28. Dezember 2022

Umsatzsteuer im digitalen Zeitalter

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Der lang erwartete Entwurf der Initiative VAT in the Digital Age (ViDA) der Europäischen Kommission, der die Umsatzsteuerregeln für das digitale Zeitalter beinhaltet, wurde endlich veröffentlicht. Hier finden Sie einen Überblick über die geplante Umsatzsteuerreform.

EU-Kommission kündigt wichtige Umsatzsteuerreformen an

Es handelt sich um ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das die Umsatzsteuer-Vorschriften in verschiedenen Punkten radikal ändert. Die geplante Reform betrifft Änderungen

  • der Mehrwertsteuerrichtlinie (2006/112/EG)
  • der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates und
  • der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden.

Mit diesen Reformen will die Europäische Kommission das Umsatzsteuersystem betrugssicherer und unternehmensfreundlicher machen. Die Einhaltung der Umsatzsteuer-Vorschriften werden modernisiert und die elektronische Rechnungsstellung/Meldung werden erleichtert. Die Umsatzsteuervorschriften werden zudem an die Plattformökonomie angepasst. Alle Neuregelungen werden auf eine einheitliche Umsatzsteuerregistrierung in der EU hinarbeiten.

Umsatzsteuerreform: Diese Änderungen der Rechnungsstellung sind geplant

  • Die elektronische Rechnungsstellung wird zur Regel. Ab dem 1. Januar 2024 wird sich die Definition einer elektronischen Rechnung ändern. Von da an müssen Rechnungen in einem strukturierten Format ausgestellt werden. Die Bedingung, dass der Empfänger der Abrechnung mittels elektronischer Rechnungen zustimmen muss, wird abgeschafft.
  • Die elektronische Rechnungsstellung wird für grenzüberschreitende B2B-Transaktionen innerhalb der EU ab 2028 obligatorisch. Es wird keine Schwellenwerte oder Ausnahmen für kleine Unternehmen geben!
  • Die Frist für die Ausstellung und Erklärung beziehungsweise Meldung der elektronischen Rechnung wird auf nur zwei Arbeitstage verkürzt. Es wird eine (Quasi-) Echtzeit-Meldung eingeführt, die das bestehende System der Auflistung innergemeinschaftlicher Verkäufe beziehungsweise der zusammenfassenden Meldungen ersetzen soll. Das neue System soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, Informationen viel schneller auszutauschen.
  • Für lokale Transaktionen haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine elektronische Rechnungsstellung (ohne vorherige EU-Genehmigung) vorzuschreiben, die jedoch der europäischen Norm (EN16931) entsprechen muss.
  • Länder mit bestehenden abweichenden Modellen für die elektronische Rechnungsstellung/Berichterstattung haben bis zum 1. Januar 2028 Zeit, das EU-Modell zu übernehmen.
  • Umsatzsteuerrechnungen müssen mehr Informationen enthalten. Die IBAN des Bankkontos des Lieferanten, auf das die Zahlung für die Rechnung erfolgt, das Fälligkeitsdatum für die Zahlung und, im Falle von Korrekturrechnungen, einen Verweis auf die ursprüngliche Rechnungsnummer. Auch die Möglichkeit zur Ausstellungen sogenannter zusammenfassender Rechnungen wird abgeschafft. Rechnungen sollen zukünftig immer auf Transaktionsbasis ausgestellt werden.
  • Steuerpflichtige, die innergemeinschaftliche Erwerbe tätigen, werden verpflichtet sein, Daten über ihre Erwerbe zu übermitteln.

Umsatzsteuerreform: Anpassungen für die Plattform-Ökonomie

Die Kommission befasst sich auch mit der Plattformwirtschaft, insbesondere mit der kurzfristigen (maximal 45 Tage) Vermietung von Unterkünften und der Personenbeförderung. Die Idee ist, dass die Plattformen ab 2025 in bestimmten Situationen (C2C- und C2B-Transaktionen) für die Zahlung der Umsatzsteuer verantwortlich werden. Die Durchführungsverordnung legt fest, dass die Plattform in allen Fällen, in denen der zugrundeliegende Anbieter keine gültige Umsatzsteuernummer angegeben hat, für die Umsatzsteuer haftet bzw. diese schuldet.

  • Ab 2025 müssen solche Plattformen zusätzliche Aufzeichnungen über ihre sonstigen Umsätze führen.
  • Die Lieferketten bzw. Leistungskettenfiktion soll die ungleiche umsatzsteuerliche Behandlung und die Wettbewerbsverzerrung zwischen traditionellen Akteuren und Plattformen in diesen Sektoren beseitigen.
  • Die Plattformen bekommen die Möglichkeit zur Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer über das System der einzigen Anlaufstelle (OSS).
  • Schließlich wird in dem Vorschlag die umsatzsteuerliche Behandlung der von Plattformen erbrachten Dienstleistungen geklärt. Diese werden in dem Land umsatzsteuerpflichtig sein, in dem sich der Ort des zugrundeliegenden vermittelten Umsatzes befindet.

