Raphael Niederstraßer

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. Taxation

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