19. Dezember 2022

Dreiecksgeschäfte: EuGH-Entscheidung zu Rechnungsanforderungen

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Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte als Sonderfall von Reihengeschäften sind häufig komplex. Der Europäische Gerichtshof hat am 08.12.2022 sein Urteil im Fall Luxury Trust Automobil GmbH gegen das österreichische Finanzamt veröffentlicht (C-247/21). Der Fall beschäftigt sich mit der Frage, wie sich eine fehlerhaft ausgestellte Rechnung eines Unternehmers in der Mitte einer Lieferkette, bestehend aus drei Parteien, auf das Konzept des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes auswirkt.

Die Zahl der komplexen Reihengeschäfte steigt

Geschäfte über Landesgrenzen hinweg zu tätigen, ist heute einfacher denn je. Reihengeschäfte nehmen somit eine bedeutungsvolle Rolle im Bereich der Umsatzsteuer ein. Bei dieser Art von Geschäften handelt es sich nicht immer um einfache Konstrukte: Das Durchblicken mancher Sachverhalte ist häufig aufwändig. Bei einigen besonders komplexen Sachverhalten besteht auf beiden Seiten Rechtsunsicherheit. In solchen Fällen obliegt es dem Europäischen Gerichtshof, wichtige Entscheidungen zu treffen.

Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte als Sonderfall

Beim vorliegenden Fall handelt es sich um einen Spezialfall des Reihengeschäfts: Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass drei Unternehmer (A, B und C) über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen. A verkauft den Gegenstand an B und B verkauft diesen wiederum an C. Der Gegenstand wird von Unternehmer A direkt zum letzten Unternehmer C in der Kette transportiert. Dabei sind die Parteien in verschiedenen Mitgliedstaaten für umsatzsteuerliche Zwecke registriert. Sie haben dadurch verschiedene Umsatzsteueridentifikationsnummern. Der Gegenstand wird innerhalb der EU transportiert und der Transport wird entweder vom ersten Lieferer (A) oder vom ersten Abnehmer (B) organisiert (§ 25b Abs. 1 Nr. 1-4 deutsches UStG).

Bei Annahme, dass die Lieferung von A nach B die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung ist, müsste B sich im Bestimmungsland der Ware für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren. Er muss dort einen innergemeinschaftlichen Erwerb der Ware erklären und die Umsatzsteuer aus der daran anknüpfenden lokalen Lieferung an C an das dortige Finanzamt abführen (Regelung für ein normales Reihengeschäft). 

Der europäische Gesetzgeber hat mit den Artikeln 42, 141 und 197 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) eine Regelung zur Vereinfachung genau solcher Geschäfte geschaffen: Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft. Mithilfe dieser Sonderregelung ist es dem Unternehmen in der Mitte der Lieferkette möglich, eine umsatzsteuerliche Registrierung im Bestimmungsland zu vermeiden. Dies wird durch den Übergang der Steuerschuld auf den tatsächlichen Leistungsempfänger ermöglicht. Genau hier liegt der Streitpunkt.

Sachverhalt im aktuellen Fall

Luxury Trust Automobil (im Folgenden: L) ist eine österreichische GmbH mit Sitz in Österreich. Ihre Geschäftstätigkeit besteht darin, Luxusfahrzeuge grenzüberschreitend zu vermitteln und zu verkaufen.

Im Jahr 2014 erwarb L mehrmals Fahrzeuge von einem Lieferanten (im Folgendem: V) aus dem Vereinigten Königreich. Diese Fahrzeuge verkaufte L weiter an die M s. r. o. (im Folgendem: M; bei s.r.o. handelt es sich um eine Gesellschaft vergleichbar mit einer GmbH) in der Tschechischen Republik. Der Transport der Fahrzeuge wurde von L veranlasst. Die Lieferung von V an L wurde als innergemeinschaftliche Lieferung, die Lieferung von L an M als innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft eingestuft. Die streitgegenständlichen Rechnungen von L an M enthielten den Hinweis „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“.

Das österreichische Finanzamt setzte eine Umsatzsteuerschuld von L für das Jahr 2014 fest. Grund hierfür war die fehlende Angabe über die Verlagerung der Steuerschuld auf M. Als Ergebnis muss L gemäß Art. 3 Abs. 8 österreichisches UStG 1994 einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich vornehmen und Erwerbsteuer zahlen. Bei einer Beschwerde seitens L, die abgewiesen wurde, ergänzte das Bundesfinanzgericht, dass die betroffenen Rechnungen, die von L anschließend korrigiert wurden, nicht an M zugestellt werden konnten. Dieser ist nämlich für die tschechische Steuerverwaltung nicht mehr erreichbar und als „Missing Trader“ eingestuft.