Diese Reformen der Umsatzsteuer sind für 2025 geplant

Ab dem 1. Januar 2025 wird bereits eine Reihe von neuen Reformen eingeführt:

  • Die zentrale einzige Anlaufstelle (One-Stop-Shop, OSS) wird auf lokale B2C-Warenverkäufe und andere B2C-Umsätze ausgeweitet, die von Nichtansässigen in der EU getätigt werden.
  • Es wird ein neues OSS-System für die innergemeinschaftliche Verbringung eigener Waren geben. Ein wesentlicher Kritikpunkt dabei ist, dass diese OSS-Meldung nicht die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs bietet. Folglich muss der Vorsteuerabzug weiterhin über ein separates Erstattungsverfahren oder eine lokale Umsatzsteuerregistrierung erfolgen.
  • Die bestehende Konsignationslagerregelung wird abgeschafft (es gilt eine Übergangsregelung bis Ende 2025).
  • Alle B2B-Lieferungen von Gebietsfremden an umsatzsteuerlich registrierte Kunden werden der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft („Reverse-Charge-Verfahren“) unterworfen. Diese Umsätze müssen vom Lieferanten ab 2025 in seinem EU-Verkaufsverzeichnis (zusammenfassende Meldung) gemeldet werden und unterliegen ab 2028 der EU-internen (Echtzeit-) Meldung. Nach dem derzeitigen System ist die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft fakultativ. Die meisten Länder haben die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in irgendeiner Form eingeführt, legen aber ihre eigenen länderspezifischen Bedingungen fest, was die umsatzsteuerlichen Vorschriften für Gebietsfremde komplex macht.
  • Die Lieferketten bzw. Leistungskettenfiktion, nach der die Plattform für die Erhebung der Umsatzsteuer haftet, wird auf Verkäufe innerhalb der EU ausgedehnt. Derzeit gilt diese Regel nur für Verkäufe durch Nicht-EU-Lieferanten. Diese Regel würde auf alle Lieferungen innerhalb der EU ausgedehnt, unabhängig davon, wo der jeweilige Lieferant ansässig ist und welchen Status der Käufer hat. Mit anderen Worten: Die Plattform wird immer für die Zahlung der Umsatzsteuer verantwortlich sein (was den Verwaltungsaufwand für die Verkäufer verringern dürfte). Eine Ausnahme gilt für lokale Plattformen, die nur in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind und nur Inlandslieferungen innerhalb dieses Mitgliedstaats ermöglichen.
  • Darüber hinaus sollen die Warenbewegungen vor dem eigentlichen Verkauf (innergemeinschaftliche Verbringungen) ebenfalls über die Plattform gemeldet werden.
  • Die Plattformen werden verpflichtet sein, das IOSS-System (Import One Stop Shop) für Einfuhren von geringem Wert anzuwenden. Das Problem der missbräuchlichen Verwendung von IOSS-Nummern soll ebenfalls angegangen werden. Die Idee: Eindeutige Referenzen von Sendungen werden mit der IOSS-Nummer verknüpft.
  • Schließlich wird auch die Differenzbesteuerung für Gebrauchtwaren, Kunstgegenstände, Sammlerstücke und Antiquitäten erheblich geändert. Diese Umsätze werden im Land des Kunden steuerpflichtig, wobei die Möglichkeit eröffnet wird, die Umsätze im Rahmen der OSS-Regelung zu erklären.

Unsere Einschätzung

Derzeit erschweren die Flut der angekündigten elektronischen Rechnungs- und Meldesysteme sowie die unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Mitgliedstaaten den Unternehmen die Einhaltung der umsatzsteuerlichen Meldevorschriften. Zudem sind diese mit hohen Kosten verbunden.

Bei der geplanten Reform handelt es sich um einen Gesetzesentwurf, der natürlich noch von den Mitgliedsstaaten einstimmig verabschiedet werden muss. Die EU-Kommission ist zuversichtlich und hofft auf eine zeitnahe Umsetzung. Berichten zufolge wurden die Vorschläge bereits mit den Mitgliedstaaten erörtert. Nennenswerte Widerstände gab es wohl keine.

Die vorgeschlagenen Änderungen werden signifikante Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre Systeme und Prozesse haben. Sie werden den Unternehmen einen hohen technischen Umsetzungsbedarf abfordern. Gleichzeitig können sie den Weg zu einer stärker harmonisierten Meldelandschaft in der EU ebnen.

Marcus Sauer

Partner, Steuerberater, Diplom-Volkswirt

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