9. Dezember 2022

Billigkeitsmaßnahmen bei der erweiterten Kürzung in den Fällen einer Betriebsaufspaltung

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Zu Billigkeitsmaßnahmen bei der erweiterten Kürzung in den Fällen einer Betriebsaufspaltung gab es ein wichtiges Urteil und entsprechende Erlasse. Ob Sie davon betroffen sind und warum Sie sich in diesem Fall mit dem Thema Umstrukturierung beschäftigen sollten, erfahren Sie hier.

Hintergrund zu den Billigkeitsmaßnahmen und der Gewährung der erweiterten Kürzung

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlichte am 22. November 2022 gleichlautende Erlasse. Darin ging es um Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Urteils (IV R 7/18) des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. September 2021.

Die gewerbesteuerliche Kürzung kurz erklärt

Als Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag nach § 6 GewStG maßgebend. Der Gewerbeertrag entspricht grundsätzlich dem ermittelten Gewinn aus dem Gewerbebetrieb und wird durch die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge erhöht oder gekürzt. Die Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG verfolgt das Ziel, eine Doppelbelastung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer zu vermeiden.

Grundsätzlich ist nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbeertrag um 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes zu kürzen. Die § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG bietet hingegen für Grundstücksunternehmen die Möglichkeit, anstelle der pauschalen Kürzung nach Satz 1 eine erweiterte Gewerbesteuerentlastung zu erreichen. Der Gewerbeertrag wird bei Anwendung dieser Vorschrift vollständig um den Teil gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

Durch die erweiterte Kürzung (nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff GewStG) ergeben sich zwischen den beiden Alternativen der gewerbesteuerlichen Kürzungen vehemente Belastungsunterschiede. Die erweiterte Kürzung wird daher sowohl in der Rechtsprechung als auch seitens der Finanzverwaltung sehr restriktiv und unter strenger Einhaltung der einzelnen Voraussetzungen behandelt.

Voraussetzungen der erweiterten Kürzung

Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff GewStG kann grundsätzlich nur von vermögensverwaltenden Grundstücksunternehmen beansprucht werden, die ausschließlich Ihren eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen. Darüber hinausgehende Tätigkeiten sind entweder nicht begünstigt oder führen zur vollständigen Versagung der erweiterten Kürzung.
Zu den erlaubten, aber nicht begünstigten Tätigkeiten gehören

  • Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens,
  • die Betreuung von Wohnungsbauten,
  • Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern, Eigentumswohnungen und Teileigentum,
  • die Lieferung von Strom bis zu einer Bagatellgrenze von 10 Prozent der Einnahmen aus der Grundbesitzüberlassung und
  • weitere geringfügige Tätigkeiten aus Vertragsbeziehungen mit den Mieter:innen des Grundbesitzes bis zu einer Bagatellgrenze von 5 Prozent der Einnahmen aus der Grundbesitzüberlassung.

Die vollständige Versagung der erweiterten Kürzung tritt ein, wenn

  • das Grundstück einem Gesellschafter oder Genossen dient,
  • der Gewerbeertrag der Gesellschaft Sondervergütungen für Gesellschafter enthält oder

stille Reserven aus der Veräußerung von Grundbesitz aufgedeckt werden.

BFH-Urteil vom 16. September 2021 und Auswirkung auf die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung

Der BFH hat mit Urteil vom 16. September 2021 – IV R 7/18 entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung und Rechtsprechung – entschieden, dass auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen ist.

Dies steht der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegen, da die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als gewerbliche Tätigkeit beurteilt wird und daher die erweiterte Kürzung ausgeschlossen ist.  Weitere Ausführungen zum BFH-Urteil vom 16. September 2021 im Zusammenhang mit der Betriebsaufspaltung sowie zur Historie der BFH-Rechtsprechung finden Sie hier.

Billigkeitsmaßnahmen seitens der Finanzverwaltung

Aus Vertrauensschutzgründen und um die Auswirkungen des BFH-Urteils ein wenig abzumildern, haben die obersten Finanzbehörden der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen entschieden, im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen die erweiterte Kürzung bei Vorliegen einer solchen Betriebsaufspaltung bis einschließlich des Erhebungszeitraums 2023 nicht zu versagen. Ab dem Erhebungszeitraum 2024 ist die erweiterte Kürzung bei Vorliegen einer solchen Betriebsaufspaltung nicht mehr möglich. Der Gewerbeertrag kann dann nur noch mit der einfachen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG um 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes gekürzt werden.

Unsere Einschätzung

Die Billigkeitsmaßnahmen seitens der Finanzverwaltung schieben die Problematik der erweiterten Kürzung in den Fällen der beschriebenen Betriebsaufspaltung auf. Wenn Sie betroffen sind, sollten Sie jedoch bereits jetzt geeignete Maßnahmen zur Umstrukturierung in die Wege leiten, damit diese bis Ende 2023 umgesetzt sind. Nur so können Sie die Konsequenz der Versagung der erweiterten Kürzung und somit einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 verhindern.

Befürchten Sie, von den Auswirkungen des Urteils ebenfalls betroffen zu sein? Dann erarbeiten wir gerne gemeinsam mit Ihnen eine Risikoanalyse und suchen nach individuellen Lösungsmöglichkeiten.
Unsere auf Umstrukturierungen spezialisierten Steuerberater:innen helfen Ihnen gerne!

Julian Heesemann

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für die Umstrukturierung von Unternehmen (IFU /ISM gGmbH), Diplom-Finanzwirt, LL.M.

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