Ferner hat M keine Umsatzsteuer aus den Dreiecksgeschäften in der Tschechischen Republik erklärt und abgeführt. Aufgrund dieser Tatsache sei eine Berichtigung der Rechnungen nicht möglich. Das Bundesfinanzgericht fügt hinzu, dass die Bestimmungen zum Dreiecksgeschäft ein Wahlrecht des Erwerbers (der Unternehmer in der Mitte der Lieferkette) seien. Zudem muss der Erwerber für eine Steuerfreiheit seines innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland und den Übergang der Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung zwingend die Angabe der Verlagerung der Steuerschuld nach Art 25 Abs. 4 österreichisches UStG 1994 in seinen Rechnungen angeben. Da diese Angaben in den Rechnungen von L fehlen, könne die Regelung des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nach Art. 25 österreichisches UStG 1994 nicht angewendet werden.

Dieser Formfehler hätte dramatische Konsequenzen für die Klägerin L gehabt. Sie müsste in Österreich den Erwerb der Ware nach Art. 41 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie erklären und abführen. Diese Erwerbsteuer dürfte sie nicht als Vorsteuer abziehen. Diese Art der Erwerbsbesteuerung könnte die Klägerin nur mit einer umsatzsteuerlichen Registrierung und einer anschließenden Erwerbsbesteuerung in Tschechien umgehen. Die dort entfallene tschechische Umsatzsteuer aus der lokalen Lieferung an M müsste L erklären und abführen. Allerdings würde diese Herangehensweise an der Nichterreichbarkeit von M scheitern. Es ist nicht von Belang, welchen Weg L aussucht: Es würden unabhängig davon erhebliche Kosten auf einen Unternehmer zukommen, obwohl dieser im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht mit der Mehrwertsteuer belastet werden sollte.

Aufgeworfene Fragen zu innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften

Die vorliegenden Fragen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes thematisieren den Umgang mit einer fehlerhaften Rechnung und die Konsequenzen ihrer Ausstellung im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes. Das Gericht wollte vom EuGH wissen, ob ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft trotz einer fehlerhaften Rechnung materiell vorliegen kann, und wenn nicht, ob eine nachträglich wirksame Korrektur möglich ist. Falls eine entsprechende Korrektur möglich ist, muss geklärt werden, ob es für eine wirksame Berichtigung wichtig ist, dass diese dem Leistungsempfänger zugestellt wird und ob diese Berichtigung eine rückwirkende Wirkung entfalten kann. Zuletzt fragt das Gericht, wie eine berichtigte Rechnung aussehen und nach welchen Rechnungsvorschriften welches Mitgliedstaats diese erstellt werden sollte.

Das sagt der EuGH zu diesem besonderen Dreiecksgeschäft

Der Europäische Gerichtshof führt aus, dass die Sonderregelung des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes den Zweck hat, das Unternehmen in der Mitte einer Lieferkette zu entlasten. Nach Art. 42 Buchstabe a MwStSystRL gilt der innergemeinschaftliche Erwerb der Ware im Bestimmungsland als besteuert, sofern der Leistungsempfänger „gem. Art. 197 als Steuerschuldner bestimmt worden ist“. Auch in Artikel 141 der Richtlinie, welcher die Nichtbesteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs bei Dreiecksgeschäften regelt, ist diese Tatbestandsvoraussetzung unter Buchstabe e aufgeführt. Art. 197, der die Voraussetzungen zur Umlagerung der Steuerschuld auf den letzten Abnehmer innerhalb eines Dreiecksgeschäftes aufzählt, verweist wiederum auf eine Kapitel 3 Abschnitt 3 bis 5 entsprechende Rechnung. In Art. 226 Nr. 11a MwStSystRL (Kapitel 3 Abschnitt 4) wird explizit auf den Hinweis der Steuerschuldverlagerung auf den Leistungsempfänger in einer Rechnung hingewiesen. Die o. g. Artikel der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bilden die Grundvoraussetzung, um die Vereinfachungsregelung des Dreiecksgeschäfts in Anspruch nehmen zu können. Jedoch muss diese Vereinfachungsregelung nicht zwingend wahrgenommen werden: Es handelt sich lediglich um eine Wahlmöglichkeit des Unternehmers. Über die Rechnungsgestaltung kann dieser von der Vereinfachungsregel Gebrauch machen, muss er aber nicht.

Da die Ausübung dieser Wahlmöglichkeit für den Leistungsempfänger Rechtsfolgen auslöst, ist es unbedingt erforderlich, dass dieser von der umsatzsteuerlichen Beurteilung des Umsatzes vonseiten des mittleren Unternehmers und der Steuerschuldverlagerung Kenntnis erlangt. Im vorliegenden Fall wird M dadurch zum Schuldner der Steuer der von L an ihn gelieferten Ware und muss diesen Erwerb im Bestimmungsland erklären und versteuern. Durch den expliziten Hinweis auf der Rechnung wird dies gewährleistet und ein möglicher Steuerausfall vermieden. Ohne eine solche Rechnung mit dem Hinweis der Steuerschuldverlagerung kann hier nur von einem normalen Reihengeschäft ausgegangen werden, da jener Hinweis Tatbestandsvoraussetzung eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes ist.

