Positive BGH Entscheidung zur Betriebsschließungsversicherung
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26. Januar 2023

Positive BGH Entscheidung zur Betriebsschließungsversicherung

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Inhaltsverzeichnis

Der Bundesgerichtshof hat für Klarheit gesorgt. Die Entscheidung: Einer Versicherungsnehmerin stehen auf Grundlage der vereinbarten Versicherungsbedingungen Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in Niedersachsen während des zweiten Corona-Lockdowns zu. Einschränkung: Einen Anspruch auf Entschädigungen durch den ersten Corona-Lockdown sieht der Bundesgerichtshof als unbegründet an.

Fassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in den Lockdownphasen

Die Klägerin begehrt aufgrund der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in der Zeit vom 18. März bis zum 25. Mai 2020, während des ersten Lockdowns und ab dem 02.11.2020, während des zweiten Lockdowns Entschädigungsleistungen aus einer bestehenden Betriebsschließungsversicherung. In den zugrundeliegenden „Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)” findet sich – unter anderem – folgende Bestimmung:

“3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) Infektionsschutzgesetz (IfSG).”

Während des ersten Lockdowns ging die Schließung des Hotelbetriebs auf eine Allgemeinverfügung des zuständigen Landkreises zurück. Sie untersagte Betreibern von Beherbergungsstätten unter anderem das Beherbergen von Personen zu touristischen Zwecken.

Nach vorübergehender Lockerung folgte auf Grundlage der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 eine erneute Schließungsverfügung („zweiter Lockdown“), nunmehr ab dem 02.11.2020. 

Was hat der IV. Senats des Bundesgerichtshofs zum Thema Betriebsschließungsversicherung entschieden?

Der unter anderem für Versicherungsrecht zuständige IV. Senat des Bundesgerichtshofs bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dem OLG Celle. Damit sorgt der Senat in der Auseinandersetzung um Leistungen aus Betriebsschließungsversicherungen in wesentlichen Streitpunkten für Klarheit (Urteil vom 18. Januar 2023 – IV ZR 465/21).

Uneindeutige Versicherungsklausel mit unklarem Verweis auf das Infektionsschutzgesetz

Nehmen die Versicherungsbedingungen nur Bezug auf das IfSG und nicht auf eine konkrete Gesetzesfassung oder einen Zeitpunkt, der einen spezifischen Rechtszustand zugrunde legt, dann kann der Versicherungsnehmer zum Schluss kommen, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles maßgeblich ist.

Es ist aber auch die Auslegung möglich, dass eine Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung erfolgen soll.

Im Wortlaut lässt sich der Klausel mangels einer ausdrücklichen Beschränkung nicht eindeutig entnehmen, dass der Versicherer mit ihr zur Festlegung des Inhalts des Leistungsversprechens auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich benannten Krankheiten und Krankheitserreger verweist.

Eine Auslegung ist möglich, da die Klausel mit ihrer Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG die zum Zeitpunkt der behördlichen Anordnung namentlich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger erfasst.

Unklare Versicherungsklausel bei Betriebsschließungsversicherung hat Konsequenzen

Die Zweifel an der Auslegung gehen zu Lasten des Verwenders, siehe § 305 Abs. 2 BGB. Die in diesem Rechtsstreit vorliegende Klausel enthält keine Aufzählung der versicherten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger. Das ist in den Bedingungswerken anderer Versicherer anders formuliert. Mit dem Argument, dass für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag die Fassung des IfSG zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gelte, hat der Versicherer keinen Erfolg. Die namentliche Nennung der Krankheit bzw. des Krankheitserregers fehlte.

Welche Wirkung hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Versicherungsverhältnis?

Der als dynamisch charakterisierte Verweis auf das Infektionsschutzgesetz bewirkt nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Versicherungsverhältnis folgendes:

Während der ersten Schließungsphase (im Frühjahr 2020) fehlte die vorausgesetzte namentliche Nennung der Krankheit bzw. des Krankheitserregers in den §§ 6 und 7 des IfSG. Und zwar unabhängig davon, dass dieser den Anlass für die vom Landkreis verfügte Betriebsschließung bot. Somit besteht kein Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsvertrag.

Der Versicherer hat jedoch für die zweite Schließungsphase ab dem 02.11.2020 zu leisten. Die Krankheit COVID-19 und der Krankheitserreger SARS-CoV-2 wurden mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 am 23. Mai 2020 (in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a IfSG) nunmehr namentlich genannt.

Mit anderen Worten: bestimmt der Versicherer in seinen Bedingungswerken nicht hinreichend klar, auf welche Gesetzesfassung er sich stützt, hat er Änderungen des Gesetzgebers (hier die Erweiterung der in den §§ 6 und 7 IfSG benannten Krankheiten und Krankheitserreger, konkret (COVID-19 und SARS-CoV-2) gegen sich gelten zu lassen. Dann ist er aber gleichzeitig auch von einer Leistungspflicht befreit, wenn behördliche Schließungsanordnungen auf den Ausbruch von Infektionskrankheiten zurückgehen, diese jedoch (noch) keine Erwähnung im Infektionsschutzgesetz IfSG gefunden haben.

Unsere Einschätzung

Die Erfolgsaussichten für Ansprüche aus bestehenden Betriebsschließungsversicherungen ab der zweiten Schließungsphase in der zweiten Jahreshälfte 2020 sind durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gestiegen. Auch wenn die konkrete Formulierung in den jeweils vereinbarten Versicherungsbedingungen maßgeblich ist und hier sorgfältig geprüft werden muss, könnte die Entscheidung des BGH einen Nachschlag an Leistungsbegehren auslösen. Maßgebliche Hürde dürfte aber eine mögliche Verjährung sein. Nicht wenige Versicherer haben in ihren Bedingungswerken abgekürzte Verjährungsfristen verankert, die zeitnahes Handeln erfordern. Eine Beratung im Einzelfall ist unverzichtbar, gern stehen wir Ihnen zur Verfügung.

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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