Da Tatbestandsvoraussetzungen nicht rückwirkend verwirklicht werden können, kann dem Gericht zufolge auch nicht von einer Korrektur der fehlerhaften Rechnung gesprochen werden. Bei einer nachträglichen Erfüllung einer wichtigen Tatbestandsvoraussetzung (hier: Ergänzung der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ nach Art. 226 Nr. 11a MwStSystRL auf der Rechnung) handelt es sich vielmehr um eine erstmalige Ausstellung der entsprechenden Rechnung, welche ihre Wirkung ex nunc, sprich ab dem Zeitpunkt der Ausstellung, entfaltet. Somit können die Rechtsfolgen auch nicht rückwirkend ausgelöst werden. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz des Mehrwertsteuerrechts, wonach Veränderungen, die die Besteuerung betreffen, dann rechtlich wirksam sind, wenn sie eintreten.

Zuletzt ging das Gericht auf die Frage ein, nach welchen Bestimmungen welches Mitgliedstaates die Rechnung erstellt werden sollte. Das vorlegende Gericht ersucht eine mögliche Auslegung des Art. 219a MwStSystRL. Jedoch sei nach dem Gerichtshof die Rechnung in dem Maße fehlerhaft, sodass nicht von einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft ausgegangen werden kann und die Beantwortung der Frage obsolet sei.

Der Europäische Gerichtshof kommt zu dem Entschluss, dass die bloße Angabe „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“ in einer Rechnung nicht ausreicht, um eine Steuerschuldverlagerung i. S. d. Art. 197 MwStSystRL zu kommunizieren. Für jene Kommunikation der Steuerschuldverlagerung ist die entsprechende Angabe nach Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie zwingend. Ferner kann eine Rechnung, bei der diese Angabe fehlt, nicht später durch Ergänzung dieser mit Rückwirkung berichtigt werden. 

Unsere Einschätzung

L hat zwar die Möglichkeit, die fehlerhaften Rechnungen neu auszustellen und somit die Anwendung des Sonderregimes zu innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften in Anspruch nehmen zu können. Allerdings schlägt dieser Versuch an der Nichterreichbarkeit von M fehl, dem die korrigierten Rechnungen zugestellt werden müssen. L bleibt auf der nicht abzugsfähigen Erwerbsteuer sitzen, obwohl L als Unternehmer grundsätzlich nicht mit der Mehrwertsteuer belastet werden sollte. M hingegen hat keine Umsatzsteuer in der Tschechischen Republik abgeführt und ist für die dortige Steuerverwaltung nicht aufzufinden.

Dieser komplexe Fall zeigt wieder einmal die Hürden auf, die es geben kann, wenn man sich als Unternehmer einer Vereinfachungsregel bedienen möchte. Dabei kann eine einzige fehlende Angabe, hier ein fehlender Satz, für das Unternehmen einen großen Unterschied machen. Was auf den ersten Blick als reine „Formalie“ erscheint, kann sich bei einem Gerichtsverfahren als materielle Tatbestandsvoraussetzung entpuppen. Es bleibt festzustellen, dass die Rechnungen des betreffenden Unternehmers im vorliegenden Fall zwar einen Hinweis auf ein Dreiecksgeschäft enthielten, der Wortlaut aber für nicht ausreichend erachtet wurde: „Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“.  Im vorliegenden Fall hätte ein richtiger Rechnungshinweis wahrscheinlich auch nicht dazu geführt, dass C das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft im Bestimmungsmitgliedstaat richtig erklärt hätte, da C als Missing Trader seine steuerlichen Verpflichtungen ohnehin nicht erfüllen wollte.

Unternehmer:innen sollten dringend die von Ihnen verwendeten Rechnungshinweise prüfen, um die einmal mehr aufgezeigten Stolpersteine im Bereich der Reihengeschäfte, allen voran des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes, zu vermeiden. Ferner bleibt abzuwarten, ob dieses Urteil den Weg für künftige ähnliche Gerichtsverfahren ebnet, in welchen der Sinn und Zweck von scheinbaren Formalien noch einmal genauer bewertet wird. Sollten Sie Fragen rund um das Thema Reihengeschäfte, Rechnungslegung und Dreiecksgeschäfte haben, kommen Sie auf uns zu. Wir beraten Sie gerne.

 

Marius Bensmann

Prokurist, Steuerberater

Marcus Sauer

Partner, Steuerberater, Diplom-Volkswirt

Sebastian Raphael Vogt

Prokurist, Head of Indirect Tax, Rechtsanwalt (Syndikusanwalt)

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